Frankreich plant Öko-Bußgeld für Shein und Temu 

Vive la France! Die französische Regierung will Anbieter von Ultra Fast Fashion für ihre Umweltsünden zur Rechenschaft ziehen. Das ist vorbildlich. Hierzulande bleibt uns immerhin die No-buy-Challenge.
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Wegwerfmode hat mit Klimafreundlichkeit nichts zu tun. (© Unsplash)

Es wäre alles viel einfacher, wenn es nicht immer mindestens zwei Seiten gäbe. Nehmen wir nur das Onlineshopping. Das ist einerseits viel klimafreundlicher als angenommen, zeigt eine neue Studie der Universität des Saarlandes, über die der “Harvard Business Manager” berichtet. Es sei ein weit verbreiteter Irrglaube, dass der Shoppingtrip im Internet umweltschädlicher sei als die individuelle Tour ins nächste stationäre Geschäft.  

Klar: Wer sich allein in sein Auto setzt und etliche Kilometer zu seinem Lieblingsladen zurücklegt, hat eine schlechtere CO2-Bilanz als der streckenoptimierte Paketservice. Ebenfalls logisch: Viele kleinere Läden verbrauchen in Summe mehr Energie als ein großes Verteilzentrum. Studienautor Patrick Klein ruft deshalb Onlineshops dazu auf, „ihre ökologischen Vorteile transparent und glaubwürdig zu kommunizieren, um ihr wahrgenommenes Image zu verbessern“.  

Wer sich dieser Tage andererseits über Trends im Onlineshopping informiert, liest über Shein und Temu, die beiden Monster des neuen Ultra-Fast-Fashion-Trends. Und die haben mit Klimafreundlichkeit so viel zu tun, wie Putin mit demokratischen Wahlen. Nichts. Trotzdem kaufen die Leute wie verrückt bei den Anbietern von Wegwerfmode.  

Frankreich reicht’s

Die Billigmodeplattformen Shein und Temu überschütten die westliche Konsumwelt derart massenhaft – und derart erfolgreich – mit minderwertigen Produkten, dass die weltweiten Luftfrachtkapazitäten eng und immer teurer werden. Schätzungen zufolge liefern sie täglich 400.000 Pakete nach Deutschland. Dass in den Lieferketten angesichts der Niedrigstpreise etwas nicht stimmen kann, müssen wir gar nicht erst diskutieren. Dass Klamotten von Shein gefährliche Chemikalien enthalten, stellte Greenpeace schon 2022 fest.  

Frankreich reicht’s: Das Mutterland der Mode hat ein Gesetz auf den Weg gebracht, das die Werbung für Ultra-Fast-Fashion-Marken stark einschränkt und Billigmodeanbieter mit einer Geldstrafe belegt. Es gilt als wahrscheinlich, dass „zum Beispiel auch Influencerinnen unter das Werbeverbot fallen dürften“, schreibt “Der Standard” aus Wien. 

Außerdem sieht der Gesetzesvorschlag eine Strafgebühr für Ultra-Fast-Fashion-Marken vor. Die Geldstrafen – genaues ist noch nicht bekannt – könnten bis zu 50 Prozent des Verkaufspreises eines Kleidungsstücks betragen und sollen dafür verwendet werden, die Öko-Schäden auszugleichen. Die französische Regierung macht damit genau das, was zum Beispiel Anita Habel von den Psychologists/Psychotherapists for Future fordert: Sie reglementiert den Wahnsinn.  

Ein Spaß für die ganze Familie: die Anti-Manipulations-Challenge 

Im aktuellen und sehr hörenswerten Utopia-Podcast „Die Psychologie hinter Temu und Shein“ erklärt Kommunikationspsychologin Habel, wie es den Anbietern gelingt, mit Marketing – Streichpreisen, künstlicher Verknappung, schrillen Angeboten, Gamification, Influencer-Werbung & Co. – einen regelrechten Kaufsog zu erzielen. Sie empfiehlt, die Onlineshops gar nicht erst zu besuchen und wenn doch, eine „Anti-Manipulations-Challenge“ aus dem Website-Besuch zu machen und zu versuchen, alle Kaufverstärker zu identifizieren – das ist tatsächlich ein Spaß. (Kleine Randnotiz: Wenn die Qualität der Produkte von Shein so schlecht ist wie die Rechtschreibung auf der Website, wäre das wirklich schlimm).  

 
Anita Habel spricht im Podcast auch von einem zarten Gegentrend: der Kaufdiät. Eine kurze Recherche zeigt: Die dpa erzielte im Februar mit der Meldung „Wie eine No-Buy-Challenge mehr Lebensqualität schenkt” eine hohe Reichweite. Ob derlei Botschaften aber tatsächlich Shein- und Temu-Konsument*innen erreichen, darf bezweifelt werden.  

Lesetipp: Die Lobby der anderen 

Haben Sie sich auch über die Reaktionen zum nun dankenswerterweise trotz der Enthaltung Deutschlands beschlossenen EU-Lieferkettengesetz gewundert? Es waren in erster Linie Stimmen von Vertretern großer Verbände zu hören, die die Folgen des Gesetzes allesamt in schwärzesten Farben malen. Ihnen zufolge ist die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft nunmehr in Grund und Boden gestampft.  

Dabei gibt es auch die andere Seite, nämlich all jene Unternehmen, die sich aktiv und freiwillig höheren Umwelt- und Sozialstandards verschreiben und eine Lieferkettentransparenz befürworten. Harald Willenbrock beschreibt in “Brand eins”: Die Lobby der anderen – ein Text, den ich Ihnen wärmstens zur Lektüre ans Herz lege. Wer weiß: Wenn der dort porträtierte Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft (BNW) seinem Ziel nahekommt, ein „grüner BDI“ zu werden, dann wird aus Deutschland vielleicht auch irgendwann ein bisschen Frankreich, das ruckzuck beschließt, Umweltsünder in die Pflicht zu nehmen. 

(vh, Jahrgang 1968) schreibt seit 1995 über Marketing. Was das Wunderbare an ihrem Beruf ist? „Freie Journalistin mit Fokus auf Marketing zu sein bedeutet: Es wird niemals langweilig. Es macht enorm viel Spaß. Und ich lerne zig kluge Menschen kennen.“