Warum KI (nicht) alles ist

Gibt es Marketing-Trends, die neben KI aktuell noch prägend sind? Oliver Bohl, Geschäftsführer von Triplesense Reply, ist sich sicher: ja!
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Oliver Bohl ist Geschäftsführer von Triplesense Reply sowie Lehrbeauftragter zu Themen des digitalen Marketings. (© privat, Montage: Olaf Heß)

Man muss kein/e Hellseher*in sein, um zu ahnen, was das Thema der diesjährigen Dmexco ist: Thematisch führt kein Weg an Künstlicher Intelligenz (KI) vorbei – das ist gut so.

KI ist omnipräsent. So beeinflussen generative KI-Trends die Customer Experience, unterstützen in der Beratung oder definieren Kreativität neu. Nur weil die KI-Sau mit all ihren Facetten gerade durchs Dorf getrieben wird, sind andere Themen jedoch nicht weniger wichtig.

1. Sustainable UX: Bequemlichkeit allein reicht nicht aus

Nachhaltige Ansätze gewinnen zunehmend an Bedeutung – in puncto technische Realisierung und als strategische Notwendigkeit für Unternehmen. Denn „höher, schneller, weiter“ ist nicht mehr zeitgemäß. So geht es Kund*innen nicht allein um die UX und die damit verbundene Convenience, sondern auch um deren nachhaltige Umsetzung.

Die Unternehmensausrichtung sollte folglich in all ihren Prozessen entsprechend gestaltet werden. Dabei gilt es, die Vorzüge der Zwillingstransformation – also der Digital- und der Nachhaltigkeitstransformation in Kombination zu nutzen und nach außen zu kommunizieren. Beide Bestrebungen sind in ihrer Dualität erfolgskritisch für Unternehmen.

2. „Commerce everywhere“ zwingt den Handel zum Umdenken

Social Commerce und der Handel in phygitalen Räumen sind auf dem Vormarsch. Entsprechend sollte der Handel – auch der stationäre – den Dialog mit der Community dort suchen, wo die Interessen relevanter Konsument*innen in ihrem digitalisierten Alltag liegen, zum Beispiel in sozialen Netzwerken.

Händler*innen können den Austausch auf den eigenen Plattformen forcieren, etwa über Live-Shopping-Angebote oder der Integration von aus sozialen Netzwerken gewohnten Features. Da Kaufabschlüsse inzwischen auch in Metaversen stattfinden, gilt es für Anbieter*innen, ihre Touchpoints zu erweitern.  

3. Hyperpersonalisierte Erlebnisse schaffen individuelle Service-Welten

Kund*innen wünschen sich individuelle, maximal auf sie zugeschnittene Services. Performante, KI basierte Datenmanagement- und Datenanalyse-Tools sind ein Muss. Zugleich spielen End2End-Services eine wesentliche Rolle.

Gewünscht ist das reibungslose Ineinandergreifen aller Kontaktpunkte. Da ein solches Best-of-Breed Service-Puzzle via API-Schnittstellen und moderner Servicearchitekturen – Stichwort „Super Apps“ – bereits an verschiedenen Stellen Realität ist, wird dieser Anspruch der Kund*innen zum neuen Standard für Unternehmen.

4. Digital Humans sind die Berater*innen von morgen

Lassen sich Nutzer*innen beraten – etwa bei einem Autokauf – erwarten sie, dass ihr Gegenüber zu jedem Zeitpunkt ihren umfassenden Kontext versteht, um ihre Erfahrungen weiß und auf bereits vorliegende Kund*innendaten aufsetzt. Verkäufer*innen müssen dafür eine Vielzahl von Informationen aufarbeiten.

Folglich gewinnen Digital Humans als virtuelle Berater*innen an Bedeutung, unterstützen menschliche Mitarbeitende als Sparringspartner*innen oder kommunizieren direkt mit den Kund*innen. Basierend auf KI-Ansätzen wie Sentimentanalysen können Digital Humans sogar Emotionen mit einbeziehen und somit den Austausch mit der Community gezielt ergänzen.

5. KI befeuert die Rückkehr zur kreativen Exzellenz

Hieß es Anfang der 80er Jahre „Video killed the radio star“ lautet die Frage heutzutage eher: „Will AI kill the designer?“ Standardtätigkeiten von Designer*innen werden künftig von performanten KI-Tools übernommen. „Echte“ menschliche Kreativität muss sich wandeln, um relevant zu bleiben. Für Kreative gilt es, ihre Nischen zu finden und ihr Talent so einzubringen, dass sie als exzellent wahrgenommen werden. Dabei ist KI eine Chance für Designer*innen.

KI ist nicht alles, aber ohne KI ist alles nichts. Speziell die CX profitiert massiv von den jüngsten KI-Entwicklungen, schließlich hilft sie mittels Hyperpersonalisierung, Digital Humans und einer erweiterten Datenbasis Kund*innenerlebnisse signifikant zu verbessern.


Oliver Bohl führt als Geschäftsführer das 70-köpfige Triplesense Reply-Team. Darüber hinaus ist er in verschiedenen Verbänden – BVDW, Bitkom und LBMA – sowie als Lehrbeauftragter zu Themen des digitalen Marketings und der Plattformökonomie an europäischen Hochschulen aktiv.