Roger Dudler von Frontify: „Man muss jede Person zum Teil der Marke machen“

Was müssen Marken beim Brandbuilding beachten? Und was machen sie beim Brand Management oft falsch? Darüber sprach die absatzwirtschaft mit Roger Dudler, Gründer und CEO von Frontify.
2013 gründete Roger Dudler Frontify, heute beschäftigt das Scale-up mehr als 200 Angestellte.

Ein geordnetes Brand Management ist für jede Marke Voraussetzung dafür, ihr Ansehen zu erhalten und ihre Bekanntheit zu vergrößern. Das weiß Roger Dudler nur zu gut. Der Schweizer ist Gründer und CEO von Frontify, einem Software-as-a-Service-Anbieter im Bereich des Brand Managements. Als solcher unterstützt Frontify Unternehmen wie Lufthansa, Kia, Vodafone, Maersk und Allianz dabei, ihre Marken effektiv zu verwalten und weiterzuentwickeln. Ende September lud Dudler erstmals im Rahmen des Events „Paradigms“ Branding- und Design-Experten nach Barcelona, um gemeinsam über Best Cases und Learnings im Bereich Markenstrategie zu sprechen. Hochkarätige Köpfe von weltbekannten Marken und Unternehmen hatte Dudler dafür gewinnen können: So waren unter anderem Meta, Google, Spotify und Oatly vertreten.

Die absatzwirtschaft sprach im Rahmen des Events mit Roger Dudler über die Wichtigkeit von Brand Management, die richtigen Markenbotschafter sowie die Zukunft des Brand Managements.

Herr Dudler, Sie hatten mit Frontify außergewöhnlich erfolgreiche Finanzierungsrunden, im Jahr 2020 betrugen sie 23,3 Millionen Dollar. Warum war das Interesse der Investoren so groß?
Ich glaube, dass Investoren grundsätzlich nach Markt-Opportunitäten schauen, der Markt ist groß und will bedient werden. Aber es hat auch damit zu tun, dass wir in der Vergangenheit immer wieder gezeigt haben, dass wir als Company gesund wachsen, große Kunden gewinnen. Und wir haben im Prinzip noch wenig vom Markt wirklich erfasst. Beispielsweise haben wir in den USA genauso viel Umsatz wie in der Schweiz.

Ist die Nachfrage in den USA so gering?
Wir wachsen jetzt stärker im amerikanischen Markt. Wenn wir in den USA die gleiche Marktpenetration erreichen wie in der Schweiz, wird sich unsere Marktposition ändern.

Wie sah die Entwicklung von Frontify aus?
Wir haben drei Jahre gebraucht, bis wir unsere Position im Markt gefunden haben. Erst als wir angefangen haben, einen klaren Markenfokus zu setzen mit den Guidelines und unserem Markenportal, hat das Ganze angefangen zu funktionieren und zu skalieren. Man muss erst den Kunden zuhören und den Markt beobachten, um zu verstehen, wo wirklich die eigene Nische liegt.

Ihr Start-up hat sich mittlerweile zu einem Scale-up entwickelt. Wie sehr hat Corona dabei geholfen?
Zu Beginn von Corona waren auch wir etwas nervös. Was haben gehofft, dass die Unternehmen realisieren, wie wichtig eine Marke ist – gerade in schwierigen Zeiten. Und das hat sich dann auch bestätigt. So hat auch Airbnb gemerkt: Wir vermieten Apartments und das geht jetzt nicht mehr. Also müssen wir was anderes tun, wie beispielsweise Kurse anzubieten. Das hat auch gut funktioniert und man hat die Anpassungsfähigkeit mit der Marke verbunden. Wir jedenfalls haben eher von der Pandemie profitiert.

Wie wichtig ist ein geordnetes Asset Management für das Brandbuilding?
Das wichtigste für Marken ist – und das haben wir während der Konferenz immer wieder gehört: Authentizität. Und die kannst du nicht einfach bieten und sagen: ‚Hey, das sind wir und das ist die Marke‘ und erwarten, dass das alle im Unternehmen verstehen und lieben. Das bedeutet, dass du einen Ort anbieten musst, an dem die Mitarbeitenden alles finden, was sie brauchen.

Sind die eigenen Mitarbeitenden die ersten Markenbotschafter?
Man muss konstant daran arbeiten, alle einzubeziehen und jede einzelne Person zum Teil der Marke zu machen, gerade die Mitarbeitenden. Wenn diese Leute wirklich verstehen, für was die Marke steht, können sie das auch an jedem Tag nach außen tragen. Das hört sich jetzt super abstrakt an, aber konkret sind das Dinge wie ein zentrales Markenlogo, Schriften, Farben, Bilder, Vorlagen: alles muss zentral abrufbar sein, um die eigenen Leute in die Marke einzubeziehen.

Was machen Marken bei einem Brand Management oft falsch?
Ich glaube, viele Marken denken immer noch in zu engen Bahnen. Man denkt vielleicht: ‚Dieser eine Touchpoint ist wichtig und man hat eine gute Kampagne.‘ Aber man vergisst eben die Leute, die an der Front sind und die verkaufen oder die im Support sind, ans Telefon gehen, die Emails schreiben. Ebenso die Leute, die zum Beispiel abends in der Bar sind und über die Company sprechen. Es gibt so viele Aspekte auf der Marketingebene, wo wirklich die Meinung über eine Marke gebildet wird. Die großen Kampagnen aber vergessen die meisten wieder. Die eigentliche Power liegt in den Leuten, die an jedem Tag alles bespielen. Und so hast du dann gute Guidelines und gute Assets zentral, die hübsch sind und so weiter. Ich glaube, dass Firmen es immer noch schleifen lassen, die Leute wirklich einzubeziehen.

Ist also das Einbeziehen von Leuten der USP von Frontify?
Es gibt viele Anbieter in unserem Bereich, aber die kommen meist von einer anderen Richtung. Wir haben den Markenkern von Unternehmen im Fokus. Wir selbst sind passionierte Markenliebhaber. Ich glaube, dass das hilft, wenn du eine Software einführst und nicht einfach nur ein Produkt hinstellst. Es kommt darauf an, eine Story zu erzählen und ein Mindset in die Company zu bringen. Wenn wir mit Entscheidern sprechen, sagen wir ihnen, dass eine Marke nicht für die wenigen ist, sondern für alle. Dann beginnt bei ihnen ein Mindshift. Dieses Mindset wird dann auch weitergetragen zu den Mitarbeitern, wenn das Rollout passiert.

Was ist schwieriger: eine Brand aufzubauen oder sie aufrechtzuerhalten?
Beides ist schwierig. Aber ich würde sagen, es ist schwieriger dafür zu sorgen, dass die Marke eine Evolution hat. Ich glaube, die Marke zu kreieren, ist unglaublich wichtig. Trotzdem ist es gerade für große Unternehmen sehr schwierig, bei den vielen Touchpoint, Channels und Mitarbeitenden die Brand weiterzuentwickeln und alle mit einzubeziehen.

Wie sieht die Zukunft des Brand Managements aus?
Wir sind auf dem richtigen Pfad, wenn es darum geht, alle einzubeziehen. Wir müssen uns fragen: Wie können wir besser verstehen, wie alle Departments und jede einzelne Person die Marke jeden Tag leben? Was sind die Elemente, mit denen wir sie unterstützen können? Wie können wir alle Touchpoints von Unternehmen verstehen? Und wie wichtig sind sie tatsächlich? Ich glaube, das ist ein spannender Aspekt. Die größeren Firmen haben keine Übersicht, wo wirklich überall Dinge passieren. Und ich glaube, wir werden in ein paar Jahren an dem Punkt sein, wo wir alles auf einen Blick sehen: Wo sind die Touchpoints, welche sind wichtig, wer ist verantwortlich, wer sind die Brand Ambassador? Ich glaube, es wird viel mehr Fokus hin zu Authentizität geben und viel mehr Unterstützung dahingehend, die Menschen dort hinzubringen, wo sie sein sollten.

(amx, Jahrgang 1989) ist seit Juli 2022 Redakteur bei der absatzwirtschaft. Er ist weder Native noch Immigrant, doch auf jeden Fall Digital. Der Wahlberliner mit einem Faible für Nischenthemen verfügt über ein breites Interessenspektrum, was sich bei ihm auch beruflich niederschlägt: So hat er bereits beim Playboy, in der Agentur C3 sowie beim Branchendienst Meedia gearbeitet.