Edeka und der Nestlé-Boykott: „Am Ende des Tages bestimmt der Verbraucher, ob er den Supermarkt wechselt“

Bübchen, Vittel, Wagner-Pizza, Maggi, Thomy oder Nescafé: All diese Marken sind bald nicht mehr in den Regalen von Coop, Edeka und Intermarché aus Frankreich zu finden. Warum? Weil es wegen überhöhter Preise einen Bestellstopp bei Nestlé gibt und somit 160 Produkte vom Nahrungsmittelkonzern aus dem Sortiment fliegen. Doch was richtet das mit den einzelnen Marken von Nestlé an? Die Einschätzung eines Experten.

Nestlé-Produkte will Edeka aus seinen Märkten verbannen. Beim Schweizer Händler Coop gilt seit dieser Woche ebenfalls ein Bestellstopp für alle gekühlten Thomy-Salatsaucen, Cailler Perles, Nescafé Azera und Buitoni La Fina. Produkte, die noch in den Läden vorhanden sind, wird Coop mit einem Rabatt von 50 Prozent ausverkaufen. Grund für den „Food-Ban“ sind die schlechten Einkaufskonditionen des Lebensmittelherstellers Nestlé. Der verlange zu hohe Einkaufspreise, berichtete die Lebensmittel-Zeitung letzte Woche.

Nun hat der europäische Einkaufsverbund Agecore, den Edeka, Intermarché und Coop Schweiz 2015 gründeten, nach mehrwöchiger Verhandlung die Reißleine gezogen. Seinen 5900 selbstständigen Einzelhändlern soll Edeka eine fünfseitige Liste mit Nestlé-Produkten geschickt haben, die nach und nach aus dem Sortiment genommen werden sollen – insgesamt hat Edeka in ganz Deutschland 11224 Einkaufsstellen. Für Ersatz wird schnellstmöglich gesorgt: So gibt es für betroffene Lebensmittelkategorien passende Alternativen aus dem eigenen Sortiment. Diese Eigenmarkenprodukte werden nun zusätzlich nachbestellt. „Mittlerweile verfügt Edeka über starke und etablierte Eigenmarken. Es wäre sicherlich mal sehr spannend zu sehen – wenn die kolportierten 163 Produkte von Nestle wirklich dauerhaft aus den Regalen verschwinden würden – ob sich markenaffine Konsumenten daran gewöhnen oder den Supermarkt für ihre Marken wechseln“, meint Joerg Walbaum, Senior Rating Analyst der europäischen Ratingagentur Euler Hermes Rating.

Ein verändertes Kaufverhalten zwingt Nestlé zum Umdenken

Der Lebensmittelhersteller Nestlé hatte 2017 weltweit rund 89,8 Milliarden Schweizer Franken (rund 77,9 Milliarden Euro) Umsatz generiert. In der offiziellen Pressemitteilung von Nestlé zum Jahresbeginn ließ der Nestlé-CEO Mark Schneider verlauten, dass das organische Wachstum im Jahr 2017 zwar innerhalb der gewünschten Bandbreite lag, „aber unter unseren Erwartungen, insbesondere nach einer schwachen Umsatzentwicklung zum Ende des Jahres. Die Umsatzsteigerung in Europa und Asien war erfreulich, doch das Handelsumfeld in Nordamerika und Brasilien blieb weiterhin herausfordernd.“

Auch wenn die Umsatzzahlen stimmen: Nestlé sei schwächer gewachsen als Wettbewerber wie beispielsweise Unilever, erklärt Walbaum: „Der Konzern leidet darunter, dass sich das Kaufverhalten dynamisch verändert und immer mehr Konsumenten zu frischen Lebensmitteln greifen. Deshalb befindet sich der Nestlé-Konzern derzeit in einer Umbauphase und hat einen Strategiewechsel eingeleitet. Dabei wird auch das Markenportfolio überarbeitet. Es wurden mit Kaffee, Tierfutter, Babynahrung und Wasser vier Wachstumsbereiche definiert, die zukünftig ausgebaut werden sollen. In anderen Bereichen soll teilweise desinvestiert werden.“ Ein Grund für die harte Preispolitik des Unternehmens? Nestlé hat sich auf Anfrage der Redaktion bisher nicht geäußert.

Der Streit zwischen dem Einkaufsverbund und Nestlé kann, sollte er länger andauern, zum Flächenbrand werden und andere Händler dazu bewegen, ebenfalls auf Nestlé-Marken zu verzichten. Keine Seltenheit: Vor gut drei Jahren verbannte Lidl Produkte von Coca-Cola aus den Regalen. „Durch die hohe Marktkonzentration gehören Handelskämpfe mittlerweile zur Tagesordnung, auch temporäre Lieferstopps einiger Waren sind schon lange nicht mehr unüblich. Der Kampf wird dann auch relativ schnell medial ausgetragen, um den Druck auf die Parteien zusätzlich zu erhöhen“. In der Regel einigt man sich aber nach einiger Zeit, so Walbaum. „Am Ende des Tages bestimmt der Verbraucher. Wenn er bereit ist, für seine gewohnten Marken den Supermarkt zu wechseln, dann sind Einigungen verhältnismäßig schnell möglich“.