Gemischtes Doppel: Peter Opdemom und Joshua Bach

Ungewöhnliche Wege sind beide gegangen. Peter Opdemom führt seine Telko-Karriere ins Ausland, Joshua Bach ist zur Gründung von Play The Hype der einzige Volljährige im Team. Ein Gespräch zwischen Vater und Sohn.
Seit einigen Jahren verbringen Joshua Bach (links) und Peter Opdemom regelmäßig gemeinsame Zeit in Hamburg. (© Jewgeni Roppel)

Wir treffen uns im Park Fiction, der in Hamburg besser bekannt unter dem Namen Palmen aus Plastik ist. Mittags um halb eins führt der Weg von der Reeperbahn vorbei an geschlossenen Nachtclubs und vielen Graffitis. Sie kommen im Doppelpack, gut gelaunt und neugierig auf das gesamte Team.

Der Blick geht von hier über den Hamburger Hafen, nahe der Elbphilharmonie, am Strandkai 1, liegt das Büro von Peter Opdemom, dem B2C-Vorstand bei New Work, dem Mutterkonzern von Xing und Kununu. Für das Shooting hat sein Sohn, Joshua Bach, einen Fuß- und einen Basketball mitgebracht. Es sind nicht irgendwelche Bälle; der Fußball ist ein signiertes Exemplar von der EM in Russland, der Basketball stammt aus der gemeinsamen Zeit in Seattle. Heute ist Bach Co-Geschäftsführer von Play The Hype.

Dies ist ihr bislang erstes gemeinsames Interview, das erste überhaupt für Bach. Und es findet kurz vor seinen Abschlussprüfungen statt. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung hat er seinen Bachelor bestanden.

Herr Opdemom, Herr Bach, lassen Sie uns zunächst einen Blick auf Ihre Beziehung werfen. Was konnten Sie vorleben?

Peter Opdemom: Was ich mitbekommen und verinnerlicht habe, ist eine Leistungsorientierung und -bereitschaft. Wenn ich etwas gut finde und Lust habe, hänge ich mich rein und möchte Erfolg haben. Mir ist Weltoffenheit wichtig und ich habe mir für unsere Familie immer gewünscht, dass sie diese kennenlernt. Auch deshalb habe ich meine Konzernkarriere etwas ungewöhnlich gestaltet.

Joshua Bach: Je älter ich werde und je mehr Vergleichspunkte ich habe, desto klarer wird mir, dass ich super dankbar sein kann. Privilegierter kann man kaum aufwachsen. Mir hat es sehr gefallen, dass wir Bildung und Sport gefördert haben, aber auch deine Neugierde hat mir imponiert.

Joshua Bach ist mit seinen 22 Jahren bereits Chef von mehr als 35 Angestellten. ©Jewgeni Roppel

PO: Auch mit über 50 kann man nochmal die Branche wechseln. Diese innere Flexibilität ist mir persönlich wichtig. Genauso wie die Familie. Ich habe für meinen Beruf sicherlich einiges geopfert, aber ich habe mich zumindest bemüht, ein guter Vater zu sein. Was auch immer das heißen mag.

JB: Ich habe mir einiges von dir abgeguckt. Ein bisschen deinen Humor; du machst oft gute, flache Witze. Auch in unserer Gestik und Mimik sind wir uns ähnlich. Du hast mir beigebracht, wie wichtig Netzwerken ist und dass man damit am besten früh anfängt.


Peter Opdemom blickt auf mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Telekommunikationsbranche zurück. Während seiner Zeit bei der Deutschen Telekom und ihren Auslandsgesellschaften in den USA und Europa, sowie später bei Congstar, leitet er divers aufgestellte Teams im Bereich E-Commerce. Seine Leidenschaft für B2C Marketing bringt der promovierte Volkswirt aktuell in seine Rolle als Vorstand B2C der New Work SE für die Marken Xing und Kununu ein.

Joshua Bach ist einer der fünf Gründer von Play The Hype. Die auf die Gen Z spezialisierte Agentur bietet Unternehmen strategische Beratung in den Bereichen Konzeption, Kreation und Distribution von (Bewegtbild-)Inhalten auf Social Media, unterstützt durch Marktforschung. Zum Zeitpunkt ihrer Gründung ist Bach der einzige Volljährige. Den dafür aufgenommenen Kredit können sie nach wenigen Monaten zurückzahlen. Inzwischen arbeiten bei PlayTheHype mehr als 35 Angestellte.


Hat es mehr Vor- als Nachteile, wenn der eigene Vater in der Branche unterwegs ist?

JB: Ob wir in derselben Branche sind, darüber kann man diskutieren.

PO: Sind wir jetzt faktisch nicht mehr. Es gab eine Phase bei der Telekom, da war ich verantwortlich für Marketing, Vertrieb und Service. Jetzt habe ich diese operative Verantwortung nicht mehr, bin in einer eher strategischen Vorstandsrolle tätig. Aber ich habe auf jeden Fall eine Schwäche für Marketing und die hast du mitbekommen.

JB: Es hilft, wenn der Vater einem gelegentlich Tipps geben oder Updates aus der Branche schicken kann, aber ich habe auch noch einige andere Mentoren, auf die ich im Zweifel häufiger zurückgreife.

PO: Nach mehr oder weniger vier Jahren ernsthaftem Agenturgeschäft haben sie natürlich eine gewisse Souveränität und Routine, sodass es gar nicht mehr nötig ist. Ich stelle inzwischen eher fest, dass die Beratung in die umgekehrte Richtung funktioniert.

JB: Ich war schon immer entschlossen, mir eine eigene Karriere aufzubauen, ein eigenes Netzwerk, mit meinen Leistungen zu überzeugen – ohne familiäre Verbindungen. Da ist es dann sogar ganz praktisch, dass wir nicht denselben Nachnamen haben.

PO: Am Anfang war es mir nur wichtig, dass Neil [Heinisch], Jakob [Neise], Béla [Herlyn] und Joshua keine Kardinalfehler in Bezug auf Unternehmensrisiken passieren. Ich habe dafür gevotet, dass sie so schnell wie möglich aus ihren Einnahmen eine GmbH gründen, sich einen Steuerberater und eine Berufshaftpflicht suchen.


Joshua Bachs Interesse für die Wirtschaft wird früh geweckt. Durch die BCG-Initiative Business@ School wird dem damals 16-Jährigen klar, dass er sich gut in verschiedene Geschäftsmodelle reinversetzen kann und ein Verständnis für Strategie und Erfolgsfaktoren mitbringt. So lernt er unter anderem für einen Sieg beim bundesweiten Wettbewerb About You-Gründer Tarek Müller kennen.

Über den eigenen YouTube-Kanal lebt Bach schon seit seiner Kindheit seine kreative Ader aus. Er will sich in Form von Videos ausdrücken, das ist ihm wichtig. Als TikTok, und damit einhergehend Short Vertical Video viral geht, gewinnt er innerhalb weniger Monate 40.000 Follower*innen. Peter Opdemom ist zu dieser Zeit Geschäftsführer bei Congstar. Die Marke ist als eine der ersten auf TikTok aktiv. Das ist einer der Gründe, weshalb Bach TikTok von Anfang an auch als Marketingplattform auf dem Schirm hat.


Joshua, Play The Hype wirbt mit „Marketing direkt vom Schulhof & vom Uni-Campus“. Im Mai 2023 ­werden Sie Ihr Studium abgeschlossen haben. Wird es Zeit, den Claim zu ändern?

JB: Wir wachsen mit der Firma und müssen den Claim auf jeden Fall früher oder später ändern. Bald ist niemand mehr vom Schulhof, außer vielleicht unser Community-Manager. Wir schauen gerade, wohin es visionstechnisch mit Play The Hype geht. Unser Anspruch ist es, unabhängig von den Gründern, als seriöse Agentur wahrgenommen zu werden. Wir streben außerdem an, uns als Unternehmensgruppe einen Namen zu machen.

PO: Ich finde es super, dass er es geschafft hat, Uni und Beruf zusammenzubringen. Diese Doppelbelastung war nicht einfach.

Peter Opdemom hat nach 20 Jahren in der Telekommunikation nochmal die Branche gewechselt. ©Jewgeni Roppel

JB: Am Anfang war es ein Pain, aber wir haben uns eingegroovt. Es geht alles nur mit Kommunikation und Kompromissen. Das war ein wichtiges Learning aus den letzten drei Jahren.

Dass er Sie damit stolz gemacht hat, kann ich sehen. Aber hat er Sie damit auch überrascht?

PO: Das hat er. Ich versuche mich natürlich in die andere Seite hineinzuversetzen: Ist man als Unternehmen bereit, einer Agentur, die aus Teenagern besteht, eine Kampagne zu übertragen und dafür echtes Geld zu bezahlen? Es ist nicht so einfach, jemanden zu überzeugen und keine Selbstverständlichkeit in diesem Alter. Sie hatten ein gutes Konzept, aber auch Timing und Glück, weil TikTok zunehmend in aller Munde war. Und diese Lücke war nicht durch klassische Agenturen zu schließen, weil das Spezialwissen damals gefehlt hat.


Bach steht irgendwann vor der Entscheidung Kreation oder Beratung. Er entscheidet sich für Letzteres. Eine Bewerbung beim Kölner Unternehmen Fond of für die selbst ausgedachte Stelle als „Head of TikTok“ scheitert. Er sucht weiter nach Verbündeten – und findet Neil Heinisch via LinkedIn.

Ihr gemeinsames Interesse: die Gen Z. Ende 2019 treffen sich die beiden, merken schnell, dass sie gerne etwas gemeinsam auf die Beine stellen wollen. Dass ihre Väter sich kennen, wissen sie zu diesem Zeitpunkt nicht. Auf Workshops folgt 2020 ein Auftritt bei der OMR folgt die Hashtag-Challenge für Funny Frisch auf TikTok, die bis heute als Benchmark gilt. Play The Hype ist seither nicht mehr aus der Agenturlandschaft wegzudenken.


Wie nehmen Sie Werbung wahr?

PO: Da ich nun nicht mehr operativ verantwortlich bin, habe ich einen breiteren Blick, was in der Branche passiert oder was andere Marken machen. Früher war das anders. Da habe ich viel Zeit in die eigenen Kampagnen investiert.

Was ist Ihnen zuletzt aufgefallen?

PO: Für mich sind heute neue Formen der Werbung wie Employer Branding relevant. Was erwarten Auszubildende von ihrem Beruf? Da passiert was, siehe Deutsche Bahn. Das Machtverhältnis ändert sich und das spürt man.

JB: Genau dazu beraten wir auch aus Gen-Z-Perspektive.

Gibt es auch Werbung, die nervt?

JB: Ich zahle 16 Euro pro Monat für YouTube Premium. Ich weiß, das ist sehr viel. Aber ich bin da wie der Großteil meiner Alterskohorte: Ich versuche Werbung so weit wie möglich zu vermeiden, ich versuche sie so schnell wie möglich zu überspringen. Werbung, die subtiler ist, die sich mit dem Verbraucher und der Community auseinandersetzt, kommt bei mir viel besser an. Marken, die verstehen, dass es keine transaktionale, sondern eine wertschöpfende Beziehung braucht, sind megaerfolgreich und bekommen hunderte Millionen Aufrufe für quasi umsonst.

Haben Sie ein Beispiel?

JB: Als Cases finde ich auf TikTok Duolingo und Ryanair gelungen. Ich fand aber auch die OOH-Kampagne von Scalable Capital sehr cool, die Dojo Berlin Anfang des Jahres gemacht hat.


Sie vergleichen ihre Screentime. Es ist Bachs erstes großes Interview. Man merkt, wie er in diesem Moment entspannt. Opdemom will auch wissen, welche Medien ich nutze. Es ist eine sehr offene Atmosphäre. Bach sagt, er habe viele digitale Abos, nutze Social Media zur Inspiration und komme auf eine Screentime von rund sieben Stunden, was nur leicht über dem Altersdurchschnitt liegen würde. Opdemom zappt gerne überall mal rein – außer bei Instagram, das nutzt er nach eigener Aussage eher am Wochenende.


Kununu gibt es seit 15 Jahren, die Plattform hat momentan einen großen Zulauf. Wieso müssen Marketer sie auf dem Schirm haben?

PO: Die Tatsache, dass es eine Plattform gibt, auf der sich Unternehmen und Arbeitnehmer*innen in einem geschützten Raum darüber austauschen können, was gute Arbeit ist und wie man sie besser machen kann, ist ein neues Phänomen – und eine Riesen-Chance. Als Unternehmen muss man wissen, dass sich drei von vier Bewerber*innen auf Kununu unabhängig darüber informieren, wie das Betriebsklima ist. Es ist unumgänglich, dass man sich seine Bewertungen anschaut und sich mit der Frage auseinandersetzt, wie man wahrgenommen und dargestellt wird.

Mit welchem Thema beschäftigen Sie sich gerade am intensivsten?

PO: Mit dem Thema Gehalt. Geld und Entlohnung werden immer transparenter. Dass sich Menschen offen über Gehälter austauschen, hat es vor fünf Jahren noch nicht gegeben. Aggregierte Gehaltsdaten führen dazu, dass sich die Informationsasymmetrie auflöst, was wiederum vielen Menschen hilft, sich selbstbewusster in Vorstellungsgesprächen zu präsentieren.

JB: Vor allem auf TikTok geht so etwas viral. Es gibt Kanäle, auf denen es nur um Equal Pay und die transparente Kommunikation von Gehältern geht. Für Arbeitnehmer*innen ist das einfach super. Und für uns Arbeitgeber heißt es, dass man fairer entlohnen muss.


Berufliche Plattformen wie Xing und LinkedIn bezeichnet Opdemom als „absolute Errungenschaft des 21. Jahrhunderts“, wobei Xing ein Unternehmen sei, das sich auf den deutschsprachigen Raum fokussiere. Auf beide könne man als Berufsstätiger für den täglichen Gebrauch auch verzichten, viele der 45 Millionen erwerbstätigen Deutschen nutzten die Netzwerke so auch nicht aktiv und soziale Netzwerke zur reinen Selbstdarstellung würden zunehmend kritisch gesehen. Nur er persönlich – wie viele Marketers – wolle die Tools nicht missen. Beide Unternehmen kommen bei Kununu auf mehr als vier Sterne, wobei PlayTheHype knapp vor New Work liegt: 4,4, zu 4,3.


PO: Noch liegt die Markenbekanntheit von Kununu hinter der von Xing. Aber wir erleben ein sehr schönes Momentum. In den ersten zwei Monaten des Jahres konnten wir so viele Datenpunkte sammeln wie noch nie. Das ist ein echter Trend im Sinne der Shared Economy. Wir möchten diese Transparenz rund um Workplace Insights und Gehaltsangaben weiter forcieren.

JB: Ich bin mit 22 Jahren verantwortlich für mehr als 35 Menschen. Für mich ist das Thema persönliche Weiterentwicklung sehr wichtig, dass ich in diese Rolle reinwachse. Dazu kommen Megatrends wie KI oder die politischen Spannungen zwischen den USA und China, die einen Einfluss auf TikTok haben könnten. Und klar, ich beschäftige mich intensiv mit der Gen Z. Nicht nur, weil wir Marketing für sie machen, sondern auch, weil ich mich als Arbeitgeber mit ihr auseinandersetzen muss. Wir stellen schließlich ein.

Glauben Sie die Generationen sind so unterschiedlich, wie sie manchmal dargestellt werden?

JB: Ich glaube nicht wirklich. Gen X ist dafür bekannt, dass sie sehr eigenständig, individualistisch und relativ liberal ist. Und da ist die Gen Z ähnlich, vielleicht etwas kollektivistischer und sozialer aufgrund der Digitalisierung.

PO: Es gibt typische Generationenunterschiede, dann ist es aber auch nichts Besonderes. Das betrifft zum Beispiel die Sprache. Aber es gibt auch ein paar besondere, die durch den Zeitgeist geprägt sind. Die tiefere Auseinandersetzung mit der Frage, was ich im Leben will, wird erzwungen durch die Krisen, die wir erleben. In den 80ern gab es nur „Wir steigern das Bruttosozialprodukt“; das war nicht nur ein Lied, sondern das Credo der meisten.

JB: Ich persönlich ticke da ein bisschen anders. Mir ist das Thema finanzielle Stabilität nicht so wichtig. Ich bin risikoaffiner, weil ich es mir, dank der harten Arbeit meiner Eltern, erlauben kann. Als Unternehmer kann ich allerdings nicht repräsentativ für den Rest der Gen Z sprechen. Dass ich Risiken eingehen möchte, hat auch viel mit Unternehmertum zu tun. Abgesehen davon sind wir uns öfter ähnlich als verschieden.

PO: Joshua hat andere Herausforderungen. Er ist international aufgewachsen, in einem Akademikerhaushalt, und hat damit vieles schon erlebt. Ich bin ein sozialer Aufsteiger und wollte es mit geistiger Arbeit nach oben schaffen. Das sind Antriebsfedern, die ihm fehlen. Wenn wir mal Auseinandersetzungen haben, was nicht so oft vorkommt, dann geht es meistens um Verbindlichkeit, Verlässlichkeit und Einsatzbereitschaft. Ich habe den Eindruck, Joshua hat deutlich mehr Talente in die Wiege gelegt bekommen als ich. Es wundert mich manchmal, dass er nicht noch mehr draus macht. Weil er es könnte.

JB: Ist ja auch eine Frage, ob es immer so gut ist, ob es immer mehr geben muss im Leben? Ob das einen langfristig glücklich macht. Ich habe verstanden, dass Marketing eines der wichtigsten unternehmerischen Skills ist, die du haben kannst, aber ich werde nicht für immer in der Werbebranche bleiben. Das weiß ich auf jeden Fall.

(ccm, Jahrgang 1984) ist seit Oktober 2021 Chefredakteurin der absatzwirtschaft. Neben der Weiterentwicklung der journalistischen Marke verantwortet sie für die crossmediale Themenplanung sowie die Konzeption und Pilotierung neuer Formate mit Schwerpunkt Digital Storytelling. Aufgewachsen zwischen Südamerika und Deutschland lebt sie aktuell mit Freund und Kater in Köln.