Leichte Sprache für mehr Neugeschäft

Barrierefreie Kommunikation soll Gleichberechtigung schaffen. Dafür müssen Informationen überhaupt erst mal alle erreichen. Im zweiten Schritt ist entscheidend, dass jede*r die Inhalte verstehen kann. Damit das gelingt, gibt es die Leichte und die Einfache Sprache.
Jeder Mensch hat wenigstens hin und wieder mit Barrieren zu kämpfen – und kann von einfach geschriebenen Texten profitieren. (© Stefan Albers, Lebenshilfe Bremen)

Von Texten in Leichter Sprache profitieren die rund 16,8 Millionen Menschen in Deutschland, die niemals besser lesen gelernt haben als ein durchschnittliches Grundschulkind. Sehr hilfreich sind sie zudem für Demenzkranke oder Zugewanderte, die gerade anfangen, Deutsch zu lernen. Die etwas komplexeren Texte in Einfacher Sprache richten sich wiederum in erster Linie an Menschen mit Lese-­Rechtschreib-Schwäche, ältere Menschen oder solche, die nicht so gut Deutsch sprechen können.

Auf Barrieren beim Textverstehen stoßen aber auch Tourist*innen, Laien, die sich mit Fachartikeln herumquälen, oder Menschen, die unter großem Zeitdruck ein mit Fremdwörtern gespicktes Dokument lesen sollen. Kurz: Eigentlich haben wir alle wenigstens hin und wieder beim Lesen mit Barrieren zu kämpfen – und können von einfach geschriebenen Texten profitieren.

Was ist Einfache und was Leichte Sprache?

Die Leichte Sprache folgt genauen Regeln. Beispielsweise wird spätestens hinter jedem Satz ein Absatz gesetzt. Die kurzen Hauptsätze (auf Nebensätze wird weitgehend verzichtet) aus bekannten Wörtern sind stets aktiv formuliert. Synonyme sind tabu. Der Doppelpunkt wird gezielt als hinweisendes Element verwendet und schwierige Wörter werden erklärt. Das Layout spielt ebenfalls eine wichtige Rolle: Es muss klar strukturiert sein und ein gut lesbares Schriftbild mit großem Zeilenabstand aufweisen. Zu einem Text in Leichter Sprache gehören zudem erklärende Bilder – besser als detailreiche Fotos sind hier einfache Illustrationen. 

Im Gegensatz zur Leichten Sprache hat die Einfache Sprache kein eigenes Regelwerk. Ihr liegen die Empfehlungen für gut verständliche Texte zugrunde, also etwa: möglichst kurze Sätze aus häufig verwendeten Wörtern bilden, lieber aktiv formulieren als passiv, eher Verben benutzen als Nomen und auf Fremdwörter verzichten oder aber sie erklären.

Warum barrierefreie Kommunikation handfeste monetäre Vorteile bietet, verdeutlicht Isabel Rink, Geschäftsführerin der Forschungsstelle Leichte Sprache am Institut für Übersetzungswissenschaft und Fachkommunikation der Universität Hildesheim: „Ich ignoriere schlicht eine enorme Kaufkraft, indem ich Gruppen ausschließe. Ich mache das einmal an ein paar Zahlen deutlich: Unter den 7,9 Millionen Personen mit Schwerbehinderung in Deutschland sind 78 Prozent 55 Jahre und älter. Die Kaufkraft dieser 78 Prozent liegt bei jährlich 720 Milliarden Euro. Diese Gruppen auszuschließen, bedeutet also, Ressourcen nicht umsichtig zu nutzen.“

Verständlich zu kommunizieren, bedeutet zudem, Vertrauen zu schaffen. Umgekehrt entsteht Misstrauen, wenn Texte nicht verstanden werden. Zudem spart ein Unternehmen Arbeitskraft, wenn dank verständlicher Texte Rückfragen gar nicht erst entstehen. Ein weiteres Plus: Einfache und auch Leichte Sprache erhöhen die Auffindbarkeit in Suchmaschinen, enthalten die Texte doch besonders viele gängige Wörter, die häufig bei Google und Co. eingetippt werden.

Trotz all dieser Vorteile sollten Unternehmen aber nicht den Fehler begehen, nur noch in Einfacher und Leichter Sprache zu kommunizieren. Das provoziert nämlich zuverlässig die Abwehrhaltung von Menschen, die mit Texten in Standardsprache gut zurechtkommen. Wahlwerbung in Leichter Sprache, die das Land Schleswig-Holstein 2017 an alle Wähler*innen verschickte, stieß so beispielsweise auf harsche Kritik.

Qualitäts- und Alleinstellungsmerkmal

„Ich empfehle Unternehmen eine Art Bauchladen mit Blick auf ihre kommunikativen Strategien, also eine Standardfassung und zusätzlich dazu eine Version in Einfacher und eine in Leichter Sprache“, sagt Rink. „So können die Kunden sich selbstbestimmt aussuchen, was sie benötigen.“ Wichtig sei zudem ein hochwertiges Angebot, auch weil durch falsche Rechtschreibung oder kindliche Bilder die Stigmatisierung von Menschen mit (kommunikativen) Einschränkungen nur noch verstärkt werde. „Wer auf jeden Fall sehr qualifiziert arbeitet, ist der Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer e. V.“, sagt die Expertin. Isabel Rink empfiehlt Unternehmen aber ohnehin, eine Stelle für barrierefreie Kommunikation zu schaffen, schließlich sei inklusives Marketing ein Qualitäts- und Alleinstellungsmerkmal. „Das erschöpft sich dann auch nicht in Leichter und Einfacher Sprache“, sagt sie, „sondern auch etwa in der Frage, wie die Fokusgruppe am besten erreicht wird, ob also beispielsweise die schriftliche Kommunikation dafür überhaupt geeignet ist.“

Das ist ein Beispieltext in …

Leichter Sprache

Texte in Leichter Sprache sind besonders zugänglich.

Das heißt: Besonders viele Menschen können diesen Text gut verstehen. Texte in Leichter Sprache haben nämlich zum Beispiel:

– kurze Wörter

– kaum Fremdwörter

Das ist ein Beispieltext in …

Einfacher Sprache

Einige Menschen übersetzen schwierige Texte in Einfache Sprache. Informationen sollen nämlich leicht zu verstehen sein. Deshalb werden Fremdwörter erklärt, wenn sie in einem Text vorkommen.

Dieser Artikel erschien zuerst in der März-Printausgabe der absatzwirtschaft.

(cs, Jahrgang 1978) ist freie Autorin bei der absatzwirtschaft. Nach ihrem Studium hat sie als Redakteurin in einem Verlag gearbeitet. Mittlerweile schreibt sie seit vielen Jahren journalistische Texte und Bücher über die unterschiedlichsten Themen – vom ökologischen Fußabdruck über die Eigenschaften von Röntgenlicht bis hin zu Trends im Kids and Family Content Marketing. Sie liebt es, bei ihrer Arbeit immer wieder Neues zu erfahren − und davon zu erzählen.