Die fünf Prinzipien nachhaltiger Markenführerschaft

Überzeugende Nachhaltigkeitskommunikation beginnt für Unternehmen mit der Bereitschaft, sich substanziell mit dem Thema auseinanderzusetzen. Um sich dabei erfolgreich und glaubhaft zu positionieren, bedarf es nur einer Handvoll essenzieller Prinzipien, finden unsere beiden Gastautor*innen.
Inken Barz ist Senior Art Director und Tobias Nusser Creative Director von Strichpunkt Design. Die Agentur mit Sitz in Stuttgart und Berlin begleitet Marken bei ihrer nachhaltigen Transformation. (© Strichpunkt Design (Montage: Olaf Heß))

Unternehmen tun gut daran, sich hinsichtlich der eigenen Markenführerschaft ernsthaft mit dem Thema Nachhaltigkeit zu beschäftigen. Die zentralen Fragen, die sie dabei für sich beantworten sollten, sind: Wie wird die eigene Haltung zu Nachhaltigkeit in Vision, Mission und Werten glaubwürdig transportiert? Wie kann dadurch Aufmerksamkeit erregt werden? Und wie berührt und motiviert man dadurch Stakeholder*innen? Anhand von Markenbeispielen zeigen wir fünf Prinzipien auf, die eine kreative und glaubwürdige Nachhaltigkeitskommunikation ausmachen.

1. Fokussiert bleiben: Vom Produkt zum Thema

Wer Themen setzen will, muss sie zu seinen eigenen machen. Und auf diese Art klarmachen: Uns geht es um mehr als schlichtes Hardselling. Das Start-up The female company tut dies auf sehr überzeugende Weise. Die Gründerinnen stellt Periodenprodukte her, aber wer ihnen folgt, könnte meinen, es handele sich um eine NGO. Die Marke kommuniziert konsequent und umfassend zu Themen wie der Periodenarmut in Indien oder der Frage, welche Farbe eigentlich Menstruationsblut haben kann. Damit erobert sie die Themenführerschaft rund um Weiblichkeit, Menstruation und Gleichberechtigung und verkauft „nebenbei“ recht erfolgreich entsprechende Produkte. Und zwar nicht trotzdem, sondern gerade deswegen.

2. Ehrlich währt am längsten: Vom Ergebnis zum Prozess

Nachhaltigkeit ist kein Endzustand, sondern eine Reise, auf der man unterwegs ganz ehrlich von seinen Fort- und Rückschritten erzählen sollte – so, wie es die dänische Hautpflegemarke Nøie tut. Diese leitet ihren Impact Report mit den Worten ein: “And while we made a lot of progress in 2021, you can also read about where we have failed and where we need to do better in the future.” All das präsentiert Nøie möglichst nachvollziehbar und eingängig. Zum Beispiel mit einer Datengrafik/Infografik wie dieser, die ein so komplexes Thema wie den CO2-Fußabdruck der Marke veranschaulicht.

3. Warum so ernsthaft? Von grün zu bunt

Werbeplakat für Oatly in der Stockholmer Metro 2016 /
Quelle: Flickr/Per-Olof Forsberg

Um im Gedächtnis zu bleiben, müssen Botschaften vor allem überraschen. Das bedeutet: Nachhaltige Kommunikation kann auch positiv und humorvoll daherkommen, wie es Oatly zeigt: Nachdem die schwedische Molkereiindustrie Oatly untersagte, sich als Milchalternative zu bezeichnen, veröffentlichte Oatly die Klage online und in Anzeigen. Mit dem Slogan, gegen den in Schweden geklagt worden war, bespielte Oatly dann in Großbritannien sämtliche verfügbaren Werbeflächen. Auch dank solcher spektakulären Aktionen wuchs der Umsatz binnen weniger Jahre von 20 auf 200 Millionen US-Dollar.

4. Nimm’s persönlich: Von Anonymität zu Authentizität

Durch authentische Botschafter*innen mit einer klaren Haltung erhält Nachhaltigkeit eine Stimme und ein Gesicht. Ein besonders präsentes ist jenes von Antje von Dewitz, die 2009 die Geschäftsführung des Outdoor-Ausstatters Vaude übernahm und dort zur Gallionsfigur des nachhaltigen Unternehmensumbaus avancierte. Geschafft hat sie es, indem sie von Anfang an Werte wie Transparenz und Vertrauen vertrat und ehrlich über Errungenschaften wie auch Probleme sprach. Und zwar nicht nur auf den eigenen Kanälen, sondern auch in Podcasts, Interviews und vielbeachteten Impulsvorträgen.

5. Wertebasiert: Von der Kampagne zur Kontinuität

Nachhaltigkeitskommunikation kann immer nur so gut sein wie die Unternehmensrealität, für die sie steht. Ein Erfolgsbeispiel ist der dänische Energieversorger Dong (für Danish Oil and Natural Gas), der noch vor wenigen Jahren sein Geld mit fossilen Energieträgern verdiente. 2017 entschied sich das Unternehmen, auf Erneuerbare Energien zu setzen und den Wandel mit einer komplett neuen Marke zu begleiten. Dong benannte sich in Ørsted um und gab sich ein freundliches, offenes, sympathisches Corporate Design. Dank seines fundamental wertebasierten Umbaus ist Ørsted heute nicht nur der nachhaltigste Energieversorger der Welt, sondern auch eine extrem populäre Marke.

Ohne Zweifel: die Umsetzung dieser Prinzipien ist sehr anspruchsvoll. Andererseits ist die Welt voller Marken, die mit ihrer Nachhaltigkeitskommunikation Schiffbruch erleiden, weil es ihnen an Ambitionen fehlt. Auch wenn Nachhaltigkeit ein komplexes Thema ist und gewisse Dilemmata mit sich bringt, gilt hier die Devise: einfach machen, auch wenn es erstmal unperfekt ist.