„Clean Meat“ – Laborfleisch als Beitrag zum Klimaschutz?

Im Fachjargon heißt es "Clean Meat": Steaks und Burger, die aus Zellen gezüchtet werden. Einer der Vorreiter, Didier Toubia vom israelischen Start-up Aleph Farms, trat jetzt auf dem virtuell abgehaltenen deutschen Zukunftskongress auf. Geht so die Zukunft der Lebensmittelindustrie?
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Kunstfleisch aus dem All? "Wenn eines Tages Menschen auf dem Mars leben, wird Aleph Farms sie dort versorgen." (© Migros)

Auch in 20 Jahren werden die meisten Menschen noch Fleisch essen – aber nur noch 40 Prozent werden aus Tierproduktion stammen, wie wir sie kennen. Neben pflanzenbasierten Ersatzstoffen wird es vor allem Laborfleisch sein, das den Bedarf weltweit deckt, und zwar zu mehr als einem Drittel. Die Prognose traf Didier Toubia, CEO des israelischen Start-ups Aleph Farms, vergangene Woche auf dem Zukunftskongress des Leipziger Think Tanks „2b Ahead“. Sein Unternehmen gehört zu den Vorreitern der zellbasierten Fleischwirtschaft: „Wir reproduzieren die natürlichen Prozesse, die im Körper eines Rinds ablaufen, im Labor.“

Dazu werden lebenden Tieren Zellen entnommen, die in Inkubatoren zu einem Steak-typischen Muskelgewebe zusammenwachsen. Das „World Economic Forum“ zeichnete Aleph Farms dieses Jahr als „Technology Pioneer“ aus. Die erst 2017 gegründete Firma macht schnelle Fortschritte: Im November präsentierte Aleph Farms den Prototyp eines Steaks, das für die industrielle Massenfertigung geeignet ist.

Migros und Co. investieren in Start-up

Dass Toubias Pläne ernst zu nehmen sind, zeigen auch die Investoren von Aleph Farms, darunter der große israelische Lebensmittelhersteller Strauss. Im vergangenen Jahr sammelte das Start-up in einer ersten Finanzierungsrunde 11,65 Millionen Dollar, etwa vom US-Lebensmittelkonzern Cargill und der Venture-Capital-Gesellschaft Vis Vires New Protein (Singapur).

Aus europäischer Sicht besonders interessant ist, dass zu den Geldgebern auch die genossenschaftliche Schweizer Migros-Gruppe gehört, größter Einzelhändler der Schweiz.

Antwort auf global steigenden Fleischbedarf

Weil konventionelle Fleischprodukte erheblich zum Klimawandel beitragen, müsse sich etwas grundlegend ändern, warnt Toubia. „46 Prozent der Ernte wird heute als Viehfutter verwendet. Wir brauchen dringend innovative agrotechnische Lösungen.“ Zumal der globale Fleischbedarf bis 2040 um 50 Prozent wachsen werde. Auch würden schon heute die Lieferketten für Fleisch häufig nicht den hohen Ansprüchen der Verbraucher an Lebensmittelsicherheit gerecht.

Trotzdem warnte Toubia vor zu hohen Erwartungen an eine zellbasierte Fleischproduktion: „Die Industrie ist noch im Aufbau.“ Ende 2021 will Aleph Farms mit dem Bau seiner ersten „Bio Farm“ in Israel beginnen, später sollen solche Fabriken auch in Europa stehen. Frühestens 2022 könnte so genanntes „Clean Meat“ dann auch in die Läden kommen. Besonders Asien mit seiner rasch wachsenden Bevölkerung sieht das Unternehmen als vielversprechenden Markt, aber auch Europa, das als Trendsetter gilt, nicht zuletzt wegen der hier ansässigen globalen Lebensmittelkonzerne wie Nestlé und Danone. „Es geht ja nicht nur darum, Fleischzellen herzustellen. Sie müssen auch in attraktive Produkte verwandelt werden“, sagt Toubia.

Die Industrie rund um „Clean Meat“

Aleph Farms ist nicht das einzige Start-up, das die Produktion von Kunstfleisch vorantreibt. Im Silicon Valley ist „Clean Meat“ ein heißes Thema, mit erfolgreichen Start-ups wie Memphis Meats und Eat Just und einem ganzen Ökosystem, zu dem Organisationen wie das Good Food Institute gehören und Forschungszentren wie das Berkeley Alternativ Meats Lab.

Auch in Europa ist das Interesse groß, wie die niederländische Firma Mosa Meat zeigt, die im September bei Investoren 55 Millionen Dollar einwarb. Mosa Meat hatte 2013 den weltweit ersten Burger aus Laborfleisch vorgestellt, zum Preis von 250.000 Euro allerdings. Seither sind die Kosten drastisch gesunken. Trotzdem bleibt es eine Herausforderung, Kunstfleisch so effizient herzustellen, dass es preislich und qualitativ mit konventionellem Fleisch mithalten kann, das räumt auch Didier Toubia ein.

Kunstfleisch aus dem All?

Nach dem Motto „Think bigger“ begnügt sich Aleph Farms aber nicht damit, etablierte Prozesse zu optimieren: Im Oktober kündigte Toubia das Programm Aleph Zero an, mit dem Ziel, Kunstfleisch auch im All herzustellen. Dass dies grundsätzlich möglich ist, bewies die Firma im vergangenen Jahr mit einem Versuch auf der Weltraumstation ISS. Jetzt will sie zusammen mit anderen Technologieunternehmen das Projekt weiter vorantreiben. Toubia sagt: „Wenn eines Tages Menschen auf dem Mars leben, wird Aleph Farms sie dort versorgen.“

(mat) führte ihr erstes Interview für die absatzwirtschaft 2008 in New York. Heute lebt die freie Journalistin in Kaiserslautern. Sie hat die Kölner Journalistenschule besucht und Volkswirtschaft studiert. Mag gute Architektur und guten Wein. Denkt gern an New York zurück.