Das war ein Jahr zum Einrahmen: Der erste große Marketing-Aufreger im Jahr 2024 war Künstliche Intelligenz (KI) – oder besser gesagt Künstliche Intelligenz im europäischen Umfeld. Während OpenAI, Microsoft, Google und Adobe die Hunde von der Leine ließen und eine Neuerung nach der anderen launchten, kam die europäische KI-Szene nicht in die Gänge. Ideen sind vorhanden, aber die Umsetzung scheint schwierig, wie Anfang des Jahres eine Studie des Applied AI Institute for Europe zeigte. Europäische KI-Startups beklagten darin eine mangelnde Finanzierung (51 Prozent) zu viel Regulierung (24 Prozent), begrenzte Rechenleistung (19 Prozent) und einen Mangel an qualifizierten Personal (18 Prozent). Aber zumindest regulatorisch kann Europa Big Tech die Stirn bieten.
Mit einem knapp 900 Seiten langen Gesetzestext wird KI in Europa seit diesem Jahr geregelt. Im Frühjahr 2024 wurde der AI Act der Europäischen Union vom EU-Rat verabschiedet, im August trat das Gesetz in Kraft. Darin wird der Umgang mit KI in Europa geregelt, was KI sicherer machen und das Vertrauen der Verbraucher*innen in die Technologie stärken soll. Hier ist man also auf einem guten Weg.
Blamage für Google
Als Holzweg entpuppte sich stattdessen die Privacy Sandbox von Google. Eigentlich sollten die darin enthaltenen Technologien die Drittanbieter-Cookies ablösen. Die Sandbox wurde als gewaltiger Wandel für die gesamte Werbelandschaft angepriesen. Werbetreibende indes sahen dies anders. Und auch das IAB Tech Lab wies im Frühjahr eindrücklich auf zahlreiche Mängel hin. Man hatte Bedenken in Bezug auf die Markensicherheit, die Transparenz, die Adressierbarkeit, die Berichtsmechanismen, Anzeigenwiedergabeprozesse, mögliche Gebotsentscheidungen, Bedenken hinsichtlich der Skalierung und vieles mehr. Das Ende vom Lied: Google sah sich in Anbetracht der Probleme genötigt, im Sommer den Rücktritt vom Cookie-Aus in seinem Chrome-Browser zu verkünden – ein indirektes Eingeständnis des Sandbox-Versagens. Doch weiter wie bisher wird es kaum laufen – viele Unternehmen haben bereits auf First-Party- oder sogar Zero-Party-Daten-Strategien umgestellt, setzen lieber auf kontextuelles Targeting als auf Datenkekse. Die Bedeutung der Cookies nimmt ab – ob mit oder ohne Google.
Apropos Google: Für das erfolgsverwöhnte Tech-Unternehmen gab es noch weitere schlechte Nachrichten in diesem Jahr: So prognostizierte Gartner, dass das Suchvolumen weltweit aufgrund von KI-Chatbots und anderen virtuellen Agenten bis 2026 um 25 Prozent sinken wird. Autsch. Gleichzeitig hat Google mit neuen, mächtigen Wettbewerbern zu kämpfen. Mit Perplexity experimentiert nun sogar eine KI-Antwortmaschine mit bezahlter Werbung. Und im Herbst dieses Jahres war klar: TikTok steigt ins Suchmaschinen-Marketing-Business ein. Erstmals ermöglicht es die Videoplattform, für seine Video-Suche Keyword-basierte kostenpflichtige Anzeigen zu erstellen. Die Platzierungen werden – wie man es von Google kennt – versteigert. Doch damit nicht genug: Außerdem bestätigte im September der europäische Gerichtshof eine Milliardenstrafe gegen Google – wegen Machtmissbrauch bei den Preisvergleichen. Weitere Verfahren sind anhängig, auch Apple wurde zu einer Steuernachzahlung in Milliarden-Höhe verdonnert und dem Facebook-Mutterkonzern Meta droht mittlerweile ebenfalls eine Strafzahlung der EU – hier geht es um Datenschutzverletzungen. Es hätte besser laufen können für Big Tech in diesem Jahr.
Wer die Wahl hat, hat die Qual
Doch es gibt eine vermeintliche Lichtgestalt, die den großen Plattformen zu altem Glanz verhelfen kann: Donald Trump könnte nach seiner gewonnenen US-Wahl Big Tech wieder aufpolieren, glauben viele Expert*innen. Mit Tech-Milliardär und X-Chef Elon Musk hat er sich tatkräftige Unterstützung an seine Seite geholt, um die Wirtschaft zu stärken und Regulierung abzubauen. Man darf gespannt sein, was dies für die weitere Entwicklung großer Plattformen und für die Regulierung Künstlicher Intelligenz in den USA bedeuten wird.
Zwischen all diesen bewegenden Momenten gab es aber auch ein beharrliches Grundrauschen, dass Marketer vor allem dann auffällt, wenn eine neue Software eingeführt werden muss. In Jahr 2024 zählte man weltweit erstmals mehr als 14.000 Marketing Tech Tools – über 3.000 Lösungen mehr als im vergangenen Jahr. Es war die zehnte Steigerung in Folge.
Übrigens: Aufmerksamkeit lässt sich auch ohne Technologien erzielen. Um für seine Schokoriegel-Marke zu werben, kaufte der US-amerikanische YouTuber und Unternehmer Mr. Beast Anfang Dezember in Berlin einen Edeka komplett leer. Unterstützt wurde er von weiteren YouTubern. Die Waren im Wert von mehr als 524.000 Euro spendete er an gemeinnützige Organisationen. Das Video von der Aktion ging viral und zählte bereits innerhalb der ersten fünf Tage mehr als 30 Millionen Aufrufe.
In diesem Sinne: Bleiben Sie inspiriert, haben Sie eine geruhsame Weihnachtszeit und kommen Sie gut ins Neue Jahr! Den nächsten Tech Tuesday lesen Sie am 7. Januar 2025.