Anonymität bedroht: Muss Kununu Nutzenden-Daten weitergeben?

Eine Entscheidung gegen die Arbeitgeberbewertungsplattform Kununu bedroht deren Geschäftsmodell. Noch steht ein endgültiges Urteil aus, doch die Anonymität der Nutzenden steht auf der Kippe.
Kununu Urteil
Auf der Plattform Kununu werden Arbeitgeber von Mitarbeitenden bewertet. Anonymität ist dabei von zentraler Bedeutung. (© Kununu)

Anonyme Einblicke – ein Feature, mit dem Kununu als Plattform zur Bewertung von Arbeitgebern prominent wirbt. Für das Funktionieren des Geschäftsmodells ist diese Anonymität elementar. Viele ehrliche Bewertungen dürfte es nur dann geben, wenn Angestellte nicht damit rechnen müssen, dass der Arbeitgeber sie identifizieren kann und damit klar ist, wer hinter einer Bewertung steht. 

Doch eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Hamburgs stellt diese Anonymität nun in Frage: Ein Handelsunternehmen mit Ladengeschäft in Hamburg wollte diverse Bewertungen von der Plattform entfernt haben. Und gleichzeitig wissen, wer die Personen sind, die sie geschrieben haben. Das OLG gab dem Unternehmen zumindest vorläufig in zwei Fällen recht. Arbeitgeber müssten nachvollziehen können, ob ihnen die bewertenden Personen tatsächlich bekannt sind. Kununu hatte das mit anonymisierten Tätigkeitsnachweisen wie Zeugnissen oder Gehaltsabrechnungen belegt. Doch der anonyme Nachweis reiche nicht, so das Urteil des OLG. Der Datenschutz und das Recht auf eine anonyme Meinungsäußerung treten hier also in den Hintergrund. 

Kununu: Vermehrt Anfragen von verunsicherten Nutzenden

Bei der Entscheidung des OLG handelt es sich um eine einstweilige Verfügung – die beiden kritischen Bewertungen, um die es konkret geht, mussten also zunächst entfernt werden. Eine endgültige Entscheidung im Hauptsacheverfahren ist das nicht. Kununu-CEO Nina Zimmermann zeigt sich in einem Statement entsprechend kämpferisch: „Wir stellen klar, dass wir weiterhin die Identität unserer Nutzer schützen werden und uns aufgrund dieser Entscheidung nicht dazu verpflichtet sehen, die Klarnamen unserer Nutzer herauszugeben.” Sie ist außerdem der Meinung, dass das OLG-Urteil im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) steht und wirft dem OLG vor, diese nicht zu beachten. 

Die Entscheidung im Hauptsacheverfahren dürfte aber in der Tat mit Spannung zu erwarten sein: Wie ehrlich sind Bewertungen noch, wenn Nutzende jederzeit damit rechnen müssen, nicht mehr anonym zu sein? Ergibt eine Plattform wie Kununu dann überhaupt noch Sinn? Kununu erklärt zumindest: „Wir erhalten aktuell vermehrt Anfragen von verunsicherten Nutzern oder Unternehmen.” 

Klar ist: Kununu will alles daran setzen, die Anonymität zu gewährleisten. Selbst wenn das Urteil im Hauptsacheverfahren Bestand haben sollte, würden deswegen nicht plötzlich alle Klarnamen auf der Plattform sichtbar werden. Aber für Arbeitgeber wäre bei schlechten Bewertungen ein Tor geöffnet, um Infos über Bewertende abzugreifen. 

Entscheidung des OLG eklatant falsch” 

Eine Hoffnung, an die sich Kununu klammert: In dem beurteilten Fall hat das klagende Unternehmen laut Kununu eine Vielzahl von Bewertungen bemängelt, weil die Bewertenden angeblich nicht dort arbeiten würden. Kununu meint, dass ein solches Vorgehen rechtsmissbräuchlich sein könnte und damit die Prüfpflicht der Plattformen entfallen würde. Zumindest im konkreten Fall teilte das OLG diese Meinung aber nicht. Und: Der BGH hatte in einem ähnlich gelagerten Fall 2022 geurteilt, dass auch in diesem Fall eine Prüfung durch die Plattform erfolgen müsse. Das gelte selbst dann, wenn die Bewertung so detailliert sei, dass man eigentlich von einem Geschäftskontakt ausgehen könnte.

Die gesamte Entscheidung des OLG hält Kununu für „eklatant falsch”. Ein Termin für die Verhandlung im Hauptsacheverfahren steht aber noch nicht. Kununu erwartet keine schnelle Klärung. Wenn nötig aber will das Unternehmen auch in weitere Instanzen gehen: „Da wir die Anonymität der Kununu-Nutzer schützen, werden wir, wenn nötig, bis vor den BGH 

ziehen […].” Dass, so Kununu, habe bereits im Sinne von Plattformen für die Anonymität von Nutzenden geurteilt. Bis dahin aber wird es weiterhin verunsicherte Nutzende geben – und damit auch Unsicherheit für das Kununu-Geschäftsmodell. Auch wenn das Unternehmen dem klar widerspricht: „Das Geschäftsmodell von Kununu ist nicht in Gefahr”, so die Mitteilung von Kununu. Denn: Das Unternehmen ist sich sehr sicher, dass der Gerichtsbeschluss korrigiert werden wird. 

(fms, Jahrgang 1993) ist UX-Berater, Medien- und Wirtschaftsjournalist und Medien-Junkie. Er arbeitet als Content-Stratege für den Public Sector bei der Digitalagentur Digitas Pixelpark. Als freier Autor schreibt er über Medien und Marken und sehr unregelmäßig auch in seinem Blog weicher-tobak.de. Er hat Wirtschafts- und Technikjournalismus studiert, seinen dualen Bachelor im Verlag der F.A.Z. absolviert und seit mindestens 2011 keine 20-Uhr-Tagesschau verpasst.