„Design und Branding kann man nicht trennen“ 

Die Bedeutung von Branding für Marken darf nicht unterschätzt werden. Doch wie sieht ein gelungenes Branding aus? Wir haben mit dem Design-Experten Hugo Timm, Senior Creative Director bei Frontify, gesprochen.
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"Ich glaube, als Kreative schrecken wir oft zurück", sagt Hugo Timm. (© Frontify)

An der Schnittstelle von Marke, Kultur und Technologie fühlt sich Hugo Timm am wohlsten. Der kreative Kopf arbeitet seit über 20 Jahren in den Bereichen Kreativität und Design für namhafte Unternehmen: So verwirklichte er bei der BBC die Umsetzung eines großen Marken-Updates und war als Design Director bei WeTransfer tätig. 

Seit Juli 2023 soll Timm als Senior Creative Director bei Frontify die globale visuelle Identität des Unternehmens weiterentwickeln und seine Kunden unterstützen, ihre Marken zu stärken. Aber wie? Und welche Rolle spielt Design beim Branding? Die absatzwirtschaft hat Timm während des diesjährigen Paradigms in Lissabon getroffen, dem Event rund um die Themen Branding, Design und Marketing.   

Herr Timm, seit über 20 Jahren arbeiten Sie in den Bereichen Kreativität, Branding und Design für namhafte Unternehmen. Was haben Sie über die Bedeutung von Branding für Marken gelernt? 

Ich habe gelernt, dass das Branding kein völlig geschützter Bereich ist. Einige Unternehmen nutzen Branding für kurzfristige Ziele, beispielsweise für Sales. Andere Unternehmen legen den Schwerpunkt auf Langfristigkeit wie auf den Aufbau von Bekanntheit und Vertrauen, und manche tun beides. 
 
Zu welcher Kategorie gehört die BBC? 

Als ich bei der BBC anfing, gab es dort ein Problem: Es gab viele verschiedene Abteilungen wie Musik, Nachrichten, Fernsehen, Sport. Jede Abteilung hatte ihre eigenen Ziele und konkurrierte mit den anderen Sparten. Das erzeugte eine Kultur, in der man versuchte, sein eigenes Team zu besiegen. Es wurde keine gemeinsame Markenbildung betrieben. Wir mussten also den internen Wettbewerb beenden und eine Marke aufbauen, anstatt 140 einzelne Marken. 

Eine weitere kleinere Maßnahme war es, das Logo der BBC auf Werbeflächen zu vergrößern, wenn wir beispielsweise für Shows oder Serien warben. So wussten die Menschen, dass es die BBC war, die die von ihnen geliebte und gestreamte Sendung produzierte. Denn die Leute, die diese Sendungen streamten, waren zwar mit ihnen verbunden, aber nicht mit der Plattform BBC. Es ist interessant, wie kleine Änderungen das Involvement an einer Plattform verändern können. 

Wie hat Ihre Karriere bei der BBC Ihren Blick auf die Markenbildung beeinflusst? 

Ich denke, man kann Design und Branding nicht voneinander trennen. Design steht oft am Ende einer Kette. Es gibt die Führung, die Strategie und die Entscheidungen der Executives. Dann gibt es das Marketing, das seine eigenen Ideen einbringt, die aus der Werbung kommen. Aber große Entscheidungen müssen gemeinsam in einem Team getroffen werden. Es ist sehr schwierig, bei der Entscheidungsfindung ganz hinten zu stehen. Man muss die Menschen zusammenbringen. 

Was sind die besonderen Herausforderungen der Markenführung für Medienmarken im Vergleich zu anderen Branchen? 

 Der Medienmarkt ist heute ein Wahnsinn. Wir haben diese Explosion von Streaming-Diensten erlebt. Heutzutage haben die Leute so viele Accounts. Es wurden auch so viele Sendungen produziert, die jetzt eingestellt wurden. Die Menge an Content, der auf den Markt strömt, ist schlichtweg verrückt. Und die Loyalität hat sich verändert. Das ist vergleichbar mit dem Sport: Die Leute verlieren die Loyalität zu den Mannschaften, jetzt sind sie mehr den Spieler*innen gegenüber loyal. Bei den Medien ist es nun so, dass die Medienmarke verschwommen ist. Jede Marke bringt etwas heraus, weil sie Geschichten erzählen will. Die Menge der Inhalte ist kaum noch zu bewältigen. Es ist zu viel geworden. 

Wie sehen Sie den Einfluss von Kreativen auf die Entwicklung und Umsetzung von Markenstrategien? 

Ich glaube, als Kreative schrecken wir oft zurück. Manchmal sind wir zu passiv und warten darauf, dass die Marketingabteilung uns sagt, was wir tun sollen. Eine Sache, die wir manchmal tun müssen und die ich mit meinem Team zu tun versuche: Warum sollte man den Leuten nicht Vorschläge machen, die es ihnen ermöglichen, die Dinge anders zu sehen? Wenn man ein Briefing erhält, sind Informationen bereits auf bestimmte Weise verarbeitet. Aber jeder würde es begrüßen, die Dinge in einem anderen Licht zu sehen. 

Wie können Marken ein authentisches Branding aufbauen? 

Ein Beispiel: Im Jahr 2022 produzierte WeTransfer, wo ich als Design Director arbeitete, bevor ich zu Frontify kam, den Kurzfilm „The Long Goodbye“, der sogar den Academy Award für den besten Live-Action-Kurzfilm gewann. Das zeigt, wie man Content auf eine besondere Weise aufbereiten. Denn obwohl WeTransfer als Produzent auftrat, gab es keine Vereinbarung, dass die Marke irgendwo in dem Film auftauchen musste.  
 
Auch das Design spielt eine Rolle. Marken müssen verstehen, dass Design Teil einer Kultur ist. Es gibt Marken, die seltsame Dinge machen, aber auf eine interessante Art und Weise. Die US-Marke Cash App hat zum Beispiel eine Bekleidungslinie. Das sind Sachen, die tragbar sind. Die T-Shirts sehen wirklich gut aus, sie haben etwas Eigenständiges. Das ist Authentizität. 

Welchen Rat würden Sie Unternehmen geben, die ihre Marke neu positionieren oder von Grund auf neu aufbauen wollen? 

Man muss wissen, dass Design kein Lebensretter ist. Es macht keinen Sinn, sich an irgendeinen Dienstleister zu wenden, ohne zu wissen, was man will. 

In Ihrer neuen Position wird eine Ihrer Aufgaben die Entwicklung einer globalen visuellen Identität von Frontify sein. Wie wollen Sie das umsetzen? 

Schritt für Schritt. Ich glaube nicht an diesen einen Rebranding-Moment, bei dem sich alle zusammentun, ein Rebranding entwickeln und das war’s dann. Ich glaube an eine tagtägliche organische Transformation. Also eher wie ein Garten, den man immer wieder umgestaltet, hier und da Dinge ein wenig abschneidet. 

(amx, Jahrgang 1989) ist seit Juli 2022 Redakteur bei der absatzwirtschaft. Er ist weder Native noch Immigrant, doch auf jeden Fall Digital. Der Wahlberliner mit einem Faible für Nischenthemen verfügt über ein breites Interessenspektrum, was sich bei ihm auch beruflich niederschlägt: So hat er bereits beim Playboy, in der Agentur C3 sowie beim Branchendienst Meedia gearbeitet.