Wenn Avatare dolmetschen

Animierte Avatare könnten künftig dort helfen, wo es keine Gebärdendolmetscher*innen gibt. Und damit Inhalte inklusiv bereitstellen. Außerdem im Tech Tuesday: Angst vor KI und Namensprobleme bei X.
Ein Mann spricht Gebärdensprache.
Automatisch generierte Videos in Gebärdensprache könnten helfen, mehr inklusive Inhalte zur Verfügung zu stellen. (© Steve Hughes-Gesellschaftsbilder)

Es klingt ziemlich genial: Mehr als einen Text braucht es nicht, um ein Video in Gebärdensprache zu generieren. Dieses Video wird dann nicht von einem Menschen gebärdet, sondern von einem Avatar. Und schon ist es möglich, Gehörlose dort besser zu integrieren, wo aktuell die Schriftsprache vorherrscht. Und Gehörlose daher oft ausgeschlossen sind.

Bei den Wiener Linien, dem Betreiber des größten Verkehrsnetzes Österreichs, läuft seit letztem Jahr ein Pilotversuch mit der neuen Technologie: Alle Informationen zu Betrieb und Störungen werden via App in Gebärdensprache übersetzt und sollen damit für mehr Menschen zugänglich sein. Gedacht ist diese Art von Technologie für genau solche Szenarien. Überall dort, wo eine menschliche Übersetzung in Gebärdensprache nicht sinnvoll oder realistisch ist. Weil die Datenmengen zu groß wären oder weil die Informationen sich zu schnell ändern.

Die eingesetzte Software ermöglicht es Höreingeschränkten, die Gebärden zeitnah abzurufen. Die einzelnen Gebärden werden einmalig erzeugt und können dann automatisiert zusammengefügt werden. Das System wurde mit Betroffenen zusammen entwickelt. Denkbar ist der Einsatz der Software prinzipiell überall dort, wo Text zu Gebärde werden soll.

Kein Ersatz für Gebärdendolmetscher*innen

So sinnvoll die Technologie für spezielle Szenarien auch ist, Expert*innen im Bereich Barrierefreiheit sehen sie durchaus kritisch: Anders als echte Dolmetscher*innen fehlt den Avataren viel. Zum Beispiel ausgeprägte Mimik und Gestik. Die Avatare wirken oft alles andere als menschlich. Letztlich ist es mit automatisierter Gebärdensprache wie bei frühen synthetischen Sprachmodellen für hörende Menschen: Beide sind künstlich und wenig emotional, teilweise auch einfach unverständlich. Mit der Zeit sind hier sicher noch Verbesserungen zu erwarten.

Was aber auch gilt: Die Avatare sollten Gebärdenvideos von echten Menschen nicht ersetzen, echte Gebärdendolmetscher*innen bei Veranstaltungen erst recht nicht. So wie die Stadt Bielefeld mit ihrer gesetzlichen Pflicht zum Angebot von Gebärdeninhalten umgeht, ist also eher das Gegenteil von vorbildlich. Aufwand gespart und dafür ein weniger gutes Produkt angeboten. Aber an anderen Stellen, wo es andernfalls kein Gebärdenangebot geben würde, ist die animierte Gebärde sicherlich ein Fortschritt.

Schon gehört: Die Angst vor KI und Algorithmus

Twitter heißt nun X, sonst ändert sich nix? Davon darf man beim sozialen Netzwerk aktuell nicht ausgehen. Eigentlich wollte ich mich Elon Musk und seinem Rumpel-Netzwerk gar nicht mehr widmen. Weil man ja doch nicht über jeden Ast springen muss, den der verrückte Milliardär einem hinwirft. Aber ein Aspekt ist nun doch spannend: Ob Twitters neuer Name X in Europa überhaupt Bestand haben wird, ist fraglich.

Denn es scheint, als habe sich das Netzwerk in Europa bis dato keine Markenrechte am neuen Namen gesichert. Zumindest finden sich keine Hinweise darauf. Im Gegenteil: Das X ist von anderen Unternehmen bereits in diversen Varianten geschützt. Allein Microsoft hat sich für die Xbox zwei Bildmarken sichern lassen, wie die Kolleg*innen von Heise berichten. Dafür, dass es Musks langgehegter Traum ist, eine Art internationales WeChat unter dem Namen X zu betreiben, scheint dieser Traum durchaus dilettantisch vorbereitet.

Ängstlichkeit jedenfalls kann man Elon Musk nicht vorwerfen. Anders als den Deutschen, die große Ablehnung gegenüber KI zeigen, wie es eine Allensbach-Umfrage für die FAZ schildert (Paid). 58 Prozent finden den Begriff KI unsympathisch, 72 Prozent fühlen sich durch KI eher verunsichert. Interessant: 62 Prozent haben Sorgen, dass es durch generative KI zu mehr Manipulationen kommt. Diese letzte Zahl ist fast schon überraschend niedrig, wenn man bedenkt, dass diese Entwicklung schon jetzt klar erkennbar ist.

Es zeigt sich also vor allem: Es ist noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten. Gute (Werbe-)Kommunikation kann etwas dazu beitragen. Denn selbst den Begriff „Algorithmus“ verbindet mehr als die Hälfte mit nichts Gutem. Hier ist das Problem durch Medien und Kommunikation hausgemacht. Denn der Algorithmus wird häufig als böses Ungeheuer dargestellt. Daran hat sich leider bis heute nichts geändert, obwohl ich das Problem schon vor mehr als zwei Jahren bei den Kollegen von Übermedien beschrieben habe. Kritische Auseinandersetzung mit Technologie ist ja durchaus wünschenswert. Aber ein bisschen mehr Differenzierung täte hier doch ganz gut.

In diesem Sinne. Bleiben Sie so inspiriert wie differenziert!

(fms, Jahrgang 1993) ist UX-Berater, Medien- und Wirtschaftsjournalist und Medien-Junkie. Er arbeitet als Content-Stratege für den Public Sector bei der Digitalagentur Digitas Pixelpark. Als freier Autor schreibt er über Medien und Marken und sehr unregelmäßig auch in seinem Blog weicher-tobak.de. Er hat Wirtschafts- und Technikjournalismus studiert, seinen dualen Bachelor im Verlag der F.A.Z. absolviert und seit mindestens 2011 keine 20-Uhr-Tagesschau verpasst.