Messe im Wandel: Sind digitale Messeformate zukunftsreif?

Das Messegeschäft verändert sich. Während der Pandemie wurden unterschiedliche digitale Messeformate getestet, doch sind sie reif für die Zukunft? Eine Studie der Universität Münster in Kooperation mit der Koelnmesse liefert Einsichten, die die Studienmacherin hier erläutert.
Victoria Kramer
Victoria Kramer ist akademische Rätin am Institut für Marketing der Universität Münster, das von Professor Manfred Krafft geleitet wird. Sie forscht und lehrt im Bereich B2B-Marketing und Sales Management. (© Universität Münster )

Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie an das Thema Messe denken? Produkte und Dienstleistungen live erleben, sich mit den wichtigsten Persönlichkeiten der Branche treffen, Kund*innen und Anbieter*innen an einem Ort zusammenbringen? In der Tat wurden in der Vergangenheit physische Messen als Patentlösung der Messebranche gesehen. Jedoch sind in den letzten Jahren alternative Formate hinzugekommen.

Drei noch junge Alternativen zur Live-Messe sind diese: Digitale Formate, die ein physisches Messeerlebnis im virtuellen Raum abbilden. Hybride Formate, die das Erlebnis vor Ort durch digitale Elemente erweitern. Ganzjährige Messeplattformen, auf denen sich Aussteller*innen und Besucher*innen saisonunabhängig austauschen können.

Optimales Messeerlebnis aus Kundensicht gestalten

Doch sind solche Messeformate bereits zukunftsreif und welche Ziele verfolgen Aussteller*innen und Besucher*innen mit der Teilnahme an Messen? Wie können Messeanbieter ihre Kund*innen bestmöglich dabei unterstützen, ein optimales Messeerlebnis zu gestalten? Die Koelnmesse hat in den letzten Jahren eine Reihe solcher Formate getestet und dabei mit dem Institut für Marketing an der Universität Münster zusammengearbeitet.

Mithilfe von Befragungen von Aussteller*innen und Besucher*innen der Anuga, h+h cologne, spoga+gafa und spoga-horse wurden Antworten gefunden. Im Fokus standen dabei Entscheidungsträger*innen aus Management, Marketing und Vertrieb. Mit 261 Antworten aus unterschiedlichsten Branchen konnten vielfältige Perspektiven auf das Thema berücksichtigt werden. Ein Viertel der Befragten hat sich bei der letzten Messeteilnahme für das physische Messeformat entschieden – und die Ergebnisse verdeutlichen, woher diese Präferenz stammt.

Hybride Messen komplex und unübersichtlich

Das Stimmungsbild zu den drei betrachteten Formaten physisch, digital und hybrid zeigt, dass hybride Messen von zwei Dritteln der Befragten als komplex und unübersichtlich wahrgenommen werden. Rein digitale Formate konnten zwar bei circa 75 Prozent der Befragten aufgrund der Übersichtlichkeit und des Preisvorteils gegenüber dem physischen Format punkten. Jedoch überzeugte das physische Format insbesondere durch Komfort (65 Prozent), Übersichtlichkeit (78 Prozent) und Unterhaltungswert (91 Prozent).

Die Relevanz von physischen Messeformaten wird zudem an der Verteilung des Budgets sichtbar. So gaben die Befragten an, dass sie für Messen ungefähr das gleiche Budget wie für digitale Kanäle nutzen (circa 25 Prozent des Gesamtbudgets). Das physische Messeformat ermöglicht die Erreichung der wichtigsten Ziele der Messeteilnehmer*innen wie Marktüberblick, Informationsbeschaffung, Kontaktaufbau, die Pflege von Geschäftsbeziehungen und insbesondere die physische Präsentation beziehungsweise das Erleben von Produktneuheiten, was 70 Prozent der Befragten als sehr wichtig erachten. Die Befragten gaben zudem an, einen Dreiklang aus Kanälen für ihren Kundenkontakt zu nutzen: den persönlichen Kundenkontakt, soziale Medien und letztlich das physische Messeformat.

Ganzjährige Produktpräsentationen machen unabhängiger

Hat das digitale Messeformat dennoch eine Zukunft? Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass digitale Plattformen im Messekontext einen klaren Branchenzuschnitt erfordern und einen spürbaren Mehrwert liefern müssen. So gaben knapp 70 Prozent der Befragten an, aktuell keine zusätzlichen Investitionen für solche Formate tätigen zu wollen. Allerdings zeigt circa ein Drittel der Befragten Interesse an einer ganzjährigen Produktpräsentation, um saisonal unabhängiger zu werden. Solche Plattformen sollten insbesondere Features aufweisen, die weiterführende Informationen zu Marktüberblick und Trends liefern, oder sogar Bestellungen ermöglichen, wie diese Abbildung zeigt.

Digitale Messeformate Grafik
Quelle: Institut für Marketing der Universität Münster

Grundsätzlich ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Messeanbieter*innen, Aussteller*innen und Teilnehmer*innen für den Erfolg von neuen Messeformaten unerlässlich. Wenn alle Stakeholder in die Entwicklung und Gestaltung einbezogen werden, kann ein maßgeschneiderter Branchenzuschnitt erfolgen, der den Erfolg eines Messeformats bedeutend steigert. Im Sinne dessen ist überlegenswert, dass physische Messen in Zukunft um ganzjährige Plattformen erweitert werden, die zusätzliche Informationen zu Messen und Trends bereitstellen und Networking erleichtern.