Daniel Kraft ist President Red Dot & Senior Vice President Corporate Strategy der Open Text Gruppe
Herr Kraft, Red Dot ist Anbieter von Content Management-Lösungen. Das Unternehmen wurde als deutsches Start-Up 1993 in Oldenburg gegründet und ist heute ein Geschäftsbereich des Content Management Anbieters Open Text. Wie sehen sie die aktuelle Marktposition des Unternehmens?
DANIEL KRAFT: Red Dot nennt sich heute die Open Text Web Solutions Group, um zu unterstreichen, dass wir integraler Bestandteil der Open Text Gruppe sind. Die Kunden haben uns klar gezeigt, dass sie das Web mit einer starken Integration der Unternehmensinhalte nutzen möchten und diese Ausrichtung hat uns zum Marktführer für Web Content Management in Deutschland und in Europa gemacht. Weltweit liegen wir unter den Top 3. Den Erfolg unserer Einbindung in Open Text erkennen Sie am Erfolg unserer Enterprise 2.0-Strategie. Damit meinen wir die Integration des 2.0-Gedanken in den Unternehmensalltag. Weltkonzerne wir Motorola oder ganze Nationen wie die Behörden in Canada bauen auf unserer Lösungen.
Eine aktuelle Studie von Harris Interactive bestätigt gerade die Dominanz des Internets bei Kaufentscheidungen. Investieren Unternehmen genug in neue Web-Technologien?
DANIEL KRAFT: Leider nein – und häufig sogar wider besseren Wissens. Die Studie besagt ja, dass Web-Medien mit einem Anteil von etwa 40 Prozent klar vor dem Fernsehen mit ungefähr 22 Prozent liegen. Und wir sprechen hier nicht über reinen Informationskonsum, sondern über die Beeinflussung von Kaufentscheidungen. Wer sein eigenes Medienverhalten oder das der nächsten Generation beobachtet, kann das mit eigenen Augen erkennen. Dieser Trend schlägt sich allerdings noch nicht in den Marketingbudgets vieler Unternehmen nieder.
Woran liegt es?
DANIEL KRAFT: Das hat zum einen mit einem noch anstehenden Generationswechsel zu tun und zum anderen haben viele Unternehmen noch einen großen Respekt vor der Investitionsentscheidung, weil man bestehendes Fachwissen erst auf die Web-Welt übertragen muss. Dabei lässt sich die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel in vielen Fällen sogar deutlich besser messen als in den klassischen Medien. Wir raten Unternehmen daher, sich intensiv mit den neuen Möglichkeiten im Web auseinanderzusetzen und sie gezielter zur Beeinflussung von Kaufentscheidungen zu nutzen.
Web-Experten raten zu einem tieferen Informationsangebot auf den Websites und zu Optimierungstools, die dieses Angebot ständig verbessern. Was ist möglich und was setzen Unternehmen schon um?
DANIEL KRAFT: Die Inhalte müssen zum Kunden. Traditionell haben Firmen hierzu Websites aufgebaut und grundlegende Informationen zur Verfügung gestellt. Das genügt heute nicht mehr und es sind dabei zwei grundlegende Trends zu beobachten. Einmal: Was nicht online ist, ist nicht real. Auch wenn konservative Kreise dies nicht wahrhaben wollen. Wenn Informationen nicht online verfügbar sind, zieht selbst der treueste Kunde irgendwann weiter. Zum anderen müssen Inhalte in einen Kontext gebracht werden, sei es im Rahmen einer Kundenbeziehung oder als Bestandteil einer Interessensverwandtschaft.
Können Sie hier ein Beispiel nennen?
DANIEL KRAFT: Ein gelungenes Beispiel zeigt unser Kunde Henkel. In ihrer Online-Community www.womensnet.de sind über 100 000 Nutzer registriert, deren Diskussionen über Beauty-Ideen und Styling-Tipps Aufschluss über Trends geben, die direkt in die Produktentwicklung einfließen. Der Kunde profitiert von den Ideen und Gedanken anderer Menschen mit ähnlichen Interessen und die Firma kann sich besser auf die Wünsche der Kunden einstellen. Dazu ist es notwendig, dass sich Websites mit anderen Systemen integrieren lassen und so ein tiefes Informationsangebot bieten, das Optimierungstools ständig verbessern. Allein die Informationen über das Unternehmen und die Produkte auf der Website aktuell zu halten, reicht heute leider nicht mehr aus.
Dieselben Experten fordern, Content flexibel zu halten und zu verteilen, um jede Zielgruppe individuell zu erreichen. Was bedeutet das für die Unternehmen?
DANIEL KRAFT: Hier sind ganz klassische Marketingstrategien gefragt: Was ist meine Zielgruppe, was möchte ich transportieren. Hier gibt es etablierte und gut funktionierenden Modelle und Ansätze. Dabei ist wichtig, dass ich die Zielgruppe auch zeitlich definiere, das heißt ein Arzt ist morgens vielleicht Vater, tagsüber Arzt, nachmittags Golfer und am Abend Ehemann. Für jede Phase ist eine gezielte Ansprache notwendig und mittlerweile technisch auch möglich. Wir nennen das neudeutsch „Integration from anywhere to anywhere“, was soviel bedeutet, dass Inhalte aus verschiedenen Quellen personalisiert durch verschiedene Kanäle und Endgeräte zur Verfügung gestellt werden. So wird der Arzt kaum Zeit finden, den Golfnewsletter zu lesen, aber er wird die Golfcommunity besuchen wenn sie als mobile Anwendung auf dem iPhone oder Backberry verfügbar ist. Hier schlummern noch erhebliche Potentiale. Moderne Content Management Systeme sind ideale Werkzeuge, um dies inhaltlich und funktional flexibel zu halten und gleichzeitig die Konsistenz der Inhalte und des Corporate Designs zu wahren.
Lassen Diskussionen in Foren und Gruppen in Social Networks die Homepage mehr und mehr in den Hintergrund treten?
DANIEL KRAFT: Es ist heute bereits Alltag, dass Web 2.0-Features wie Blogs und Foren die Homepage mehr und mehr in den Hintergrund geraten lassen. Aber auch das Suchverhalten fördert diesen Trend. Wer geht denn heute noch von Anbieter zu Anbieter? Wir suchen oder greifen auf das Feedback anderer zurück. Umso wichtiger ist es, den Content flexibel zu halten und zu verteilen, um jede Zielgruppe individuell erreichen zu können, ob auf der Website, dem mobile Web, Social Networks oder als RSS Feed – nur so kommt der Content zum Kunden. Jede Webseite ist heute eine Homepage.
Welche Infrastruktur ist hier notwendig?
DANIEL KRAFT: Für den langfristigen Geschäftserfolg mit Hilfe von Web 2.0-Features sollten diese in die Content-Infrastruktur integriert werden. Oftmals stehen Web 2.0-Lösungen als Content-Inseln für sich alleine und sind nicht mit einem großen Wissenspool vernetzt, aus dem jeder die für ihn relevanten Daten schöpfen kann. Das ist ineffizient und hochgradig gefährlich. Vorrausetzung ist eine Lösung, die Foren, Blogs oder Wikis, Tagging und jede Art von Social Networking als integrierte Bausteine mit einheitlicher Benutzerverwaltung und übergreifender Suche in einem ECM-Gesamtsystem anbietet.
Um im Web 2.0 stark zu sein, braucht es innovative Triebfedern. Wie stellen Sie als Unternehmen sicher, dass Ihnen die Triebkraft nicht ausgeht?
DANIEL KRAFT: Wir haben das Unternehmen in den letzten Jahren ganz schön umgekrempelt. Neue Projekte werden in Foren erarbeitet, Experten präsentieren ihre Ideen in internen Blogs, Business Pläne werden in Wikis verfasst. Mitarbeiter haben Zugriff auf Information, jederzeit, und sowohl über das Web als auch über mobile Endgeräte. Wir predigen nicht nur 2.0, wir leben es in jeder Ecke unseres Hauses. In einer Partnerschaft mit der University von Waterloo erforschen wir, wie sich das Nutzerverhalten der Menschen im Internet in den nächsten Jahren verändern wird. Mit mehr als 3 000 Studenten und zahlreichen herausragenden Köpfen auf diesem Gebiet sind wir bereits heute dabei zu erkennen, was nach 2.0, 3.0 oder 4.0 kommen wird. Das Gespräch führte Irmtrud Munkelt