Marketing Tech versus Klimawandel

Real-Time-Bidding, Machine Learning, Identitätsmanagement – modernes Digitalmarketing benötigt Strom und verursacht Treibhausgase. Doch die Marketing-Tech-Branche möchte grüner werden. Wird der CO₂-Fußabdruck jetzt ein neues Differenzierungsmerkmal für Marketer?
Digitale Displays sind das Damoklesschwert der Außenwerbung. Ihr Energieverbrauch verschlechtert den CO₂-Fußabdruck. (© iStockphoto)

„Bis zu 500 Tonnen Neuplastik werden jedes Jahr eingespart“, prangt es in fetten Versalien auf der Duschgel-Tube, „weil wir für unsere Verpackungen recyceltes Material nutzen“. Wow. Man fühlt sich plötzlich nicht nur erfrischt, auch die Laune hebt sich. Aber wie ist das eigentlich mit Werbung: Wann wird Nachhaltigkeit dort zum Differenzierungsmerkmal? Digitale Kampagnen verursachen keinen Plastikmüll – immerhin. Aber sie benötigen Energie. Und davon reichlich.

Der Ökostromanbieter Lichtblick hatte im vergangenen Jahr die Klimarelevanz digitaler Werbung anhand seiner eigenen Kampagne untersuchen lassen. Das Ergebnis: Die digitalen Displays für OoH-Werbung verursachten einen CO₂-Fußabdruck von rund 9 Tonnen und damit den Löwenanteil der Gesamtkampagne. Für Endgeräte wie Tablets, Smartphones und Desktop-PCs betrug der CO₂-Fußabdruck immerhin noch knapp 1,6 Tonnen, wobei rund 89 Prozent auf die Datenübertragung entfielen und 11 Prozent auf die Anzeige.

Emissionen in der Wertschöpfungskette reduzieren

Doch Marketing Tech verursacht nicht nur Emissionen, sondern kann auch helfen, sie zu senken. Wohin die Reise gehen kann, zeigt das Beispiel Lichtblick: So setzte der Stromanbieter bei seiner Kampagne auf einen programmatischen Einkauf der Flächen, um Endgeräte mit weniger CO₂-Emissionen zu bevorzugen und Streuverluste durch die Ausspielung außerhalb der Zielgruppe zu minimieren. Ein solches Vorgehen könnte Schule machen und wäre ein ganz neues Aussteuerungsmerkmal für digitale Werbung – und in diesem Zusammenhang auch ein lohnendes Produktversprechen für Marketing-Tech-Anbieter.

Die ersten Schritte werden jetzt gegangen: Vor wenigen Tagen hat die Mess- und Analyseplattform DoubleVerify in Kooperation mit Scope3 eine neue Methode zur Messung von CO₂-Emissionen digitaler Kampagnen gelauncht. Das System, das sich derzeit noch in der Entwicklung befindet, soll Werbetreibenden ein detailliertes Reporting liefern, das alle Einheiten der digitalen Wertschöpfungskette einzeln aufführt, die zur Emission einer Kampagne beitragen. Und erst kürzlich meldete der Marketing-Tech-Anbieter PubMatic, dass er alle seine Rechenzentren weltweit zu 100 Prozent mit erneuerbarer Energie betreibt. Anfang des Jahres trat das Unternehmen bereits der Organisation Ad Net Zero bei, die sich verpflichtet hat, CO₂-Emissionen bis Ende 2030 auf null zu reduzieren, die bei der Entwicklung, Produktion und Ausspielung von Werbung anfallen.

Sie sehen: Der CO₂-Fußabdruck hat das Zeug dazu, für Marketing-Tech-Anbieter zum Differenzierungsmerkmal zu werden. Und nicht nur das: Emissionsarme Kampagnen würden auch dem Image der Werbetreibenden guttun. Hoffen wir das Beste, denn dem Klima ist digitale Werbung nicht egal.

Schon gehört?

Das Metaverse könnte utopisch bleiben – meint der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW), wenn nicht die erforderliche digitale Infrastruktur geschaffen wird. Das Ressort Metaverse im BVDW hat daher Forderungen an Politik und Wirtschaft formuliert, um für Deutschland eine Vorreiter-Rolle im Web 3.0 zu erreichen. Auch eine umfassende Definition des vieldiskutierten Metaverse-Begriffes wurde jetzt vorgestellt. (Anmerkung der Redaktion: Hintergründe liefert die aktuelle Folge des Metaverse Podcast von absatzwirtschaft-Autor Thomas Riedel.)

Die Zusammenarbeit von Marken könnte im Web 3.0 wichtiger werden – zu diesem Schluss kommt The Drum in einem aktuellen Beitrag. Einer der Gründe ist das Ende der Drittanbieter-Cookies.

Kontextuelles Targeting könnte indes eine große Zukunft vor sich haben – darauf lässt eine aktuelle Studie von Integral Ad Science schließen. Kontextsensitive Anzeigen werden demnach um 0,6 Sekunden schneller wahrgenommen als kontextunabhängige Werbung. Die Kaufabsicht ist nach Betrachtung kontextsensitiver Werbung um 14 Prozent höher. Mit der Eye-Tracking-Technologie von Tobii wurde der Blick von Konsument*innen exakt nachverfolgt, wenn sie dasselbe Werbe-Design in verschiedenen Inhaltsumgebungen betrachteten.

Übrigens: Bisher verlinkt digitale Werbung auf digitale Inhalte. Warum nicht direkt auf das Produkt im Supermarkt? Eine auf Augmented Reality basierende In-Store-Navigation kann interessante Möglichkeiten eröffnen.

In diesem Sinne. Bleiben Sie inspiriert.

(kaz) ist Fachjournalist für digitales Marketing. Seit Mitte der Nullerjahre begleitet er mit seinen Artikeln die rasanten Entwicklungen der Online-Werbebranche. Der Maschinenraum der Marketing-Technologien fasziniert ihn dabei ebenso wie kreativ umgesetzte Kampagnen. Der freie Autor lebt und arbeitet in Berlin.