Paulaner-Marketing: Wenn ein kompletter Absatzkanal wegbricht

In unserer Serie "Marke post Corona: Learnings aus der Krise" berichten Marketingverantwortliche über ihre Erfahrungen und Lehren aus der Corona-Zeit. In Folge 8 spricht Paulaner-Geschäftsführer Andreas Steinfatt über ausgefallene Traditionsveranstaltungen und verrät, wie Oliver Kahn in einen Spot für alkoholfreies Weißbier kam.
Andreas Steinfatt: "Brauereien dürfen nicht mehr nur 'Bierlieferant', sondern müssen Partner auf Augenhöhe für die Gastronomie sein." (© Paulaner)

Von Andreas Steinfatt

In diesem Jahr ist alles anders: Normalerweise nimmt man sich erst am Ende des Jahres Zeit, blickt auf das alte Jahr zurück und bringt seine Gedanken und Pläne fürs neue zu Papier. Aber 2020 gibt dazu schon Mitte des Jahres Anlass. Die Dynamik, mit der sich die Corona-Krise am Beginn entwickelt, die Planung auf den Kopf gestellt und den positiven Blick getrübt hat, können wir bei der Paulaner Brauerei an zwei Veranstaltungen und einem Zeitraum von vier Wochen festmachen: einem internen Kick-Off Meeting mit ambitionierten Wachstumsplänen in Handel und Gastronomie Mitte Februar sowie der Absage der traditionellen „Salvator-Probe“ am 8. März.


Vita: Andreas Steinfatt

Andreas Steinfatt ist seit 2003 Mitglied der Geschäftsführung zunächst der Paulaner Brauerei und seit 2017 der Paulaner Brauerei Gruppe GmbH & Co KGaA. Seit November 2019 verantwortet er die Ressorts Vertrieb Gastronomie national, Marketing und Öffentlichkeitsarbeit sowie Gastronomie-Services. Ebenfalls ist er Geschäftsführer der Paulaner Franchise & Consulting GmbH, einer 100%-Tochter, die das eigene Gastronomiekonzept „Paulaner Bräuhaus“ weltweit vermarktet. Außerdem ist er Vorsitzender des Vereins Münchner Brauereien.

Bei der Münchner Traditionsbrauerei ist Steinfatt seit 1995, nachdem er, nach Ausbildung im Lebensmitteleinzelhandel und Tätigkeit als stellvertretender Geschäftsführer, ein Studium der Betriebswirtschaftslehre abschloss.


Der „Salvator“ ist quasi der Urvater unserer Biere und der Anstich – neben dem Oktoberfest – der Höhepunkt im Veranstaltungskalender. Gefeiert wird mit Gästen aus Politik, Wirtschaft und unserem Kundenkreis – die Übertragung im Bayerischen Fernsehen erreicht Rekordquoten. Der Anstich ist Markenbühne, Get-together und Inbegriff bayerischen Brauchtums in einem. Die Fasten-Rede und das Singspiel waren fertig, die Schauspieler gespannt und voller Vorfreude. Die Woche davor war von Abwägungen, Abstimmungen mit der Politik und schließlich der Entscheidung zur Absage geprägt, keine leichte Sache. Auch wenn es zu diesem Zeitpunkt noch keine Einschränkungen des öffentlichen Lebens gab, wurde klar, es wird Auswirkungen geben, die uns als Brauerei massiv betreffen werden. Zumal zu diesem Zeitpunkt unsere Kollegen in den Paulaner Bräuhäusern in Asien miterlebten, wie Bars und Restaurants geschlossen wurden und die Sales-Kollegen dort schon im Homeoffice waren.

Jede Woche eine neue Herausforderung

Rückblickend kann man sagen: Ab diesem Zeitpunkt gab es jede Woche eine neue Herausforderung, die wir mal mehr mal weniger effizient gemeistert haben und – so plakativ es klingen mag – an jeder sind wir ein Stück gewachsen. Für einen Großteil der Mitarbeiter, die nicht in der Produktion arbeiten, hieß es plötzlich Homeoffice und Video-Konferenzen, in einem traditionellen Unternehmen wie einer Münchner Brauerei, bei dem persönlicher Kontakt und „gastgeben“ in der DNA steckt, zunächst schwer vorstellbar. Es hat perfekt funktioniert. Das nehmen wir mit in die Zukunft.

Deutlich mehr haben uns andere Entwicklungen abverlangt:

  • Die Planung für 2020 war auf den Launch „Paulaner Weißbier 0,0%“ ausgerichtet. Eine Produkteinführung während Corona, in einer Zeit, in der keine Besuche bei den Handelspartnern erlaubt waren, und für die Spieler des FC Bayern München als Testimonials für einen TV-Spot geplant waren, die unter strenger Quarantäne standen.
  • Mit der kompletten Schließung der Gastronomie wurde ein kompletter Absatzkanal von heute auf morgen „auf Null gefahren“ und die Gastro-Partner von einer existentiellen Krise bedroht.
  • Parallel zur weltweiten Entwicklung der Pandemie kamen die Geschäfte im internationalen Markt zum Erliegen.
  • Und schließlich wird das Oktoberfest abgesagt, für uns nicht nur Bierausschank und Markenbühne, sondern ein Fest mit enger emotionaler Verbundenheit.

Oli Kahn wirbt statt Manuel Neuer im Biergarten

In der Rückschau war die Einführung unseres ersten komplett alkoholfreien Weißbiers sehr erfolgreich – dank langjähriger, vertrauensvoller Partnerschaften. Deren Wichtigkeit haben die vergangenen Monate einmal mehr unter Beweis gestellt. Statt Manuel Neuer sitzt Oliver Kahn auf der Bank im Paulaner Biergarten. Als Vorstand des FC Bayern München nicht selbstverständlich, umso erfreuter haben wir das Angebot angenommen. Platzierungen im Regal wurden parallel dazu telefonisch verhandelt und umgesetzt.

Ein weiteres wichtiges Learning: Agilität und Flexibilität sind wichtig. Das haben wir auch bei unseren Gastronomen erlebt. Take-Away Konzepte boomten und trotz geschlossener Gaststätten kamen Wirte mit neuen Konzepten „für die Zeit danach“ auf uns zu. Das war zunächst überraschend, aber es macht Mut für die Zukunft. Und es widerlegt ganz klar viele Klischees, erfolgreiche Wirte sind heutzutage „Unternehmer“ – im besten Sinne des Wortes. Deshalb können Brauereien auch nicht mehr nur „Bierlieferant“ sein, sondern müssen Partner auf Augenhöhe sein.

Corona als Katalysator für digitales Projekt

Die Paulaner Brauerei Gruppe bietet seit über 13 Jahren das bewährtes Qualifizierungstool „Erfolgreiche Wirte“. Das haben wir quasi über Nacht digitalisiert. Hier war Corona sogar fast ein Katalysator für ein Projekt, das schon geplant war, aber jetzt viel schneller realisiert wurde. Ich kann mir vorstellen, das ging nicht nur uns so. Komplexer war unser Ansatz, ein echtes Hilfspaket zum Re-Start der Gastro als Starthilfe auf den Weg zu bringen.

Wenn man die Entwicklung der Pandemie betrachtet, war das schnelle und entschlossene Handeln der Politik sicher richtig. Welche langfristigen Auswirkungen es geben wird, ist gerade in unserer Branche noch ein Stück weit ein Blick in die Glaskugel. Bars und Kneipen sind in verschiedenen Ländern noch immer geschlossen, Großveranstaltungen abgesagt oder verschoben. Je länger das andauert, desto mehr wird sich das Verhalten der Konsumenten ändern. Und je länger Abstands- und Hygiene-Regeln nötig sind, desto mehr wird das Einfluss auf das Ausgehverhalten der Menschen haben. Wirkliche Unbeschwertheit wird es erst mit einer Impfung oder einem Medikament geben. Was sich sicher verstärken wird, ist der Trend zur Regionalität, den wir schon vor Corona beobachtet haben.

Serie „Marke post Corona: Learnings aus der Krise“

Folge 1: Hornbach-Marketingchef: Machen hilft gegen den Lagerkoller
Folge 2: Schöffel-Marketingchef: Aus „Ich bin raus“ wurde „Ich bleib drin“
Folge 3: Hugo-Boss-Interimschef: Drei Erkenntnisse aus der Corona-Krise
Folge 4: Rügenwalder-Chef: „Corona hat uns agiler gemacht“
Folge 5: Audi-Vorständin Wortmann: Corona als Katalysator
Folge 6: Burger-King-Marketingchef: Als Team durch die Krise
Folge 7: AOK-Manager Plesker: Vier Erkenntnisse aus der Corona-Krise

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