Barter-Geschäft: Wenn aus Waren Werbung wird

Barter1 hat ein ungewöhnliches Geschäftsmodell: Das Unternehmen kauft überschüssige Lagerbestände von Herstellern ab und konvertiert sie in Medialeistung. Wie funktioniert der Handel?
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Zu viel Ware im Lager drückt auf die Bilanz. Barter1 bietet Unternehmen eine Lösung an. (© Unsplash)

Das Tauschen ist eine der ältesten Formen des Handels. Über Jahrtausende hinweg tauschten Menschen Waren und Dienstleistungen, lange bevor das Geld als Tauschmittel erfunden wurde. Auch in der Marketingbranche wird getauscht, Gerhard Erning hat daraus ein Geschäft gemacht: Er kauft Warenhüter von Unternehmen, um sie im Gegenzug als Medienleistung zu verkaufen. Eine ungewöhnliche Praxis, mit der er jedoch ein nachhaltigeres Wirtschaftssystem fördert.  

Wenn Dienstleistungen oder Waren miteinander getauscht werden, ohne dass Geld fließt, spricht man von Bartergeschäften. In der Medien- und Marketingbranche ist Bartern (oder Bartering) ein beliebtes strategisches Instrument: Neben dem Vorteil der Kosteneffizienz schafft es Synergien zwischen Firmen, indem Ressourcen gebündelt, neue Märkte erschlossen und Kund*innen angesprochen werden können. Das kann die eigene Marktposition stärken.  

Erning geht mit seinem Unternehmen Barter1 einen ungewöhnlichen Weg: Er kauft Firmen ihre überschüssigen Lagerbestände ab und konvertiert sie in Medialeistungen, beispielsweise als Werbung im Netz, in Tageszeitungen oder auf Out-of-Home-Flächen. Damit betreibt Barter1 streng genommen kein Bartering, doch das Unternehmen ermöglicht Herstellern, ihre Ware sinnvoll zu nutzen, sie in den Wirtschaftskreislauf zurückzuführen und so wichtige Ressourcen zu schonen. Das reduziert nicht nur Abfall, sondern verlängert auch die Lebensdauer der Produkte. „End of Life Produkte haben das Problem, dass sie irgendwann weggeschmissen werden. Wir sorgen dafür, dass sie wieder in den Wirtschaftskreislauf gelangen, in der die Wiederverwendung und Weiterverarbeitung Sinn macht“, erklärt Erning. 

Bartering: Von Autos bis Gurken 

Das ist nicht nur ökologisch sinnhaft: Denn zu viel Ware im Lager drückt auf die Bilanz. „Wir gehen auf die Kunden zu und sagen: ‚Verkaufe doch die Ware‘“, erklärt Erning. „Und da du auch Medialeistungen kaufst, kannst du deine Mediaplanung damit bezahlen. Das sorgt zunächst für Fragezeichen, weil es einer Erklärung bedarf.“ Dass das Waren-Werbung-Bartering manche anfangs nicht verstehen, ist für den 53-Jährigen kein Problem. Er kennt die anfängliche Skepsis. Die lege sich jedoch schnell, sagt Erning. „Wir haben zum Beispiel einen Kunden, der jeden Monat eine Beilage in der Tageszeitung schaltet. Statt das in bar zu bezahlen, fahren wir LKW-weise Bettwaren aus deren Lager, weil sie uns damit bezahlen.“ 

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Gerhard Erning, Geschäftsführer von Barter1. Foto: Privat

Ein Lager führt Erning nicht. Damit würde er das Problem der Hersteller zu seinem machen. Bevor ein Vertrag zustande kommt, prüft er die Absatzmöglichkeiten der Produkte. „Wir können die Produkte an eine Palette von Händlern verkaufen. Von Premium-A-Kunden wie Edeka und Rewe bis hin zu Discountern“, sagt Erning. Dabei ist er in vielen Branchen tätig: Consumer Electronics, Matratzen, Autos, Kopfhörer und alkoholische Getränke hat er bereits vermittelt. „Das geht bis hin zu Gurken aus dem Spreewald.“  

Eine Regel, welche Produkte besonders viel abwerfen, gebe es nicht. Manchmal seien es ehemalige Bestseller, manchmal Produkte einer bestimmten Marke, die plötzlich viel Geld einbrächte. Als Restposten-Händler versteht sich der 53-Jährige jedoch nicht: „Wir bieten eine breite Palette an Dienstleistungen an.“ Wohin die Ware geht, sei ein sensibles Thema, sagt Erning und bezeichnet es als “große Herausforderung”, die richtigen Distributionskanäle zu finden. Der Verkauf der Ware dürfe nicht die Distributionskanäle seiner Kunden kannibalisieren, da sonst Konkurrenz bestünde. „Hier müssen wir transparent sein“, sagt der Barter1-Geschäftsführer. Kommunikation sei sehr wichtig. Auch wo und wie die Medialeistungen erbracht werden, müsse klar festgehalten werden. Die Zusammenarbeit mit Kund*innen beinhalte daher eine sorgfältige Planung.  

Corona schiebt das Geschäft an 

Eine zentrale Rolle bei der Mediakonversion spielt das Netzwerk von Erning. Sei Geschäftspartner Daniel Siegmund ist Gründer der One Tech Group, einem Dienstleister für den DOoH- und Retail-Markt, Erning selbst arbeitet seit 30 Jahren im Mediageschäft. Die Gründung von Barter1 im Jahr 2019 war jedoch nicht der Beginn seiner Tätigkeit im Bereich des Barterings. Davor war er elf Jahre lang in ähnlichen Geschäftsmodellen tätig, die auf dem Prinzip des Tauschhandels basierten.  
 
„Anfangs war es ein richtiges Klinkenputzen“, beschreibt Erning die Kundenakquise. Er betont, dass man keine Angst haben dürfe, potenzielle Kund*innen anzurufen oder anzusprechen. Auch eine positive Mund-zu-Mund-Propaganda sei entscheidend für den Aufbau eines Kundenstamms: „Zufriedene Kunden empfehlen seine Dienstleistungen weiter, was zu neuen Geschäftschancen führt.“ 

Während die Corona-Pandemie für viele Unternehmen eine beispiellose Herausforderung darstellte, erwies sie sich für Barter1 als ein unerwarteter Katalysator. Während dieser Zeit erlebte die Weltwirtschaft massive Umwälzungen, die Distributionskanäle wurden gestört, und die Logistikketten gerieten ins Wanken. Unternehmen sahen sich plötzlich mit überfüllten Lagern konfrontiert, da die Verbrauchernachfrage abrupt einbrach. „Corona hat den Markt durcheinandergeworfen“, reflektiert Erning die Situation. Weil Unternehmen versuchten, ihre überschüssigen Bestände zu veräußern, waren die Dienstleistungen von Barter1 so gefragt wie nie zuvor. „Da bist du schon beeindruckt, wenn Unternehmen ihre Scheunentore aufziehen und dich sehen lassen, was da alles steht.“  

Konkurrent erlaubt auch Cash-Zahlungen 

Trotz des ungewöhnlichen Geschäfts von Barter1: Auch in diesem Umfeld gibt es Konkurrenz. So bietet das Kölner Unternehmen Rheinkontor vergleichbare Leistungen wie Barter1. „Während Mitwerber teilweise Cash-Zahlungen für Medialeistungen akzeptiert und somit einen Teil des Geschäfts in bar abwickelt oder mit Zwischenwährungen agieren, fokussieren wir uns ausschließlich auf den Eins-zu-eins-Tausch von Waren zu Medialeistungen“, erklärt Erning.  

Dennoch sind die Kölner erfolgreicher. So lag der Gewinn der von Rheinkontor im Jahr 2022 bei über 417.000 Euro, der Jahresüberschuss von Barter 1 betrug im Jahr 2021 mit knapp 187.000 weniger als die Hälfte. Das interessiere Erning jedoch wenig: „Der direkte Vergleich der Gewinne liegt nicht in meinem Fokus. Ich konzentriere mich auf die eigene Geschäftsentwicklung und die Stärkung unserer im Markt“, so der Geschäftsführer.  
 
Dafür erkundet Erning neue Branchen und Produktkategorien, die durch das Barter-Geschäftsmodell unterstützt werden können. Auch die kontinuierliche Anpassung an die Marktbedürfnisse zählt dazu. „So wollen wir unsere Position als nachhaltiger Akteur in der Wirtschaft stärken.“ 

(amx, Jahrgang 1989) ist seit Juli 2022 Redakteur bei der absatzwirtschaft. Er ist weder Native noch Immigrant, doch auf jeden Fall Digital. Der Wahlberliner mit einem Faible für Nischenthemen verfügt über ein breites Interessenspektrum, was sich bei ihm auch beruflich niederschlägt: So hat er bereits beim Playboy, in der Agentur C3 sowie beim Branchendienst Meedia gearbeitet.