Ich verrate, was ich verdiene

Die EU hat den nächsten Versuch für mehr Lohntransparenz gestartet. Das ist wichtig – weil das bisherige Gesetz eher verschmiertes Fenster als transparente Scheibe ist. Doch wir alle müssen mehr Bereitschaft für Transparenz zeigen. Unser Autor macht mit dieser Kolumne einen Anfang – und verrät, was er verdient.
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Das Entgelttransparenzgesetz der EU ist nicht nur ein Wortungetüm. Das Gesetz selbst ist kaum weniger ungeheuerlich. (© Shubham Dhage/Unsplash)

Die EU kämpft gegen ungleiche Bezahlung: Unternehmen, in denen es einen Gender Pay Gap von mehr als fünf Prozent gibt, müssen künftig Maßnahmen ergreifen, wie sie die Lücke schließen. Das ist die zentrale Maßnahme der EU-Transparenzrichtlinie. Sie wurde 2023 beschlossen und muss bis 2026 von den EU-Mitgliedsstaaten in nationale Gesetzgebung überführt werden.

Der Ansatz des Gesetzes ist klug: Denn so gibt es für Unternehmen auch abseits von Quotenregelungen und gesundem Menschenverstand Druck, Frauen gleichberechtigt in Führungspositionen zu integrieren: Denn wenn Frauen endlich mal annähernd so viel verdienen wie Männer, dann haben Unternehmen zwei Möglichkeiten: Entweder Frauen arbeiten überbezahlt in Positionen auf unteren Ebenen, damit es ein Lohngleichgewicht im Unternehmen gibt. Oder: Unternehmen bewegen sich in Richtung Gleichberechtigung in der Führungsebene. Mirijam Trunk, Chief Diversity Officer bei RTL, sagt auf LinkedIn deshalb: „Die Quotendiskussion in Unternehmen ist keine, die wir aktuell noch führen müssen.” Hat die Richtlinie nämlich mit ihrer Mission Erfolg, dann braucht es gerade keine Quote mehr. Die Richtlinie geht durchaus in die richtige Richtung. Doch es braucht mehr, wie ich gleich noch aufzeige.

Dazu sieht die Richtlinie unter anderem vor: Arbeitgeber müssen bei der Ausschreibung einer Stelle eine Gehaltsspanne nennen. Für Bewerbende wird zumindest der Gehaltskorridor also klar. Vorbildliche Unternehmen tun das schon heute, wie der Blick in Bewerbungsportale zeigt. Die anderen muss man zu ihrem Glück zwingen. Außerdem müssen Unternehmen regelmäßig Berichte zum Thema veröffentlichen.

Viele Unternehmen sind ausgenommen

Allerdings: Die Pflichten treffen nur Unternehmen mit mindestens 150 Mitarbeitenden. Damit krankt das Gesetz an einer Stelle, die schon beim Vorgänger ein Problem war: dem Entgelttransparenzgesetz.

Das Entgelttransparenzgesetz ist nicht nur ein Wortungetüm. Das Gesetz selbst ist kaum weniger ungeheuerlich: Schon der Name des Gesetzes sagt, dass es gerade nicht um Lohngerechtigkeit geht. Sondern schlicht um Transparenz. Klar ist aber: Wenn es tatsächlich gelingt, Transparenz herzustellen, dann wäre das ein großer Schritt in Richtung mehr Gerechtigkeit. Transparenz ist also die Basis.

Nur: Für wirkliche Transparenz sorgen die Regelungen des Entgelttransparenzgesetzes leider nicht. Zum einen, weil die Auskunftspflicht aktuell hier sogar erst ab 200 Mitarbeitenden greift. Zumindest ein kleiner Fortschritt ist die neue EU-Richtlinie mit der Zahl 150 also schon. Diese hohen Hürden gibt es aus zwei Gründen: Dem bürokratischen Aufwand für Unternehmen. Und, damit nicht klar wird, was der Einzelne verdient. Das bisherige Gesetz sieht vielmehr vor, nachvollziehbarer zu machen, was Gruppen verdienen. Warum das nicht in Unternehmen mit 100 oder 120 Mitarbeitenden gehen soll, weiß wohl nur der Gesetzgeber.

Selbst gleiche Jobtitel werden nicht immer als gleichwertige Tätigkeit akzeptiert

Das viel größere Problem ist aber die Auswahl der Vergleichspersonen. Mindestens sechs Personen des anderen Geschlechts muss der Arbeitgeber als Vergleichspersonen heranziehen. Diese Personen müssen gleichwertige Tätigkeiten ausüben, also einen ähnlichen Job in ähnlicher Erfahrungsstufe machen. Diese Auswahl bietet aber durchaus Interpretationsspielraum. Mir liegt eine Mail vor, bei der ein Arbeitgeber selbst eine Person mit exakt gleichem Jobtitel nicht als Vergleichsperson anerkannt hat – und die Anfrage zur Gehaltstransparenz daher gar nicht beantwortet hat. Selbst Unternehmen mit 500 oder mehr Arbeitnehmer*innen können sich also im Zweifel rauswieseln. Den Weg über Beschwerden und Klagen dürften im Zweifel die wenigsten Arbeitnehmenden gehen, um ein wenig mehr Gehaltstransparenz zu bekommen.

Dieses Problem wird leider auch die neue EU-Richtlinie kaum in den Griff bekommen. Aber immerhin kommen Unternehmen nicht umhin, den generellen Gender Pay Gap zu veröffentlichen. Also ja: Es sieht gut aus, dass die neue Richtlinie wirklich für mehr Transparenz sorgt.

Dieser übergreifende Ansatz ist hilfreich. Individuelle Situationen löst er nicht. Generell würde uns hierzulande ein transparenter Umgang mit dem Gehalt gut zu Gesicht stehen. Der Mangel an Transparenz ist bei uns kulturell tief verankert. Seien es Arbeitgeber, die es Mitarbeitenden verbieten, über Geld zu sprechen. Seien es Ehepaare, bei denen die Partner*innen nicht wissen, was der/die andere verdient. Oder sei es der Neid, der Spitzenverdienern bei Behörden oder öffentlich-rechtlichem Rundfunk entgegenschlägt, weil ihr Gehalt transparent veröffentlicht wird.

Ich möchte einen Beitrag zum nötigen Kulturwandel leisten. Deshalb mache ich mein Gehalt nun transparent. Wer wissen will, was ich verdiene, der erfährt es von mir persönlich. 

Was verdiene ich denn nun?

Warum ich die Zahl nicht einfach hier in die Kolumne schreibe? Für mich ist das auch ein Test, wie sehr Menschen an individuellen Gehältern interessiert sind. Ich will also herausfinden, wie viele Menschen mein persönliches Gehalt so interessant finden, dass sie mir dafür extra eine Nachricht schreiben. Ich vermute: einige. Gerade weil wir oft so ein Geheimnis aus Gehältern machen, ist das Interesse hoch. Mehr Transparenz würde dem Thema also auch ein Stück weit den Zauber nehmen.

Wer wissen will, was ich verdiene soll mir schreiben. Ich verrate es. Ganz ehrlich. Aber: Ich erwarte eine Gegenleistung. Im Gegenzug erwarte ich eine transparente Antwort. Wer mein Gehalt wissen will, der schreibt mir was er oder sie verdient. Genau, Transparenz ist keine Einbahnstraße. Also: schreibt mir. Bei LinkedIn, bei X oder per E-Mail. Auf eine Info zu Eurem Verdienst antworte ich mit meinem. Ich würde mich über viele Antworten freuen. Weil es zeigt, dass nicht nur ich ehrlich Bock auf Transparenz habe. Wenn es die Gesetzgeber schon nicht so richtig schaffen, dann können wir ja einen Anfang machen.

Auf eine transparente Woche!

(fms, Jahrgang 1993) ist UX-Berater, Medien- und Wirtschaftsjournalist und Medien-Junkie. Er arbeitet als Content-Stratege für den Public Sector bei der Digitalagentur Digitas Pixelpark. Als freier Autor schreibt er über Medien und Marken und sehr unregelmäßig auch in seinem Blog weicher-tobak.de. Er hat Wirtschafts- und Technikjournalismus studiert, seinen dualen Bachelor im Verlag der F.A.Z. absolviert und seit mindestens 2011 keine 20-Uhr-Tagesschau verpasst.