Digital-Berater Nicolas Clasen: „Adblocker sind eine Emanzipierung des Nutzers“

Nicolas Clasen ist strategischer Unternehmensberater in München und Autor des Buchs "Der Digitale Tsunami", in dem er 2013 die Auswirkungen der digitalen Disruption auf die Medienbranche beschrieb. Im Interview spricht er über aktuelle Entwicklungen - von Instant Articles bis zur Adocker-Debatte.
Nicolas Clasen

Einer der Digital-Trends jüngerer Zeit ist Facebooks Instant Articles. Was halten Sie davon?

NICOLAS CLASEN: Das könnte ein großer Schritt sein, weil es erstmals die Datenqualität von Facebook mit hochwertigen Inhalten zusammenbringt. Und auf dem Papier macht Facebook den Verlagen ja ein faires Angebot: 70 Prozent der Erlöse gehen an die Content-Produzenten. Ich glaube, dass Facebook aufgrund des Schatzes an Nutzerdaten gelingen könnte, bald höhere Durchschnitts-TKPs zu realisieren als die Verlage mit ihren eigenen Vermarktungs-Units.

Manche Verlage fürchten den Kontrollverlust, wenn sie ihre Inhalte direkt bei Facebook hosten lassen …

Der Machtverlust der Verlage gegenüber den Plattformbetreibern wie Apple, Google und Facebook ist längst Realität. Wenn schon jetzt 80 Prozent der digitalen Werbeausgaben an Google und Facebook gehen, wird es Zeit, sich damit auseinanderzusetzen und Vorteile und Chancen zu suchen, anstatt die Realitäten zu verweigern.

Eine Realität heute sind Adblocker, die immens an Popularität gewonnen haben. 

AdBlocker sind für mich eine Emanzipierung des Nutzers. Die meisten Online-Werbeformate waren und sind unterirdisch. Was man braucht, sind visuell ansprechende und inhaltlich interessante Werbe-Formate. Viele Werbe- und Marketing-Verantwortliche sind fasziniert von der Messbarkeit des Kanals. Im Digitalen schauen viele Mediaplaner nicht hinter die Fassade. Man muss fast sagen, dass es zum Glück Facebook und Google gibt, denn sie stellen das Nutzererlebnis über Alles und zeigen auch den mächtigen Mediaagenturen ihre Grenzen auf.

Gefährlich für Print als Werbeträger ist doch auch, dass verglichen mit den Reichweiten immer noch überproportional viel Werbegeld in Printmedien fließt, während bei Mobile die Reichweite dramatisch steigt, die Werbeerlöse aber nur vergleichsweise langsam. Wenn sich diese Entwicklung dreht, könnte es für Verlage erst richtig problematisch werden, oder? 

Die Medien-Zeitbudgets wachsen alleine durch die Smartphone-Nutzung. Trotzdem gelingt es den Verlagen bisher nicht, im Digitalen ein nachhaltiges Geschäftsmodell zu entwickeln. Bei Mobile wachsen die Reichweiten zwar stark, es ist aber nicht gesagt, dass die Werbung in gleichem Maße mitwächst. Vielleicht ist Mobile ja einfach ein schlechterer Werbeträger als Print. Print hat 50 Jahre lang gut damit gelebt, dass es einen überproportional hohen Anteil am Werbebudget hatte.

Wie sehen Sie die Zukunft von Print?

Bei Printverlagen wird derzeit einfach stark konsolidiert, um so die Profitabilität des Printgeschäftes zu  erhalten. Und sicher werden sich die Print-Auflagen irgendwann wieder einpendeln. Die Frage ist nur, auf welchem Niveau. Print wird nicht verschwinden. Aber wenn es irgendwann qualitativ hochwertige Werbeangebote im Digitalen gibt, wird Print vermutlich nur noch einen Nischen-Marktanteil haben. 

Wie ist das TV-Business im vergleich dazu aufgestellt?

Die TV-Konzerne konsolidieren jetzt schon, obwohl sie noch gar nicht in so einer Notlage sind wie viele Print-Häuser. Bei der Digitalisierung sind die TV-Unternehmen durchaus aktiv. Die RTL Group hat sich in den USA am Youtube-Vermarkter Broadband TV beteiligt, ProSiebenSat.1 hat mit Virtual Minds einen digitalen Technologieanbieter gekauft.

Und die Gefahr durch neue Video on Demand-Dienste wie Netflix?

Ich glaube nicht, dass Netflix eine große Bedrohung für die TV-Sender ist. Netflix hat bereits einen Disruptions-Zyklus abgeschlossen nachdem sie die großen Videothekenketten aus dem Markt gedrängt haben. Die TV-Konzerne sind nicht so angreifbar wie die Verlage, weil sie zum einen viel größer sind und weil sie zum anderen auch nicht so innovationsträge wie viele Verlage waren.

Womit müssen TV-Sender bei der Digitalisierung noch rechnen?

Im TV-Bereich wird Amazon eventuell eine größere Rolle spielen. Derzeit verdient Amazon immer nur Geld, wenn jemand tatsächlich etwas kauft. Bei ProSieben wird schon Geld, wenn nur ein Produkt gezeigt wird. Falls Amazon anfängt mit seinen ganzen Daten TV-Werbung zu machen, dann wird es interessant. Denn Amazon investiert seit einiger Zeit massiv in Inhalte und sie wollen auf den First Screen. Mit Echo werden sie zudem so etwas wie die Schaltzentrale des Haushalts.

Und Paid Content?

Ich glaube auch, dass Paid Content der wichtigste Erlöstreiber für ein digitales Nachrichten- oder Magazinangebot sein muss.

Bei Paid Content fällt mir das Stichwort Blendle ein. Das Online-Kiosk ist mit großen Erwartungen in Deutschland gestartet, die sich aber noch nicht erfüllt haben. Woran liegt das Ihrer Meinung nach? 

So etwas wie Blendle kann eigentlich nur funktionieren, wenn man alle Paid Angebote darüber laufen lässt und alle Kraft in dieses System steckt. Leider haben viele der Verlag Blendle nicht so gepusht, wie es nötig gewesen wäre. Bei Blendle hätte man wirklich mehr machen können als die Artikel rüberschieben, zwei Euro dranschreiben und hinterher sagen: Siehste, hab ich doch gesagt, dass es nicht funktioniert.