Ein E-Commerce-Dreamteam? Auf was Unternehmen beim „Amazon Influencer Program“ achten sollten

Amazon hat in den USA die Beta-Version eines neuen „Influencer Programs“ gelauncht. Was das für Unternehmen bedeuten kann und was diese daraus lernen können, erklärt Bernd Krämer von Cream Colored Ponies.
Mehr als die Hälfte seiner Umsätze macht Amazon über selbstständige Händler.

Mit seinem neuen „Influencer Program“ macht Amazon reichweitenstarken Influencern ein Angebot: Sie können einen Shop mit eigener Adresse einrichten und erhalten eine Provision für die Verkäufe, die über Amazon abgewickelt werden. Das ist zunächst einmal nicht neu. Blogger und Publisher nutzen seit Jahren das Amazon Affiliate-Programm, um Reichweite zu Geld zu machen. Ein bekanntes Beispiel ist die Spiegel-Bestsellerliste: Jedes Buch der Liste verlinkt zu Amazon. Sobald über diese Links ein Kauf erfolgt, erhält der „Spiegel“ eine Provision. Auch viele andere Online-Shops betreiben solche Affiliate-Programme.

Was ist am „Amazon Influencer Program“ also besonders?

Die Größe. Wenn sich das Team aus Amazon und Influencern über die Beta-Phase hinaus bewährt, ergibt das ein E-Commerce-Dreamteam: Die Influencer inspirieren ihre Millionen Fans zum Einkaufen, und zwei, drei Klicks später ist das Produkt schon im Lastwagen auf dem Weg zum Käufer. Denn nirgendwo ist der Online-Kauf reibungsloser als bei Amazon, wo über 80 Prozent der deutschen Online-Shopper bereits Kunde sind. Für Amazon ist das eine schöne Perspektive, denn der Influencer-Markt wächst. So haben dieses Jahr zum Beispiel 68 Prozent der deutschen Unternehmen ein Influencer-Marketing-Budget. Sie sorgen also für Nachfrage, an der Amazon teilhaben könnte. Ebenfalls interessant: Influencer sind in Kategorien stark, in denen Amazon schwächelt, beispielsweise beim Thema Mode.

Auch für Influencer kann sich das Programm lohnen. Zum einen wird darüber spekuliert, dass Amazon sie höher provisioniert als normale Affiliate-Partner. Zum anderen löst das Angebot eine Reihe praktischer Probleme: Während große Influencer schon eigene Shops betreiben, ist das für die vielen „Micro-Influencer“ zu schwierig. Sie werden das Amazon-Angebot also gerne annehmen. Auch Instagramer dürften sich freuen, leiden sie doch unter einer technischen Hürde: Instagram gestattet ihnen nämlich nur einen einzigen Link – den sogenannten „Bio-Link“ unter ihrem Profil. Wenn ein Instagramer also mehrere Produkte bespricht, muss er sich bisher entscheiden, welches davon er verlinkt. Ein Amazon-Shop, indem sich unter einem Link alle besprochenen Produkte kaufen ließen, käme da genau recht.

Was bedeutet das Programm für Unternehmen?

Zunächst einmal gilt es, die Beta-Phase abzuwarten. Falls das „Amazon Influencer Program“ es dann nach Deutschland schafft, haben Unternehmen eine Plug & Play E-Commerce-Maschine zur Verfügung, über die sich Umsatz erzeugen lässt. Und zwar schnell und viel. Das Ganze hat aber einen hohen Preis: Unternehmen zahlen zweimal für den Zugang zur Zielgruppe – sowohl Influencer als auch Amazon nehmen ihren Wegzoll. Weiterer Nachteil: Die Abhängigkeit von Amazon und Influencern, in der bereits viele Unternehmen stecken, wächst. Und man vernachlässigt die eigenen Kanäle. Schließlich könnte jeder Euro, der in Influencer oder Amazon fließt, auch dazu genutzt werden, die eigene Website oder den eigenen Shop zu stärken, um unabhängig von Gatekeepern wie Amazon oder Influencern zu werden.

Das spannendste an diesem „Influencer Program“ ist deshalb für mich gar nicht die Frage, wie man es nutzen kann. Sondern die Frage, wie sich die Strategie von Amazon aufs eigene Unternehmen übertragen lässt: Was kann ich Influencern bieten, damit sie meine eigenen Kanäle kontinuierlich mit Reichweite versorgen? Welches Problem kann ich ihnen lösen, damit sie im Gegenzug meinem eigenen Shop zu mehr Umsatz verhelfen? Diese Fragen sollte im Kern jeder Influencer-Strategie stehen und die zur Zeit im Influencer-Marketing vorherrschende „Hier ist ein Scheck, schreib mal was nettes über mein Produkt“-Strategie ablösen.

Zum Autor: Bernd Krämer gründete seine Content-Marketing-Agentur Cream Colored Ponies im Jahr 2010. Vor der Gründung von Cream Colored Ponies war Bernd Krämer als Creative Director und Kreativ-Geschäftsführer für Jung von Matt tätig. Dort entwickelte er vielfach ausgezeichnete integrierte und digitale Kampagnen für Marken wie Mercedes-Benz, die Hamburger Philharmoniker oder SIXT. Zu seinen gewonnen Awards zählen mehrere Cannes-Löwen, D&AD Pencils sowie viele weitere internationale Auszeichnungen. Vor seiner Station bei Jung von Matt arbeitete er u.a. als Head of Creation für Interone. Bernd Krämer ist Mitglied im Art Director´s Club sowie im britischen D&AD.