Mit KI schmeckt alles besser

Das Marketing hat den KI-Ball aufgenommen und ihn teilweise bereits steil ins Vertriebsfeld geschlagen. Vor allem im Lebensmittelsektor möchte man mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz neue Kund*innen anlocken. Kann das gelingen?
Sind das alles bedeutungslose Rumspinnereien oder wird KI in Zukunft auch unser Essen bestimmen? (© Mineralbrunnen Überkingen-Teinach)

Die Zeit des Wunderns ist vorbei. Mittlerweile dürfte jeder verstanden haben, welche Macht in KI steckt. Also sind praktische Umsetzungen gefragt – und das Marketing liefert. Allen voran die großen Consumer-Brands. Hier sind es insbesondere Marken aus dem Lebensmittelbereich, die vorpreschen und ihre Fans an den neuen Errungenschaften teilhaben lassen – Beispiel: Afri Cola. „Diese Website wird mit künstlicher Intelligenz wöchentlich neu erstellt“, begrüßt die Cola-Marke ihre Homepage-Besucher. Fast alle Bilder und Texte werden dort von KIs generiert. Jeden Montag bietet die Marke ihrer Community eine neue Geschichte, neue Produkttexte, neue Bilder und tonnenweise Inspirationen. Wow. Hier leisten gleich mehrere KIs einen großartigen Marketing-Job. Sie emotionalisieren, steigern die Aufmerksamkeit, praktizieren Storytelling, verlängern die Aufenthaltsdauer und intensivieren die Interaktionen zwischen Nutzer*innen und Marke, binden sie und laden zur Wiederkehr ein. Viel mehr geht eigentlich nicht. Oder doch? Na sicher!

Selbstvermarktung neu definiert

Die Biermarke Becks wirbt auf ihrer Website mit einem „Bier, das sich selbst kreierte“. Vom Rezept über Dosendesign und Logo bis hin zum Marketing, wurde laut Becks jede Entscheidung von einer KI getroffen. Treffend ist dann auch der Name der Bier-Sorte: Autonomous. Und Marketer, Achtung: Das Bier vermarktet sich nahezu eigenständig. Unter Berücksichtigung der Zielgruppe schlug die KI Plakate, Plakatwände und Social-Media-Anzeigen vor, die der Bierbrauer dann umsetzte. Darüber hinaus entwickelte die KI ein komplettes Skript für ein Werbevideo und seine eigene Influencer-Marketingstrategie. Das smarte Nass steht aber nicht einfach so im Supermarkt-Regal, es kann online vorbestellt werden.

So geht Marketing.

Und es geht noch mehr: Bei Burger-King ist ein komplett neues Produkt entstanden, die – man möchte es kaum glauben – „Cheeseburger-Nuggets“. Eine Fusion von Nuggets und Cheeseburger. Man fragt sich, ob die KI hier halluziniert hat oder ob dies wirklich die Zukunft ist. Die Burger-Kette war von den Food-Fusions-Ideen so begeistert, dass man der KI gleich noch weitere Ideen entlockte: Hot Wings Brownie, Chili Cheese Shake oder der Onion-Ring-Donut – sie wurden allesamt bisher nicht umgesetzt. Doch für Gesprächsstoff sorgt die KI mit ihren Einfällen auch hier allemal.

Diese Beispiele zeigen: Das Marketing hat den KI-Ball aufgenommen und ihn teilweise bereits steil ins Vertriebsfeld geschlagen. Kann das gelingen? So schön die Marketing-Story auch klingt: Letztlich sind es die Verbraucher*innen, denen eine KI-Kreation schmecken muss. Das Anfangsinteresse dürfte groß sein, doch ob KI auch den sensorischen Geschmack einer Zielgruppe treffen kann, das wird sich noch zeigen. Wir sind gespannt.

Schon gehört?

Was Consumer Brands können, funktioniert auch im B2B-Business: So hat die Online Solutions Group jetzt ChatGPT 3 in ihre Performance Suite integriert. In weniger als 90 Sekunden kann die Lösung nun Content mit 5.000 Wörtern generieren. Komplette Landingpages können so beispielsweise in kürzester Zeit generiert werden, inklusive Meta-Tags und SEO-Optimierung. So wie hier werden in immer mehr Content-Lösungen KI-Funktionen eingebunden. Auf Website-Texter dürften damit schwere Zeiten zukommen.

Auch die Standortinitiative nextMedia.Hamburg möchte KI-Themen sichtbar machen und setzt dazu auf die virtuelle Influencerin KAI. Auf Social Media wird sie wöchentlich Neuigkeiten aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz zusammenfassen, Anwendungsmöglichkeiten aus der Content-Branche teilen und mit der Community diskutieren. Auf ihrer LinkedIn-Seite setzt die Standortinitiative KAI bereits ein.

Und – man hat es längst geahnt: Wie time.com berichtet, plant Amazon anscheinend, seinem Online-Shop eine Suche im ChatGPT-Stil hinzuzufügen. So soll der E-Commerce-Riesen in Stellenausschreibungen von Bloomberg News unter anderem einen Softwareentwicklungsingenieur gesucht haben, der „Amazon Search mit einem interaktiven Gesprächserlebnis neu erfindet.“

Übrigens: Damit der gesamte KI-Hype nicht aus dem Ruder läuft, hat vergangene Woche ein Ausschuss von Gesetzgebern im Europäischen Parlament dem EU-KI-Gesetz (AI Act) zugestimmt. Damit rückt die Inkraftsetzung näher. Das neue Gesetz wird Anwendungen von KI in vier Risikostufen kategorisieren, soll Anforderungen für KI-Entwickler definieren und Bestimmungen enthalten, die sicherstellen, dass eine KI nicht gegen Urheberrechte verstoßen kann.

In diesem Sinne. Bleiben Sie inspiriert!

(kaz) ist Fachjournalist für digitales Marketing. Seit Mitte der Nullerjahre begleitet er mit seinen Artikeln die rasanten Entwicklungen der Online-Werbebranche. Der Maschinenraum der Marketing-Technologien fasziniert ihn dabei ebenso wie kreativ umgesetzte Kampagnen. Der freie Autor lebt und arbeitet in Berlin.