Höre ich den Namen Sven Hannawald verbinde ich einen Moment damit: An jenem 6.01.2002 gewann er als erster alle vier Springen bei der Vierschanzentournee in Bischofshofen und wurde damit zum Idol für viele junge Skispringer, Fans und Sportler. Es ist der Moment, als er den letzten Sprung absolviert, realisiert, dass er gewonnen hat, den Zeigefinger in die Luft streckt, mit Skiern hüpft wie ein kleines Kind. Gänsehaut.
Ein Rückblick
An diesem Tag ließ sich Hannawald nicht ablenken von all dem Trubel um seine Person. Ich verfolgte das Springen damals im TV, mit meiner lila Milkakappe auf dem Kopf. Die trug ich, weil sie auch Martin Schmitt trug. Doch in den Wochen vor der Schanzentournee war es nicht Martin Schmitt, der mich faszinierte, sondern der Sportler Hannawald. Seine Saison war eher schlecht, der größte Konkurrent vor der Tournee: der Pole Adam Małysz. Der wurde – eigentlich für den Titel schon vorgesehen – am Ende nur Vierter. Nachdem die 49. Edition des Springens klar an den Polen ging, sollte doch wenigstens bei der Jubiläumstournee wieder mal ein Deutscher triumphieren.
Und so kam es zu dem historischen Ereignis: Das Springen in Oberstdorf gewann Hannawald und auch das Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen. Den Sprung in Innsbruck im ersten Durchgang werden einige seiner Fans so schnell nicht vergessen. Es passte einfach alles. Material, Performance des Springers, der Wind. Und so flog er auf 134,5 Metern und schrie sich danach die Seele aus dem Leib, riss die Hände in die Höhe und jubelte. In Bischofshofen musste er dann einfach nur noch cool bleiben. So flog er also ein letztes Mal die Schanze hinunter und im ersten Durchgang gelang ihm eine Weite von 139 Metern – Schanzenrekord. Im zweiten Durchgang machte er den Sack mit 131,5 Metern zu. Den Zeigefinger in die Höhe streckend, hüpfend, jubelnd.
Die Folgejahre
Ein Burnout beendete 2004 die Karriere von Sven Hannawald. In einem Interview mit der Morgenpost sagte Hannawald mal: „Für mich ist das eine ganz analytische Rechnung: Umso höher man hinaus möchte, desto mehr muss man sich fordern. In meinem Fall war es extrem, ich war ja beinahe von Ehrgeiz und Perfektionismus zerfressen. Auf der anderen Seite habe ich meinen Jugendtraum gelebt. Dafür muss man viel bezahlen. In meinem Fall war es das Körperliche: Mir war frühzeitig bewusst, dass es mit dem Profisport nicht lange funktionieren würde.“
Sven Hannawald merkte, dass etwas nicht stimmte. So ließ er sich von zahlreichen Ärzten untersuchen. Nichts. Er schien kerngesund zu sein. Und doch verlor er den Halt, zog sich immer mehr zurück. Im April des Jahres 2004 dann die Nachricht: Wegen eines Burnout-Syndroms müsse sich Hannawald in eine Klinik begeben. Alleine konnte er seine Probleme nicht bewältigen. Vorbei auch die große Skisprungkarriere.
Heute
Diese Geschichte brachte ihn aber am Ende dahin, wo er heute steht: Er gründete 2016 zusammen mit Sven Ehricht (früher Berater bei Aida Cruises und im Förderprogramm der Lufthansa) eine Unternehmensberatung, die sich hauptsächlich mit betrieblicher Gesundheit und Sportsponsoring auseinandersetzt. Hannawald gibt heute Seminare, Talks, Teamevents und erzählt von seinen Erfahrungen mit Leistungsdruck und Überforderung. „Ich versuche, das Thema Stress bewusst zu machen. Damit es da kein böses Erwachen gibt wie bei mir. Und wir geben Ratschläge, was zu tun ist, wenn einem das Thema über den Kopf wächst“, erzählte er im Interview mit Focus.
Dazu lässt ihn das Skispringen nicht los: Er arbeitet als Experte für den TV-Sender Eurosport und war als Kommentator bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang dabei.: „Wir gehen das ähnlich an wie damals RTL. Wir versuchen, das komplette Programm zu bieten, mehr als nur die Sprünge zu zeigen. Sowohl im linearen TV als auch für die Neuzeitler im Onlinebereich. Das heißt, jeder Sportinteressierte kann den Wettkampf zu jeder Tages- und Nachtzeit verfolgen.“
Seinen Job nimmt er heute wie damals ernst: „Ich schaue schon im Sommer, ob das deutsche Team sich anders vorbereitet als in den vergangenen Jahren. Ich gehe zum Mattenspringen, telefoniere mit den Trainern“, erklärte er im Interview mit der Zeit. Hannawald hat sich selbst neu gefunden und sich neue Aufgaben geschaffen.