„Das Thema Rassismus ist zu weit von Astra entfernt und zu sensibel“: Astra stoppt „Kiezmische”-Kampagne

Ein Plakat von Astra auf St. Pauli hat für Diskussionen gesorgt. Der Vorwurf: Rassismus. Der von der Biermarke gesponserte Fußballklub St. Pauli distanzierte sich von der Kampagne und nun zog der Mutterkonzern Carlsberg die Reißleine. Die gesamte Kampagne für das „Kiezmische”-Getränk wird gestoppt.

Wolle Dose kaufen? steht auf dem Astra-Plakat im Hamburger Szeneviertel St. Pauli, das Besucher und Anwohner in den vergangenen Tagen auf einer Häuserfassade erblicken konnten. Darauf zu sehen ein dunkelhäutiger Mann, verkleidet wie eine Meerjungfrau mit Muschel-BH und dazu drei Dosen des Bier-Mioxgetränks Kiezmische. Astra ist bekannt für provokante Werbung, doch diesmal haben sie es aus Sicht vieler Nutzer in den sozialen Netzwerken zu weit getrieben.

Der Vorwurf: Die Werbung sei rassistisch. Der Tochter-Konzern von Carlsberg arbeite bewusst mit dem Klischee des dunkelhäutigen Rosenverkäufers, das in den 90er-Jahren von Bastian Pastewka und Kaya Yanar in verschiedenen Rollen (Wolle Rose kaufen?) aufgegriffen wurde. Die jetzige Anspielung auf jene Stereotypen sei geschmacklos und rassistisch, wie Nutzer auf Facebook, Twitter und Co. schreiben. Verantwortlich für die aktuelle Werbekampagne ist die Agentur Philipp und Keuntje.

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Am Donnerstagmittag hat sich dann auch der von Astra gesponserte Fußballverein St. Pauli auf Twitter dazu gemeldet und sich von der Werbung distanziert. Der Verein schreibt: Astra, wir haben was dagegen! Rassismus ist nicht lustig und nicht akzeptabel. Astra hat sich in einem langen Statement auf Facebook zu den Vorwürfen geäußert. Dort heißt es unter anderem:

Wir bedienen uns ungewöhnlicher Mittel – der Satire, der Überspitzung, der Überschreitung von Grenzen – aber genau das war und ist die Art von Astra, aufzugreifen, was wir gestern und heute, hier und da, sehen und erleben. Wichtig ist uns dabei immer, das dies nicht auf böswillige, sondern humoristische Art und Weise passiert, weshalb wir die porträtierten Personen(gruppen) vorab um ihre ehrliche Meinung befragen. In diesem Fall war es unser indischer Mitbürger Monty, der in Hamburg längst Kultstatus genießt und ein „Like“ für die Kreation vergab.

Die Biermarke spricht im Posting davon, dass sich Astra eben nicht durch eine Weichspüler-Werbevariante auszeichne. Dort heißt es:

Trotz allem bedauern wir, wenn das ausgewählte Motiv für manche von euch die Linie einen Fußtritt zu weit überschritten und euch im Ergebnis verärgert hat. Wie durchlässig diese Grenze zum rassistischen Klischee ist, haben wir durch eure Reaktionen gemerkt.

Die Entschuldigung endet mit dem Hinweis, dass die derzeitige Kampagne gestoppt wird. Daher sollen vier bereits aufgehängte Großplakate in den Stadtteilen St. Pauli, Altona und Eppendorf wieder abgehängt werden. Außerdem wurde der Start einer ursprünglich für Freitag geplanten Kampagne mit kleineren Plakaten an Hamburger Bushaltestellen und Lichtsäulen abgesagt.

Auf Anfrage von MEEDIA kommentiert Carlsberg-Pressesprecherin Linda Hasselmann den Schritt wie folgt:

Das Thema Rassismus ist zu weit von Astra entfernt und zu sensibel, als dass wir hier Missverständnisse in Kauf nehmen können. Daher haben wir uns in diesem speziellen Fall für die bekannte Vorgehensweise entschieden. Natürlich ist uns bewusst, dass man es nie allen Recht machen kann, vor allem nicht, wenn man in so ausgefallener Weise wie Astra wirbt. Hier haben wir jedoch aufgrund der aktuellen Reaktionen den Eindruck, dass für so Manchen ernsthaft ein Rassismusverdacht im Raum steht, den wir so nicht stehen lassen wollen und daher die Kampagne stoppen.

Zu schnell eingeknickt

In den sozialen Netzwerken wird die Kampagne allerdings nicht durchweg negativ beurteilt. Zahlreiche Nutzer finden Gefallen an dem Motiv und geben in ihren Postings zu, den Witz lustig zu finden und ebenfalls gar nicht an rassistische Motive gedacht zu haben. Manche bemängeln nun, Astra bzw. Carlsberg sei zu schnell eingeknickt und hätte die Kampagne laufen lassen sollen. Ich würde das nicht unbedingt als ‘Einknicken’ verstehen, erläutert Hasselmann. Denn jeder der Astra kennt weiß, dass wir schon oft einen mutigen Schritt gegangen sind und zu diesem auch stehen, aber in diesem Fall ist es uns wichtig klarzustellen, dass Astra alles andere als rassistisch ist, denn aus unserer Sicht ist Fremdenhass zum Fremdschämen. Das Ziel von Astra sei es, dass die Motive lustig-liebevolle verstanden werden. In diesem Fall ist uns das in den Augen einiger Konsumenten und auch unseres Partners FC St.Pauli nicht ganz geglückt.

Gegenüber dem Branchendienst Horizont hat deren Torben Hansen, Geschäftsführer von Philipp und Keuntje, zudem klargestellt: Jedes Motiv, das dahingehend missverstanden beziehungsweise interpretiert wird, wie dieses jetzt, ist ein schlechtes. Man wollte kein Wasser auf die Mühlen rassistischer Idioten gießen”, wird er dort weiter zitiert. Und wir entschuldigen uns bei allen, die sich durch unser Motiv angegriffen, bloßgestellt oder lächerlich gemacht fühlen – Punkt.

Künftig, so der Astra-Chefwerber, wolle es die Agentur wieder besser machen.

Update, 16:00 Uhr, 10. August 2018: 

Am Nachmittag hat sich der Fußballverein St. Pauli auf Anfrage zur Kampagne geäußert. Christoph Pieper, Leiter der Medienabteilung, hat erklärt: „Für uns gehört es in einer Partnerschaft dazu, Dinge anzusprechen, die gut funktionieren und sich auch klar zu äußern, wenn etwas nicht gelungen ist. Das haben wir auch bei Astra deutlich hinterlegt.“ Die Reaktionen in den sozialen Netzwerken hätten keine Rolle gespielt. Man habe die Werbung als rassistisch empfunden und sich daher ausschließlich aus Überzeugung davon distanziert.