Gemischtes Doppel: Sanaz Hughes und Alexandra Wilke

Ihr Schmuck ist Made in Germany, ihre Ambitionen aber sind vor allem eins: international. Sanaz Hughes und Alexandra Wilke im Gespräch über die Marketing-Coups ihres Schmucklabels Rareté Studios.
Die Gründerinnen von Rareté Studios, Sanaz Hughes (links) und Alexandra Wilke, leben in Köln und Berlin. Für ihr Schmucklabel jetten sie regelmäßig um die Welt – zuletzt eben nach Paris. (© Stephanie Füssenich/ Vielen Dank an das 25hours Hotel Terminus Nord, Paris.)

Es ist Freitagmorgen, wir treffen uns im farbenfrohen 25hours Hotel Terminus Nord am Gare du Nord in Paris. Sanaz Hughes und Alexandra Wilke, die Co-Gründerinnen von Rareté Studios, sind in der französischen Hauptstadt, um ihr Schmucklabel zu promoten. Jedes Jahr zu Ende Januar und Anfang Juli, kurz vor den Haute-Couture-Schauen, öffnet in Paris der sogenannte Precious Room, ein Treffpunkt für die internationale Fachpresse, Einkäufer aus aller Welt – und natürlich diverse Jewellery Influencer*innen

Rund 30 junge Schmucklabels aus der Kategorie High und Fine Jewellery bekommen im exklusiven Palais Vivienne die Chance, sich zu präsentieren. Wer tiefer in die Geschichte von Rareté Studios eintaucht, versteht sofort, warum es Hughes und Wilke genau hierhin gezogen hat. Es ist weder Zufall noch das erste Mal, dass sie die große Bühne suchen. Und nach allem, was sie berichten, wird es auch nicht das letzte Mal sein. Ein Gespräch über Träume und Manifestationen, über Ziele und (geschickt eingefädelte) Marketing-Coups. 

Frau Wilke, Frau Hughes, wir treffen uns in Paris, weil Sie mit Ihrem Schmucklabel nicht allein den deutschsprachigen Markt ins Visier nehmen, sondern global denken. Bevor wir gleich tiefer einsteigen: Wie sind die Press Days gelaufen? 

Alexandra Wilke: Es war sehr interessant, wir konnten viele Erfahrungen sammeln. Etwa, worauf die internationalen Einkäufer achten oder welche Fragen sie stellen. 

Sanaz Hughes: Darunter war zum Beispiel eine Repräsentantin von Bloomingdale’s New York, die sich lange mit uns unterhalten und jede Menge Notizen zu unserem Schmuck gemacht hat. Kurz gesagt: Für uns kommt es auf die Qualität der Kontakte an. Und die war sehr gut. 

AW: Im Precious Room haben wir auch Katerina Perez endlich persönlich kennengelernt. Mit 435.000 Follower*innen ist sie die größte Influencerin im Luxusschmuck-Segment. Sie kam zu unserem Stand und hat eine Story gemacht. Wir haben die Gelegenheit genutzt, ihr unsere Story zu erzählen – und vor Ort eine kleine Kooperation mit ihr initiiert. 

SH: Auch wenn der asiatische Markt für uns aktuell noch keine Priorität hat, war es cool für uns zu sehen, dass auch ein japanischer Concept Store Interesse an unserem Schmuck hatte. 

AW: Mit dem Belonging Bracelet, unserem Hero-Produkt, stechen wir heraus. Mit grob facettierten Edelsteinen in Kombination mit 18 Karat Gold entsprechen wir nun mal nicht dem klassischen Fine-Jewellery-Look. Was ein Vorteil für uns sein kann, um die Aufmerksamkeit von Retailern im B2B-Bereich zu bekommen. 

Es ist nicht das erste Mal, dass Sie mit Rareté Studios im Ausland unterwegs sind. Erst kürzlich waren Sie in New York. Welchen Hintergrund hatte diese Reise? 

AW: Wir waren dort, um ein Gefühl für den amerikanischen Markt zu bekommen, der für uns sehr spannend ist. Und was den Bereich Consumer Brands angeht, gibt es in New York für Start-ups mehr verfügbares Kapital als in Deutschland. Das wollten wir einmal ausloten. 

Was wünschen Sie sich vom perfekten Investor oder der perfekten Investorin? 

AW: Kapital, Knowhow und Kontakte. In unserem Fall also jemand, der uns Türen zu Celebrities, Department Stores und Plattformen öffnen kann. 


©Stephanie Füssenich
Luxus funktioniert nicht nur im stationären Handel, davon sind Sanaz Hughes (links) und Alexandra Wilke überzeugt. Vor allem Millennials wie sie seien dafür offen, Echtschmuck im Internet zu kaufen. (© Stephanie Füssenich)

Kennengelernt haben sich die beiden im Sommer 2009. Nach ihren Praktika am Düsseldorfer Standort der Kommunikationsagentur Pleon (heute: Ketchum Pleon, Anm. d. Red.) zieht es Wilke für ihren ersten Job nach New York, Sanaz Hughes geht nach Darmstadt. Über Social Media verfolgen sie, was die jeweils andere macht, bis sie sich aus den Augen verlieren. 

Während Corona arbeiten beide unabhängig voneinander an ihren Schmuckideen: Hughes fertigt nach der Geburt ihres Sohnes Armbänder mit Buchstabenperlen aus Kunststoff, Wilke lässt zu diesem Zeitpunkt in ihrer Heimat Idar-Oberstein, einem der wichtigsten Welthandelsplätze für Edelsteine, Siegelringe fertigen. Über das gemeinsame Interesse finden sie wieder zusammen – und gründen schließlich im Januar 2022 Rareté Studios. 

Das erste Ziel: Buchstabenperlen aus 18 Karat Gold. “Die Idee war ein No-Brainer“, sagt Hughes heute. Bis die Farbe, Rundungen und der Guss der Goldperle perfektioniert sind, vergehen Monate. Noch bevor ihr Onlineshop im September 2022 live geht, shooten die beiden ihre erste Kampagne: Life of a New Yorker. In New York, wo Wilke zu diesem Zeitpunkt arbeitet und lebt, versteht sich. 


AW: Das High-Jewellery-Segment hat sich lange gegen E-Commerce gesträubt, aber die jüngere Generation will sich nicht nur online inspirieren lassen, sondern ist auch bereit, Echtschmuck im Internet zu kaufen. 

SH: Obwohl wir überwiegend online verkaufen, bauen auch wir persönliche Beziehungen auf. Wir führen Beratungsgespräche eben mal am Abend, mal morgens nach dem Kita-Drop-Off – je nachdem, wo auf der Welt unsere Kund*innen sitzen. 

AW: Wir sehen, dass der Luxusmarkt und die Bedürfnisse der Konsument*innen sich verändern. Diese Offenheit für neue Marken wollen wir nutzen.  

Was macht Rareté Studios aus der Marketingperspektive besonders? 

AW: In unserem ersten Jahr sind wir opportunistisch und intuitiv vorgegangen. Wir haben kein riesengroßes Marketingbudget und mussten deswegen kreativ sein, um schnell bekannt zu werden. Wir denken sehr mutig. Unsere Vision war von Anfang an groß. Wir wollen uns als globale Marke positionieren. Neben ersten Influencer-Partnerschaften und klassischer Pressearbeit kamen wir so schnell auf die Oscars. 

Welchen Impact hatten die personalisierten Armbänder, die Sie in den Goodie Bags der Nominierten platzieren konnten? 

AW: Die Aktion hat uns viel Presse und Aufmerksamkeit gebracht, von der Daily Mail bis zur australischen InStyle haben hunderte Medien über uns berichtet. Und natürlich hat diese Story unsere Glaubwürdigkeit gestärkt. Wir denken vom Ende her. Das Attraktivste im Luxussegment ist Hollywood. Sind Superstars. Da wollen wir hin. 

SH: Wir sind vom Typ her Menschen, die auch schon vor Rareté Studios nach den Sternen gegriffen haben. Wir haben in der Vergangenheit immer für Brands mit großer Strahlkraft gearbeitet. Und klar, wenn es beim ersten Mal gleich so gut funktioniert, dann hört man natürlich nicht auf zu träumen. Es gibt keine Grenze. 

AW: Nach der Oscar-Verleihung kam unter anderem Gala TV auf uns zu. Nach diesem Fernsehbeitrag haben wir einen klaren Traffic-Anstieg bemerkt. Einige Leute haben sich in unsere Armbänder schockverliebt, darunter Farina Opoku. Der bisher größte Peak kam, als die Influencerin, der mehr als zwei Millionen Menschen auf Instagram folgen, unser Love Produkt, das Belonging Bracelet, gefeaturt hat. 

Sind bereits weitere, ähnliche Ideen in Planung? 

AW: Viele Celebrities unterstützen junge Marken. Der US-amerikanisch-französische Schauspieler Timothée Chalamet war für uns ein Long Shot. Wir haben ihm über sein Management ein Armband als Geschenk angeboten und hingeschickt, aber wir wussten natürlich nicht, ob es ihm gefallen oder es tragen würde. Aber es hat ja funktioniert. Und auf ähnlichen Ideen denken wir gerade rum. 

Warum versuchen Sie als Unternehmen, das mit Made in Germany wirbt, nicht zuerst den deutschen Markt zu erobern und danach zu expandieren? 

SH: Wir haben das Gefühl, dass international die Bereitschaft, neue Labels zu featuren, größer ist. Natürlich bekommen wir auch mal einen Korb, das gehört eben dazu. 

AW: Go for it! Wenn du es nicht versuchst, dann funktioniert es auf keinen Fall. 


©Stephanie Füssenich
„Es gibt so viele Meilensteine, die es Wert sind, gefeiert zu werden“, meint Sanaz Hughes,
Co-Gründerin von Rareté Studios. (© Stephanie Füssenich)

Alexandra Wilke kommt aus Idar-Oberstein, einer Kleinstadt in Rheinland-Pfalz, aus der auch ein Großteil der Edelsteine kommt, die Rareté Studios verwendet, darunter Morganit, Turmalin und Achat. Sie ist Halb-Amerikanerin. Sanaz Hughes ist mit einem Briten verheiratet und hat persische Wurzeln. Sie lebt in Köln, wo das Unternehmen auch seinen Sitz hat. 


Während wir von einer Krise in die nächste steuern – Corona, Ukrainekrieg, Inflation, Gaza – und viele Menschen zum Sparen gezwungen sind, machen Sie in Luxusartikeln. Aus Ihrer bisherigen Erfahrung: Ist das Geschäft so krisensicher, wie Sie anfangs dachten? 

AW: Prognosen zeigen, dass der Luxusmarkt weiterwächst, aber auch das Segment Schmuck gewinnt dazu, vor allem online. Zusammen mit Nachhaltigkeit sind das die drei Wachstumsfaktoren. In den reiferen Märkten kann man ein Umdenken beobachten: Wenn es jede*r hat und alle tragen, verliert ein Luxusartikel gerade auf Social Media schnell an Wert. 

Die einzelnen Kollektionsteile kosten bis zu 160.000 Euro, Ihr Hero Piece, das Belonging Bracelet kostet zwischen 1200 und 4500 Euro. Rareté Studios richtet sich damit an eine durchaus zahlungskräftige Zielgruppe. Wer sind Ihre Kund*innen? 

SH: Unsere primäre Zielgruppe sind Millennial-Frauen, die mitten im Leben stehen, gut verdienen, wissen, was ihnen gefällt und sich das schon auch mal selbst kaufen. Aber auch die Gen Z oder reifere Frauen fühlen sich von unseren Produkten angesprochen. 

AW: Der Fine-Jewellery-Bereich ist unser Kerngeschäft, dort liegen wir zwischen 1000 und 10.000 Euro. Red Carpet ist eine sehr spitze Zielgruppe, da geht es dann um Kontakte zu Stylist*innen. 

SH: Die klassischen Schmuckmarken gehen auf die klassischen Lebensmomente: Verlobung, Hochzeit, Geburt. Inklusion ist für uns als Marke sehr wichtig. Aber es gibt so viel mehr Meilensteine, die man feiern kann und die es wert sind, gefeiert zu werden: eine Beförderung, eine Scheidung, ein Therapiebeginn. Diese neuen Themen können wir als junge Brand authentisch besetzen. Und müssen so auch nicht mit den SEO-Budgets der etablierten Anbieter konkurrieren. 

AW: Rareté Studios ist mehr als wir beide, es sind die Geschichten unserer Kund*innen, die uns oft auch inspirieren und auf neue Ideen bringen. 


©Stephanie Füssenich
„Wenn du es nicht versuchst, dann funktioniert es auf keinen Fall“, sagt Alexandra Wilke, Co-Gründerin von Rareté Studio (© Stephanie Füssenich)

Im Vertrieb liegt der Hauptfokus auf dem der Direktverkauf über den eigenen Onlineshop. Im November 2023 hat Rareté Studios gemeinsam mit dem Concept Store Apropos in Köln einen Pop-up-Store eröffnet. Mit dabei war auch wieder die Influencerin Farina Opoku, die dort ihre Favoriten präsentierte. Aber auch Prominente wie Bruce Darnell schauten vorbei. 


Wie zufrieden sind Sie mit dem Pop-up-Store? 

SH: Das war das erste Mal, dass wir unsere Produkte in einen Laden stellen und mit Kund*innen direkt ins Gespräch kommen konnten. Das war aus mehreren Perspektiven sehr cool: Natürlich haben wir Produkte verkauft, wir haben aber auch Leads generiert. Vor allem haben wir unsere Zielgruppe aber besser kennengelernt. 

AW: Wir würden das auf jeden Fall wiederholen. Der stationäre Handel hat als Ergänzung zum Onlineshop einen echten Mehrwert. Wer etwa einen Ring anprobieren kann, verspürt direkt eine ganz andere Bindung zum Schmuckstück. 

Welche Ziele haben Sie sich für Rareté Studios für das Jahr 2024 gesetzt? 

AW: Eine Sache, die wir auch dieses Jahr forcieren wollen, sind Partnerschaften mit Luxusmarken aus anderen Segmenten, zum Beispiel Automobil, Reisen oder Beauty. 2023 kam Ex Nihilo auf uns zu und wir haben gemeinsam ein schönes Storytelling rund um Parfum und Edelsteine entwickelt. Das hilft beiden Partnern, neue Zielgruppen zu erschließen. 

SH: Auf unserem Vision Board stehen noch eine Partnerschaft mit einem großen Retailer, ob stationär oder online, und ein Cover-Shooting für ein internationales Magazin. 

AW: Den ersten Boost konnten wir erreichen, aber da geht noch mehr – mit Celebrities, mit Influencer*innen und mit popkulturellen Momenten, die mit Luxus in Zusammenhang stehen. 

(© Stephanie Füssenich/ Vielen Dank an das 25hours Hotel Terminus Nord, Paris.)

(ccm, Jahrgang 1984) ist seit Oktober 2021 Chefredakteurin der absatzwirtschaft. Neben der Weiterentwicklung der journalistischen Marke verantwortet sie für die crossmediale Themenplanung sowie die Konzeption und Pilotierung neuer Formate mit Schwerpunkt Digital Storytelling. Aufgewachsen zwischen Südamerika und Deutschland lebt sie aktuell mit Freund und Kater in Köln.