Grüne Kommunikationswende 

Nachhaltigkeit rückt ins richtige Licht. Otto-Konzernchef Alexander Birken rückt ein paar Dinge gerade. Und der FC St. Pauli rückt an die Spitze.
Nachhaltigkeit ist laut PwC das neue Profitabel
Kommunizieren bleibt auch im Jahr 2024 eines der wichtigsten Mittel, um nachhaltige Themen voranzutreiben. (© Unsplash)

„Stimmungstief bei CEOs überwunden“, meldet die Unternehmensberatung PwC in ihrem aktuellen Global CEO Survey. Zwar sorgen sich die Führungskräfte dieser Welt um Cyber-Risiken, geopolitische Konflikte und den Klimawandel (in dieser Reihenfolge), aber, so PwC: Allein unter den deutschen CEOs rechnen 67 Prozent mit einer Steigerung des globalen Wirtschaftswachstums. 

Das ist doch mal schön, dass jemand in dieser übellaunigen Zeit optimistisch in die Zukunft blickt. Schließlich veröffentlichte das europäische Statistikamt Eurostat erst Anfang der Woche Umfragedaten, laut denen die Deutschen zu den unglücklichsten Bürgern in der EU zählen. Nur die Menschen in Bulgarien sind noch weniger zufrieden. Puh. 

Aber ich schweife ab. Während ich mich fröhlich durch die PwC-Website scrollte, fiel mir nämlich die Werbung für deren Nachhaltigkeitsberatung ins Auge. Die startet mit dem Satz: „Nachhaltig ist das neue Profitabel“. Was vor nicht allzu langer Zeit als „nice to have“ gegolten habe, entscheide heute über den langfristigen wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens. Nachhaltigkeit spiele die zentrale Rolle bei der Ausrichtung unternehmerischen Handelns und sei letztendlich gleichzusetzen mit dem „right to play“.  

Die Konkurrenzberatung EY schreibt zum gleichen Thema: „Wenn Unternehmen nachhaltig arbeiten, funktioniert die Welt besser.“ Nachhaltigkeit sei die zentrale Innovationschance. Und McKinsey kommt direkt auf der Startseite mit dem Imperativ: „Win green & grow!“.  Diese kleine, definitiv nicht repräsentative Stichprobe lässt ahnen: Es tut sich etwas in der B2B-Kommunikation von Nachhaltigkeit. Statt als lästige Pflicht, schlimme Bürokratiebürde und zusätzliche Belastung, wird Nachhaltigkeit nun auch als Erfolgsfaktor und Chance kommuniziert. Das ist eine gute Entwicklung.  

Otto-Chef: „Konsumverzicht wird nicht gewollt“ 

Wo wir gerade bei Kommunikation sind: Otto-Group-Chef Alexander Birken hat der “Zeit” ein lesenswertes Interview gegeben. Kernbotschaft und Headline: „Wir sind nicht die Konsumentenpolizei“. Auf die Frage, ob er seiner Kundschaft nicht zu weniger Einkäufen raten sollte, wenn er es mit dem Klimaschutz ernst meint, antwortet Birken: „Ich würde unseren Kunden gegenüber niemals das Wort “sollte” benutzen. Das sind freie, mündige Bürger. Wenn wir sie befragen, sehen wir: Konsumverzicht wird nicht gewollt. Aber sie fordern uns auf, Verantwortung zu übernehmen, damit sie nachhaltiger konsumieren können.“ 

Die Menschen seien nicht bereit, für nachhaltige Produkte mehr zu bezahlen. „Nur wenn zwei gleichartige Produkte zum gleichen Preis angeboten werden, und eines ist nachhaltiger, wird das tatsächlich auch gewählt. Ich würde am liebsten nur nachhaltige Produkte anbieten, aber der Markt muss sie hergeben“, so Birken weiter. 

Damit zeigt der Manager in hanseatischer Sachlichkeit ein Dilemma von Unternehmen auf: Wenn niemand in der Kundschaft auf irgendwas verzichten will – ob nun auf Konsum oder auf günstige Preise –, dann sind einem nachhaltigen Angebot Grenzen gesetzt.  

Pauli ist Meister! 

Noch flugs drei ultimative Seh- und Lesetipps: 
 
1) Derzeit läuft das World Economic Forum in Davos. Nachhaltigkeit zählt zu den Kernthemen. Die Sessions zum Thema „A Long-Term Strategy for Climate, Nature and Energy“ kann man sich ansehen, und zwar hier (das Laden der Aufzeichnungen dauert ein bisschen, was ich hier einfach mal auf das weltweite Interesse schiebe). 

2) Für ihren State of Green Claims Report 2024 haben The Goodwins, House of Change und Popular Packaging 163 Green Claims von 78 Marken mit Blick auf die künftigen EU-Anforderungen analysiert. Es gibt noch wahnsinnig viel zu tun: nur drei Claims würden bestehen. 

3) Der FC St. Pauli hat als erster Profi-Fußballclub weltweit (sagen sie zumindest und ich glaub das jetzt mal) seine Gemeinwohl-Bilanz veröffentlicht. Auf 150 Seiten ist detailliert dokumentiert, welchen Beitrag der FC St. Pauli für das Gemeinwohl leistet – die Palette der guten Taten reicht vom Verzicht auf die Sponsorenkategorie Sportwetten über Leitlinien zur Diversität, eine genderparitätische Besetzung des Aufsichtsrats und fair produziertem Merchandise bis hin zu veganen Bio-Würsten im Stadion. Damit, liebe Freundinnen und Freunde des Fußballs, ist Pauli jetzt schon Meister! 

(vh, Jahrgang 1968) schreibt seit 1995 über Marketing. Was das Wunderbare an ihrem Beruf ist? „Freie Journalistin mit Fokus auf Marketing zu sein bedeutet: Es wird niemals langweilig. Es macht enorm viel Spaß. Und ich lerne zig kluge Menschen kennen.“