So wird Ihr Onlineshop barrierefrei

Bereits Mitte 2025 müssen Onlinehändler ihre digitalen Dienstleistungen barrierefrei anbieten. Höchste Zeit, das Thema anzugehen. Ein Überblick, was dabei zu beachten ist.
Untitled (16)
"Das Thema ist wichtig und immer mehr Menschen sind darauf angewiesen“, sagt Barrierefreiheits-Expertin Eva Behling vom E-Commerce-Verband bevh. (© Adobe Stock)

Ab Juni 2025 gilt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG). Für Onlineshops heißt das: Ab dann müssen sie digitale Dienstleistungen barrierefrei anbieten. Sie müssen also unterschiedlos für alle Menschen nutzbar sein. Doch digitale Barrierefreiheit zu schaffen, ist nicht trivial. Selbst Ministerien, die im Prinzip bereits seit mehr als 20 Jahren dazu verpflichtet sind, schaffen das noch nicht an allen Stellen. 

Welche Barrierefreiheit-Standards gelten?

Shops müssen die Regeln der internationalen Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) erfüllen sowie zusätzliche Regelungen der Europäischen Norm EN 301 549. Es gelten aber nicht die strengeren deutschen Standards, die in der sogenannten Barrierefreien-Informationstechnik-Verordnung (BITV) geregelt sind. 

Doch auch die Regelungen der WCAG gibt es in unterschiedlichen Ausführungen. Als aktuell rechtlich maßgeblich gilt die Version 2.1 der WCAG. Aber: Im Oktober 2023 wurde die Version 2.2 veröffentlicht, die sicher irgendwann gesetzlicher Standard wird. Gerade wenn man neue Elemente für Onlineshops entwickelt, ist es sinnvoll, bereits jetzt die Aspekte zu berücksichtigen, die in der WCAG 2.2 über Regelungen aus Version 2.1 hinausgehen. 

Was muss erfüllt sein und was hilft dabei?

Damit ein Digitalangebot wie eine Website oder eine App als barrierefrei gilt, muss es vier Kernprinzipien erfüllen. Aus diesen vier Kernprinzipien ergeben sich 13 Richtlinien (siehe Infobox) und aus diesen 13 Richtlinien wiederum 86 Erfolgskriterien, von denen 56 verpflichtend umzusetzen sind. Damit erfüllt man dann die mittlere Konformitätsstufe AA, die für Onlineshops relevant ist. 

Besonders kritisch sind Formulare, Warenkörbe oder Checkout-Prozesse. Während man etwa bei der Tastaturbedienung in manchen Shops über 100 Tastenanschläge braucht, um zur Anmeldung zu kommen, geht es bei Amazon mit weniger als zehn. Wer mit Shopware-Systemen arbeitet, spart sich laut Barrierefreiheits-Expertin Eva Behling vom E-Commerce-Verband bevh zumindest teilweise Aufwand, weil sie Funktionen bieten, die bei der Barrierefreiheit unterstützen: „Größere Probleme haben die Unternehmen, die ihre Website komplett selbst bauen“, sagt Behling.  

Mit Strafen rechnet die Expertin zumindest nicht unmittelbar: „Am Anfang wird man vermutlich erst einmal noch Beratung bekommen, bevor der große Hammer ausgepackt wird.“ Ausruhen sollten sich Unternehmen darauf aber nicht: „Viele Händler sehen den Berg an Arbeit. Das verstehen wir. Aber zur Wahrheit gehört: Das Thema ist wichtig und immer mehr Menschen sind darauf angewiesen“, so Behling. Dazu kommt: Das Befolgen der Richtlinien sorgt generell für eine verbesserte User Experience – auch für Menschen ohne besondere Einschränkungen. Und: Barrierefreie Seiten sind besonders suchmaschinenfreundlich. 


Die vier Kernprinzipien der Barrierefreiheit…

… und die dazugehörige Richtlinien, die Betreiber von Onlineshops beachten müssen:

1. Wahrnehmbarkeit: Nutzende sind in der Lage, Informationen und Inhalte wahrzunehmen. So muss es beispielsweise einen erklärenden Alternativtext für Bilder geben, sofern sie relevante Inhalte transportieren und nicht reine Schmuckbilder sind.

1.1 Textalternative: Inhalte, die kein Text sind, haben eine Alternative.  

1.2 Zeitbasierte Medien: Für Audio- oder Videoinhalte muss es adäquate Alternativen geben, also etwa Transkripte oder Untertitel. 

1.3 Anpassbar: Nutzende können Inhalte in angepasster Form ebenfalls nutzen, zum Beispiel in einfachem Layout. Alle wesentlichen Informationen bleiben erhalten. 

1.4 Unterscheidbar: Unterschiedliche Elemente sind visuell klar voneinander getrennt. Schrift auf einem Button beispielsweise weist ausreichenden Kontrast auf. 

2. Bedienbarkeit: Nutzende sind in der Lage, die Website und vor allem deren Navigation zu bedienen. Das bedeutet etwa, dass Menschen ohne Maus via Tastatur navigieren können und die entsprechenden Seitenelemente auch als aktiv angezeigt bekommen.

2.1 Per Tastatur zugänglich: Alle Funktionalitäten sind auch mit der Tastatur zu nutzen. 

2.2 Ausreichend Zeit: Nutzende haben genug Zeit für die Inhalte. Slider oder größere Animationen etwa lassen sich anhalten und pausieren. 

2.3 Anfälle und psychische Reaktionen: Inhalte sind so gestaltet, dass sie nicht Anfälle oder psychische Reaktionen provozieren, kommen also beispielsweise ohne Blitze aus. 

2.4 Navigierbar: Nutzende werden bei der Navigation unterstützt, etwa durch sprechende Seitentitel oder mehrere Zugangswege zu einer Unterseite. 

2.5 Eingabemodalitäten: Die Bedienung von Funktionen wird erleichtert, weil sie nicht nur durch die Tastatur ansteuerbar sind. 

3. Verständlichkeit: Für Nutzende sind sowohl die Inhalte als auch Bedienung/Navigation verständlich. Im Optimalfall sind sie selbsterklärend. Wenn sie es nicht sind, werden sie erklärt. 

3.1 Lesbar: Inhalte sind lesbar und verständlich. Das heißt vor allem: Die Sprache einer Website ist durch Software zur Spracherkennung feststellbar. 

3.2 Vorhersehbar: Webseiten funktionieren vorhersehbar, verhalten sich also erwartungskonform. 

3.3 Hilfestellung bei der Eingabe: Ein Angebot hilft Nutzenden bei der Fehlervermeidung, beschriftet also beispielsweise Eingabefelder. 

4. Robustheit: Angebote lassen sich von einer möglichst großen Zahl an Nutzenden verwenden. Und zwar unabhängig davon, welche Geräte, Browser oder Assistenztechnologien sie nutzen. 

4.1 Kompatibel: Für aktuelle und künftige Anwendungsfälle wird die Kompatibilität maximiert. 

(fms, Jahrgang 1993) ist UX-Berater, Medien- und Wirtschaftsjournalist und Medien-Junkie. Er arbeitet als Content-Stratege für den Public Sector bei der Digitalagentur Digitas Pixelpark. Als freier Autor schreibt er über Medien und Marken und sehr unregelmäßig auch in seinem Blog weicher-tobak.de. Er hat Wirtschafts- und Technikjournalismus studiert, seinen dualen Bachelor im Verlag der F.A.Z. absolviert und seit mindestens 2011 keine 20-Uhr-Tagesschau verpasst.