Die passende Ansprache eines potentiellen Kunden: „Timing“ ist alles

Potentielle Kunden zur richtigen Zeit mit den richtigen Inhalten abzuholen, erfordert eine ganzheitliche Betrachtung der Zielpersonen: Einerseits ist es möglich dies mithilfe von CRM-, demografischen-, sowie Verhaltens- und Responsedaten zu ermitteln, andererseits spielt hierbei immer öfter das sogenannte „Moment Marketing“, eine wichtige Rolle. Doch was ist das genau?
Planen Sie gut, wann Sie diesen jungen Herrn ansprechen und wann besser nicht

Am 7. August 2017 spielte sich eines dieser seltenen, astronomischen Ereignisse ab: Der Schatten der, durch die Sonne beleuchteten Erde, wird auf den Mond geworfen. Das Ergebnis ist eine Mondfinsternis. Dieses äußerst seltene Phänomen hängt von vielen, schwer zu berechnenden Faktoren ab. Erst im Zusammenspiel der einzelnen Faktoren zur richtigen Zeit entsteht das faszinierende Schauspiel. Um ähnlich viele Faktoren geht es im Marketing, wenn es um die passende Ansprache eines potentiellen Kunden im richtigen Moment, unabhängig von deren Endgerät, geht.

Eine fundierte Datenbasis ist die Grundvoraussetzung

Eine holistische Sicht auf den Kunden ist gefragt, wenn die richtige Person zur richtigen Zeit mit den richtigen Aussagen angesprochen werden soll. Es ist erfolgsentscheidend, zu wissen, in welchen Kanälen ein Kunde kommuniziert, welche Kanäle er für welche Aktivitäten bevorzugt und wann er sie typischerweise nutzt. Erreicht man den Nutzer am besten mit Push-Nachrichten oder per E-Mail? Kauft er eher auf dem Desktop-Computer oder auch mobil? Ist er auf Facebook aktiv oder meidet er die sozialen Medien? Eine fundierte Datenbasis ist die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche, kanalübergreifende Zielgruppenansprache. In Anbetracht immer neuer Kommunikations- und Vertriebskanäle ist diese Aufgabe dringender denn je. Um eine 360-Grad-Sicht auf einen Kunden zu erhalten, müssen neben CRM- und demografischen Daten also auch Verhaltens- und Responsedaten in die Profilierung einfließen. Auf Basis einer solchen Datengrundlage können dann jene Faktoren ermittelt werden, die für eine optimale Nutzeransprache nötig sind.

Entscheidende Momente bestehen aus drei Faktoren

Eine wichtige Rolle spielt auch der aktuelle Status des Nutzers: Wofür interessiert er sich in einem bestimmten Moment? Welches Bedürfnis hat er und wie kann eine Marke dem Nutzer bei einer Lösung helfen. „Moment Marketing“ ist zu einem festen Begriff in der Branche geworden. Immer stärker setzt sich die Erkenntnis durch, dass es in Zeiten der zunehmenden Digitalisierung nötig ist, Nutzer genau im richtigen Moment anzusprechen. Im Zuge einer Entscheidungsfindung treten solche Momente über die gesamte Customer Journey hinweg auf. Bei Google spricht man in diesem Zusammenhang von „Micro-Moments“. Diese Momente sind stets von einer konkreten Absicht getrieben und stehen in einem bestimmten Kontext. Hinzukommt, dass sie meist auch mit einer Dringlichkeit versehen sind. Der Nutzer möchte unmittelbar die Erfolge seiner Bemühungen sehen. Absicht, Kontext, Dringlichkeit: Diese drei Faktoren machen entscheidende Momente aus.

Realtime Marketing spielt eine wichtige Rolle

Wer zum Beispiel an einem Wochentag am Nachmittag auf dem Desktop-Computer zum Thema Pizza recherchiert, hat höchstwahrscheinlich ein anderes Bedürfnis, als jemand, der am Abend in der Innenstadt auf seinem Smartphone nach „Pizza“ sucht. Während der Smartphone-Nutzer eher eine Anfahrtsbeschreibung und Öffnungszeiten des nächstgelegenen Restaurants erwarten würde, könnte der Desktop-Nutzer an Rezepten und Zubereitungs-Tipps interessiert sein. Doch in beiden Fällen, möchte er sofort die richtige Lösung angeboten bekommen. Realtime Marketing spielt in diesem Rahmen eine wichtige Rolle.

Die Herausforderung ist es, die Absicht des Nutzers in dem Moment zu erkennen, in dem sie auftritt. Darum sollten nicht nur Angaben zu Alter und Geschlecht in die Datenbasis einer Werbekampagne einfließen, sondern auch kontextbasiert Informationen wie Tageszeit, Standort oder Gerätetyp. Absichtsbasierte Signale sind ebenfalls wichtig, beispielsweise der abgerufene Inhalt oder die Interaktion mit einer Marke. In einer Untersuchung von Ipsos sagten 44 Prozent der befragten deutschen Verbraucher, dass sie bei der Produktrecherche auf dem Smartphone schon einmal eine Marke in Betracht gezogen haben, weil in diesem entscheidenden Moment relevante Informationen verfügbar waren.

Cross-Channel-Orchestrierung nötig

Doch je mehr Kanäle genutzt werden, desto größer ist die Herausforderung. Mittlerweile verfügen circa 90 Prozent der Internetnutzer über mehrere Geräte um damit im Internet nach Informationen, Produkten oder Inhalten zu suchen. Der Großteil der Internetnutzer wechselt innerhalb einer Aufgabe das genutzte Gerät. Die Customer Journeys werden dadurch komplexer, die Datenmengen wachsen. Hier liegt in vielen Marketingabteilungen Potenzial brach. Nur ein Marketing, das auf Big Data-Infrastrukturen aufsetzt, kann kanalübergreifend und in Echtzeit auf das gezeigte Kundenverhalten reagieren.

Dabei reicht es nicht aus, die Kunden – wie beim Multichannel-Marketing üblich – mit einer einheitlichen Botschaft über alle Kanäle hinweg anzusprechen. Eine solche Marketingstrategie ist nicht kosteneffizient und fördert bei den Rezipienten unter Umständen sogar den Einsatz von Werbeblockern. Im Sinne eines echten Cross-Channel-Ansatzes sollte die Marketing-Ansprache orchestriert werden. Das heißt, die Werbebotschaften sollten über alle Kanäle koordiniert, integriert und optimiert werden. Auf diese Weise kann eine einheitliche User Experience ermöglicht werden.

Kundenansprache nicht auf einen Kanal beschränken

Konsumenten haben diesbezüglich eine hohe Erwartungshaltung und fordern eine stärkere nahtlose Verknüpfung aller Geschäftsprozesse ein, wie Studien gezeigt haben. Immer mehr Kunden wünschen sich neue Bestell- und Liefermöglichkeiten. Interessant ist, dass es in Sachen Einkauf kein „Entweder-oder“ gibt. Demzufolge bestellen Konsumenten gern online, doch der stationäre Handel bleibt eine sehr wichtige Anlaufstelle. Diese Mehrkanal-Affinität kann sich das Marketing zu Nutze machen. Wer die Kundenansprache nur auf einen Kanal beschränkt oder alle Kanäle getreu eines Multichannel-Ansatzes einheitlich bespielt, verschenkt Potenzial. Klassische Offline-Kanäle sollten ebenfalls in ein Cross-Channel-Konzept integriert werden, um ein vollständiges Bild vom Nutzer und seiner Journey zu erhalten.

Flexible Technologien helfen

Für eine holistische Kundensicht ist ein datenschutzkonformer Matching-Prozess der verschiedenen Identifier aus den einzelnen Kanälen nötig. Im Idealfall erfolgt die Marketing-Aussteuerung daher aus einer Hand. Integrierte Marketing-Clouds scheinen hier eine richtige Antwort zu sein. Sie bieten in der Regel ein sehr umfassendes Set an Marketing-Lösungen. Doch genau dieses Angebot geht oft an den Bedürfnissen der Anwender vorbei, denn in vielen Unternehmen sind bereits verschiedene Lösungen vorhanden, die in ihren jeweiligen Anwendungsgebieten besondere Stärken haben. Die gesamte Marketing-Infrastruktur nun über Bord zu werfen und alles auf die Cloud zu setzen, ist ein riesiger Schritt. Eine Alternative ist es, den bestehenden Best-of-Breed-Lösungen ein neues Gehirn zu verpassen – also eine Software, die sich über die vorhandenen Lösungen legt und alle Kanäle mit alle Daten verbinden kann, ohne dass die Marketinginfrastruktur ausgetauscht werden muss. Wie schnell ein Kanal für das Marketing relevant werden kann, hat unter anderem Snapchat eindrucksvoll gezeigt. Es wird künftig noch stärker darauf ankommen, den perfekten Kanal und das optimale Timing für die Nutzeransprache zu finden, damit der nächste Abschluss nicht erst mit der kommenden Mondfinsternis eintritt.

Zum Autor: Manuel Hinz ist Gründer und Geschäftsführer von CrossEngage. Er begann seine Karriere als Head of Corporate Development und Interim-CFO von DailyDeal und betreute in dieser Position den Verkauf des Unternehmens an Google. Später gründete er zusammen mit Project A Ventures die Preisvergleichsseite Toroleo.de, die 2014 vom Mitbewerber Delticom AG gekauft wurde. Nach seiner Zeit als Interim-Marketingleiter bei Scarosso gründete er zusammen mit Dr. Markus Wübben und Project A Ventures CrossEngage.