Verloren im Orbit

Der französische Sporthändler Decatlon will die großen Sports Brands mit seinem neuen Markenauftritt angreifen. Unser Kolumnist erklärt, wieso das nicht gelingt.
Decathlon Rebranding Header
Die französische Sportmarke Decathlon hat ein neues Design bekommen. (© Decathlon)

Wer wie ich einen starken Bezug zu Frankreich hat und sportbesessen ist, wird nicht nur wissen, dass das ganze Land auf die Olympischen Spiele in Paris hinfiebert oder dass die Équipe Tricolore in den letzten beiden Fußball-WM-Finals stand (von denen sie eines gewonnen hat). Er oder sie dürfte auch wissen, dass die Franzosen eigentlich nur noch eine Destination für den Sportartikelkauf kennen: Decathlon.  

Seit Ende der 80er Jahre hat der Händler aus Lille den französischen Sports-Retail-Markt umgekrempelt. Mittlerweile gibt es Decathlon (griechisch für Zehnkampf) in 60 Ländern. Das Unternehmen macht einen Jahresumsatz von 15 Milliarden Euro. Ein Global Player also. Und dieser hat pünktlich zu Olympia seinen Markenauftritt erneuert. Das ist interessant, weil Decathlon bisher mehr als Händler aufgetreten ist und hinter seiner breiten Phalanx an Eigenmarken nicht wirklich als echte Sports Brand sichtbar war. Das soll sich nun ändern.  

Erstmals ziert eine Bildmarke den Auftritt und die Produkte: der Orbit. Ein Symbol für Kreislaufwirtschaft (das Oval), Offenheit (die Lücke) und sportliche Herausforderung (die Spitze). Soweit die Rationalisierung der Designagentur Wolff Olins. Die hat außerdem ein schönes Erscheinungsbild aus Typografie (mit ovalem O), einem neuen Blau (vielleicht zufällig das Blau der französischen Flagge) und einem modernen digital anmutenden Look geschaffen.  

Ein Bild, das Text, Schrift, Logo, Grafiken enthält.

Automatisch generierte Beschreibung

Im Zentrum des neuen Markenauftritts steht der Orbit. (© Decathlon, Wolff Olins)

Hat die neue Marke das Potenzial zum Branchenführer? 

Alles scheint bereit für den Angriff auf den Thron der großen Sportmarken wie Nike, Adidas, Puma, Under Armour und wie sie alle heißen. In den Worten von CEO Barbara Martin Coppola klingt das so: “Ich bin zuversichtlich, dass unsere ehrgeizige Strategie (…) dafür sorgen wird, dass Decathlon als einzigartige und vertrauenswürdige Sportmarke die Branche anführt.” Interessanterweise machen die Zehnkämpfer aus Lille damit nicht nur den Sports Brands Konkurrenz, sondern auch ihren zig Eigenmarken. Aber die Strategie wird dies sicher berücksichtigen.  

Unabhängig von der tatsächlichen Erreichbarkeit dieses hehren Zieles, stellte ich mir folgende Frage: Hat Decathlon mit diesem Redesign jetzt eine Marke geschaffen, die wirklich das Potenzial hat, die Branche anzuführen? Meine Antwort heißt: Nein. 

Andere französische Marke legt Meisterleistung hin 

Der Orbit fällt in Sachen Formalästhetik sowie semantischer Kraft und Bedeutung meilenweit hinter den Logos großer Sportmarken zurück. Wer dem Swoosh, den drei Streifen, dem Puma oder Asics (Anime Sana in Corpore Sano) Konkurrenz machen und die Herzen der Sportfans weltweit begeistern will, sollte nicht aussehen wie eine Versicherung oder ein Product Launch Design von Microsoft. 

decathlon-Drip
Eine andere französische Marke, Le Coq Sportif, macht es aus Sicht unseres Kolumnisten besser. (© Le Coq Sportif, Dr!p Magazine)

Der Auftritt ist dermaßen generisch und uninspiriert, dass man sich das spröde Understatement des Sportdiscounters zurückwünscht. Hier wird viel gewollt und wenig gekonnt. Viel spannender ist der neue Anlauf der französischen Kult-Sportmarke Le Coq Sportif, die gerade mit der Kollektion für die französische Olympiamannschaft eine echte Meisterleistung hingelegt hat. Die Franzosen können es also doch! 

Heinrich Paravicini ist Co-Gründer und Chief Creative Officer von Mutabor, Designagentur und Markenberatung mit Sitz in Hamburg, München und Berlin. Mit mehr als 180 Mitarbeiter*innen gehört Mutabor heute zu den größten unabhängigen Agenturen der Kreativbranche in Deutschland. Paravicini lebt und arbeitet in Hamburg und überall dort, wo Mutabor-Projekte entstehen.