Innovation versus Verbot

Es gibt viele gute Ideen für Klimaschutz, Produktinnovationen rund ums E-Auto zum Beispiel. Werbeverbote dagegen gehören eher nicht dazu – gewinnen aber an Popularität.
Fast die Hälfte der Deutschen gibt an, diesen Herbst weniger Auto fahren zu wollen. Aber wird das wirklich passieren? (© Unsplash)

Energiekonzerne stehen in der öffentlichen Meinung derzeit nicht allzu gut da. Vielen Deutschen gelten sie als Krisenprofiteure, die mit einer Übergewinnsteuer belegt werden sollten. Vielleicht trommelt Shell deshalb in den sozialen Medien gerade so sehr für sein Venture Ubitricity. Und man muss sagen, da hatte jemand eine richtig gute Geschäftsidee – Shell war es nicht, die haben das Start-up erst 2021 übernommen: Straßenlaternen als Ladestationen für E-Autos. Vor wenigen Wochen sind in Berlin die ersten Ladepunkte in Betrieb gegangen; in Großbritannien gibt es schon über 5000. Mit britischem Humor hat Ubitricity seine Lösung für den deutschen Markt „Heinz“ genannt. Die Vermarktung der Heinze ist vor allem auf Kommunen ausgerichtet. 

Auf Fuhrparks von Firmen wiederum hat sich das Münchner Start-up ChargeX spezialisiert und eine intelligente Mehrfachsteckdose für E-Autos erfunden. Sie macht es möglich, dass aus einem Stromanschluss mehrere Ladepunkte werden. Für Unternehmen, die sich ärgern, weil sie schon Einfachsteckdosen haben, haben sich die Innovatoren eine coole Marketingaktion einfallen lassen: Wer seine Einfachsteckdose gegen einen Mehrfachladepunkt eintauscht, erhält bis zu 1000 Euro gutgeschrieben – Abwrackprämie mal anders. 

Sparzwang drückt auf nachhaltigen Konsum 

Trotz aller Neuerungen, der Individualverkehr ist auf dem Rückzug: 46 Prozent der Deutschen wollen diesen Herbst weniger Auto fahren, ergab eine Umfrage von Norstat im Auftrag der Agentur Pilot. Sie wollen sparen, auch beim nachhaltigen Einkauf, wie eine Studie aus dem Hause Burda verrät: 57 Prozent der Verbraucher*innen sagen, dass sie sich die oft höherpreisigen Produkte nicht mehr leisten können. Das sind schlechte Nachrichten nicht zuletzt für die Biobranche. 

Zurück zur Mobilität. Seit Oktober 2021 sammelt die Initiative „Ban Fossil Fuel Ads“ Unterschriften, um Werbung „für mit fossilen Brennstoffen betriebenen Luft-, Straßen- und Schiffsverkehr“ zu verbieten. Im Klartext: keine Werbung für Benziner, Flugreisen oder Kreuzfahrten mehr. Auch keine Werbung für Öl und Gas oder für Unternehmen, die diese Energieträger gewinnen, liefern oder vertreiben. Begründung: „Dank ihrer irreführenden Werbung und Sponsorings erschleichen sich Unternehmen für fossile Brennstoffe die soziale Akzeptanz.“ Als Beleg dient unter anderem eine Werbekampagne für den Audi A4 aus dem Jahr 2018. 

Fast 300.000 Unterschriften gegen fossile Werbung 

Es handelt sich um eine Europäische Bürgerinitiative, eine besondere Form der Petition, deren Anliegen die Europäische Kommission prüfen muss. Mehr als 284.000 Personen haben bereits unterschrieben. Unter den 40 Organisatoren sind Profis wie Greenpeace und der WWF. Die wissen natürlich, dass auch Unternehmen ein Recht auf Meinungsäußerung haben und dass es sehr schwer (und generell nicht wünschenswert) ist, diese zu beschränken. Sie wissen allerdings auch, dass sich mit Kampagnen gegen Konzerne Mitglieder*innen mobilisieren lassen. 

In der Sache stellen sich einige Fragen: Ist ein Elektro-SUV, der mit Kohlestrom läuft, umweltfreundlicher als ein kleiner Benziner? Wäre es gerecht, wenn Importeure von im Ukraine-Krieg dringend benötigtem Flüssiggas mit einem Werbeverbot belegt würden, Betreiber von Atomkraftwerken aber munter Anzeigen schalten dürften? Sollte Ubitricity nur deshalb nicht für seine Laternenladepunkte werben dürfen, weil die Marke zu Shell gehört? Wer entscheidet eigentlich, wo Information endet und Werbung beginnt?  

Liebe Initiator*innen, vielleicht nochmal drüber nachdenken, ob das wirklich so eine gute Idee ist mit der Petition. 

Zuletzt eine Notiz in eigener Sache: Beim Marken-Award der absatzwirtschaft in der Kategorie „Gesellschaftliches Engagement“ ist gestern mit der Ohhh! Foundation eine Organisation ausgezeichnet worden, die junge Menschen über Sexualität aufklärt, offen und mit viel Humor. Herzlichen Glückwunsch! Wer sonst noch gewonnen hat, steht hier

Eine gute Woche noch, und behalten Sie die Zukunft im Blick! 

(mat) führte ihr erstes Interview für die absatzwirtschaft 2008 in New York. Heute lebt die freie Journalistin in Kaiserslautern. Sie hat die Kölner Journalistenschule besucht und Volkswirtschaft studiert. Mag gute Architektur und guten Wein. Denkt gern an New York zurück.