New Work bei Trigema: Gibt’s nicht? Doch! 

Für Trigema ist New Work gar nicht neu, findet Bonita Grupp, die 2024 die Co-Geschäftsführung des schwäbischen Textilherstellers übernommen hat. Seit jeher versteht man sich als Betriebsfamilie – und denkt jetzt sogar über Heimarbeit nach.
Bonita Grupp bringt neue Ideen ins Familienunternehmen ein. So manches sei aber auch schon dagewesen, bevor die Fachwelt es “New Work” nannte.
Bonita Grupp bringt neue Ideen ins Familienunternehmen ein. So manches sei aber auch schon dagewesen, bevor die Fachwelt es “New Work” nannte. (© Trigema )

Ihr Vater machte noch Schlagzeilen mit seiner barschen Ablehnung von Homeoffice: „Wenn einer zu Hause arbeiten kann, ist er unwichtig“, fand Wolfgang Grupp. Seine Tochter sieht das offenbar anders.  

Remote-Arbeit sei zwar in einem produzierenden Unternehmen nicht einfach zu organisieren, sagt Bonita Grupp, Geschäftsführende Gesellschafterin von Trigema. „Wir überlegen jedoch, in einigen Bereichen Heimarbeit einzuführen, zunächst testweise.“ Ein generelles Tabu von Homeoffice gebe es auch in der Verwaltung nicht. „Wir bieten es im Einzelfall an“, so Grupp. 

Im vergangenen Jahr übernahm die 36-Jährige, die in London Business Management und Wirtschaftsgeschichte studiert hat, zusammen mit ihrem Bruder Wolfgang Grupp junior die Leitung der Traditionsfirma aus Burladingen. Auch wenn es, wie stets bei einer Unternehmensnachfolge, die eine oder andere neue Idee gibt – die interne Kultur findet Bonita Grupp ganz in Ordnung und das tradierte Verständnis als Betriebsfamilie sogar hochmodern. „Eigentlich haben wir New Work immer schon gelebt“, sagt sie.  

Arbeitsplatzgarantie für Mitarbeitende und ihre Kinder 

Freilich gelten für ein Produktionsunternehmen mit 1200 Mitarbeitenden andere Regeln als für eine kleine Softwareschmiede. Jacken und T-Shirts werden, das ist Bestandteil der Marke, auch heute noch auf der schwäbischen Alb genäht. Wo Abläufe physisch ineinandergreifen, Termine eingehalten und große Stückzahlen erreicht werden müssen, bleibt nicht viel Raum für Kreativität.  

Gerade deshalb sei Mitsprache bei der Organisation wichtig, so Grupp: „Wir ordnen nicht von oben herab an, sondern integrieren Mitarbeiter in die Prozesse und überlegen gemeinsam, wie sich Ziele am besten umsetzen lassen.“ Die Hierarchie sei flach, Gruppenleiter*innen im Werk jederzeit ansprechbar. Bei Problemen stehe auch die Tür der Geschäftsführung offen. „Ein Termin bei mir ist immer möglich“, versichert Grupp. 

Trigema produziert seine Textilien noch immer auf der Schwäbischen Alb.
Trigema produziert seine Textilien noch immer auf der Schwäbischen Alb. (© Trigema)

Bei der Grupp’schen Version von New Work mischen sich Fürsorge und Forderung. In einer „Menschenrechtlichen Grundsatzerklärung“ hat sich Trigema zu Nachhaltigkeit, Qualität und Verantwortung verpflichtet, auch gegenüber der Belegschaft. Legendär ist die De-Facto-Arbeitsplatzgarantie, seit über 50 Jahren ist niemandem mehr betriebsbedingt gekündigt worden. Mitarbeiterkindern ist ein Job oder eine Ausbildung sicher, das war schon so, bevor Fachkräftemangel herrschte. Zudem gibt es über 20 Teilzeitmodelle und eine große Bereitschaft, auf individuelle Wünsche und Sorgen in der Belegschaft einzugehen.  

Klare Absage an das Modell Vier-Tage-Woche 

Im Gegenzug sollten Mitarbeitende die Ziele des Unternehmens als Gemeinschaftsaufgabe verstehen, hinter der eigene Interessen auch mal zurückstehen, findet Bonita Grupp. New-Work-Features wie einer generellen Vier-Tage-Woche erteilt sie eine klare Absage. Für sie ist die Diskussion irreführend in einer Gesellschaft, in der Fachkräfte zunehmend knapper werden: „Wir können unseren Wohlstand nicht dadurch behalten, dass wir weniger arbeiten.“ Eine hierarchieübergreifende „Du“-Kultur ist bei Trigema nicht angesagt. Grupp will daran nichts ändern: „Man hat ja ein Arbeitsverhältnis.“ Und nicht etwa eine Freundschaft. 

Wie sind einige harsche Bewertungen auf dem Jobportal Kununu zu erklären, mit Kritik an ungerechten Überstundenregelungen, einem hierarchischen Führungsstil und an einer schlechten Fehlerkultur? Grupp lacht. „Die Kommentare kenne ich“, sagt sie. „Die Autoren haben sie nach ihrem Ausscheiden aus der Firma geschrieben. Leider sind diese anonym und wir sind falschen Darstellungen ausgeliefert.“ Bei einer großen Belegschaft sei es normal, dass nicht jeder im Guten gehe. 

(mat) führte ihr erstes Interview für die absatzwirtschaft 2008 in New York. Heute lebt die freie Journalistin in Kaiserslautern. Sie hat die Kölner Journalistenschule besucht und Volkswirtschaft studiert. Mag gute Architektur und guten Wein. Denkt gern an New York zurück.