Zusammen, nicht allein

Amazon sponsert eine Algenzucht in der Nordsee. Konzerne wie Unilever, BASF, Tata Steel oder P&G arbeiten gemeinsam an einem Innovationsprojekt zur CO2-Reduzierung. Die Transformation zur grünen Volkswirtschaft braucht Kooperation über traditionelle Grenzen hinweg.
6000 Kilo Seetang wollen die North Sea Farmers im ersten Betriebsjahr ernten. (© Unsplash/ Brian Yurasits)

Manche Ideen sind ebenso überzeugend wie naheliegend, trotzdem setzen sie sich nur mühsam durch. Seit Jahren versucht die Organisation North Sea Farmers eine Algenfarm innerhalb eines Offshore-Windparks zu etablieren (das Projekt hatten wir im Green Wednesday schon einmal kurz vorgestellt). Jetzt hat sich ein – auf den ersten Blick überraschender – Sponsor gefunden: Amazon. Rund 1,5 Millionen Euro stellt der Konzern aus seinem „Right Now Climate Funds“ zur Verfügung, damit – zunächst auf einer Fläche von zehn Hektar – die weltweit erste gewerbliche Algenzucht zwischen den Windmaschinen starten kann.

6000 Kilo Seetang wollen die North Sea Farmers, in der sich Wissenschaftler und Unternehmen zusammengeschlossen haben, im ersten Betriebsjahr ernten. Im Idealfall wird das zur Initialzündung für weitere Offshore-Plantagen – Algen eignen sich als nachwachsender Rohstoff, der überdies CO2 bindet. Warum unterstützt Amazon das Projekt? Weil sich das Unternehmen dazu verpflichtet hat, bis 2040 klimaneutral zu werden, und im Zuge dessen auch in Dekarbonisierungs-Technologie investiert. 

„Flue2Chem“: Industrieabgase verwandeln sich in Rohstoffe 

Algenzüchter und Amazon, Wissenschaftler und Unternehmer – wir brauchen Kooperationen wie diese. In Großbritannien haben sich unter Führung der Society of Chemical Industry und Unilever insgesamt 15 Partner zur Initiative „Flue2Chem“ zusammengefunden. Sie wollen Verfahren entwickeln, um Industrieabgase als Kohlenstoffquelle zu nutzen, und dadurch jährlich 15 bis 20 Millionen Tonnen CO2-Emissionen einsparen.  

Die Hälfte der Investitionskosten von 5,4 Millionen Pfund trägt die britische Wirtschaftsförderung „Innovate UK“. Mit dabei sind Universitäten, Institute und Start-ups, vor allem aber wirtschaftliche Schwergewichte wie BASF, Tata Steel, Reckitt und Procter & Gamble. Womit einmal mehr bewiesen wäre, dass die Transformation zur grünen Volkswirtschaft nicht ohne innovative Unternehmen gelingen kann. Und je größer sie sind, desto größer ist ihr Hebel. Man wünscht sich, dass das auch jene Umweltschützer*innen begreifen, die Konzerne noch immer reflexhaft anfeinden.  

Topmanager brauchen Vorgaben – und werden sie kriegen 

An Problembewusstsein mangelt es der Wirtschaft wahrlich nicht mehr, hat gerade wieder die C-Level-Befragung „CxO Sustainability Survey 2023“ von Deloitte ergeben: Trotz unsicherer Konjunktur, Ukraine-Krieg und Lieferkettenproblemen gehört der Klimawandel zu den Top-Prioritäten von Führungskräften. Woran es hapert, ist die Übersetzung in ein effektives Nachhaltigkeitsmanagement. Da helfen nur klare Vorgaben. Die aber werden kommen, prognostiziert Gartner: Bis 2026 werden 70 Prozent der Führungskräfte in der IT-Industrie an Nachhaltigkeitszielen gemessen werden.  

Planspiele für ein grünes Steuersystem  

In der Wirtschaft funktioniert eben nichts so zuverlässig wie Anreize. Der Präsident des Umweltbundesamtes (UBA), Dirk Messner, fordert deshalb einen klimafreundlichen Umbau des Steuersystems. Null Prozent Mehrwertsteuer für pflanzliche Lebensmittel zum Beispiel, woanders dafür höhere Steuern: „Das, was unsere Gesundheit und die Umwelt und das Klima schädigt, sollten wir belasten, denn damit würden wir die Kräfte des Marktes nutzen, um uns in Richtung Klimaneutralität und Umweltschutz zu bewegen.“ Nachzuhören in diesem Podcast ab Minute 9. Das UBA untersteht dem Umweltministerium; der Vorstoß dürfte zumindest mit dem grünen Teil der Ampelkoalition abgestimmt sein. 

Immer mehr Unternehmen wollen zur B Corp werden

Womit wir wieder beim Thema Verbündete wären. Seit mehr als 15 Jahren Jahren gibt es die B Corp Zertifizierung für Unternehmen, die mehr wollen als Gewinne erzielen: Nicht nur die Umweltverträglichkeit des Unternehmens und sein Engagement für die Gesellschaft werden geprüft, sondern auch der Umgang mit Mitarbeiter*innen, Kund*innen und Lieferant*innen, schreibt Marco Peters, Geschäftsführer der Sustainability-Beratung Nextwork, in der absatzwirtschaft.  

Der Anspruch ist also hoch. Zugleich ist die Zertifizierung ein gutes Marketinginstrument, das über 6400 Unternehmen nutzen, darunter Marken wie der Outdoorhersteller Patagonia. Aber es gibt auch Rückschläge: Bei dem kürzlich in Deutschland, Österreich und der Schweiz zertifizierten Lebensmittelhersteller Danone musste zuvor der CEO gehen, wohl auch, weil sein Engagement für Nachhaltigkeit den Aktionären nicht gefiel. Und kürzlich protestierten mehr als 30 andere B Corps in einem offenen Brief dagegen, dass ausgerechnet Nespresso das begehrte Segel erhielt. Widerstand gegen Greenwashing kommt inzwischen also sogar aus dem eigenen Lager. Wenn das kein gutes Zeichen ist.  

Eine gute Woche noch, und behalten Sie die Zukunft im Blick! 

(mat) führte ihr erstes Interview für die absatzwirtschaft 2008 in New York. Heute lebt die freie Journalistin in Kaiserslautern. Sie hat die Kölner Journalistenschule besucht und Volkswirtschaft studiert. Mag gute Architektur und guten Wein. Denkt gern an New York zurück.