Was bedeutet Social Commerce Ihrer Meinung nach?
PAUL MARSDEN: Das ist ganz einfach. Das bedeutet: Wenn User einkaufen, ob nun in einem Geschäft oder online, es zu ermöglichen, Social Technology zu nutzen, so dass sie sich mit anderen vernetzen können. Social Intelligence ist das, was uns Menschen besonders macht. Es ist unsere Fähigkeit, von anderen Menschen zu lernen. Ebenso funktioniert es umgekehrt: Menschen zu ermöglichen, dort einzukaufen, wo sie sich vernetzen. Wo sind die Leute also verbunden? In Social Media – auf Facebook, über Blogs, auf Twitter – das bedeutet schlicht, es ihnen zu ermöglichen, genau dort zu einzukaufen. Ihnen die Möglichkeit zu bieten, Impulskäufe zu tätigen und zwar auf Basis der Gespräche, die sie online führen.
Wo stehen wir im Moment? Wenn Sie beide Seiten abwägen müssten – welche ist derzeit am wichtigsten?
MARSDEN: Also, ich denke, das Wichtigste ist, den Menschen zu ermöglichen, sich dort miteinander zu vernetzen, wo sie einkaufen. Das macht mehr Sinn – aus heutiger Sicht. Das bedeutet, Gruppenkäufe zu ermöglichen, Rabatte für Massenware zu erhalten, oder ganz einfach Bewertungen und Kommentare auf einer Website zu verfassen. Das hilft den Menschen, klügere Entscheidungen zu treffen. Deshalb denke ich, es handelt sich hierbei um einen umfassenderen und außerdem etablierteren Markt. So gibt es Lösungen wie etwa Bazaarvoice and Power-Reviews, die es mit ihrer Software den Nutzern ermöglichen, sich zu vernetzen, wo sie kaufen. Und zwar, indem sie E-Commerce-Sites mit Social Technology ausstatten. Damit haben sie eine neue Art digitaler Verkaufsplätze geschaffen.
So gibt es mit Facebook vernetzte Ankleideräume: Hier kann man sein neues Outfit an Facebook schicken, der Spiegel ist in Wirklichkeit eine Facebook-Kamera, und es dort veröffentlichen und Feedback erhalten: Soll ich oder soll ich es lieber nicht kaufen? iGroups von Apple ist ein Projekt, das Konsumenten ermöglicht, innerhalb einer Shopping Mall gemeinsam einzukaufen. Es ist einfach sinnvoll, Menschen dabei zu helfen, klügere Kaufentscheidungen zu treffen. Sie haben Zugriff auf Social Technology, sie haben Mobile Technology und sie haben Local-Aware-Technology: Ich rede in diesem Zusammenhang auch vom SoLoMo-Konsumenten.
Welche Software-Lösungen gibt es grundsätzlich, die bereits den Markt prägen?
MARSDEN: Ganz wichtig zunächst einmal ist: Meiner Ansicht nach geht es nicht um Technology, sondern um Menschen. Das ist einer der Fehler, die im Social Commerce gemacht werden, dass wir es als technologische Herausforderung sehen, statt eine psychologische oder gar auf Menschen bezogene. Ich denke, dass gerade die Unternehmen, die ihre Kunden am besten verstehen, auch das Rennen machen. Es geht letztlich um das Kundenerlebnis und die Technologie kann dabei helfen. Übertragen gemeint, sollte man also mit einem Lächeln gegenüber dem Kunden starten und nicht mit der Software.
Aber wer sind nun die Anbieter in diesem Markt? Da gibt es vier Gruppen: Einmal diejenigen, die Social Lösungen für E-Commerce-Seiten anbieten, wie Bazaarvoice und Power-Review. Hier geht es um Amazon-mäßige Lösungen, die helfen sollen, die Conversion zu steigern.
Eine zweite Gruppe investiert in digitale Social-Lösungen am Point of Sale. Diese Anbieter entwickeln Facebook-Applikationen, QR-Codes oder Augmented Reality übrigens auch für den stationären Handel und nicht nur für E-Commerce-Sites.
Dann gibt es die, die E-Commerce-Funktionalitäten für Social Sites anbieten, was im Moment allerdings vor allen Dingen Facebook bedeutet. Hier gibt es deutsche Technologieanbieter wie Shopshare, Ondango, und Sellaround, die diese Shop-Widgets weiterentwickeln, die in Facebook und anderen Seiten wie Blogs eingebettet werden können.
Und zu guter Letzt geht es um Gruppeneinkäufe. Hier geht es um eventbasierten Social Commerce. Hier gibt es Gilt, Groupon und Livingsoacial.
Und ich denke, Shoppingclubs, bei denen man Mitglied ist und einen monatlichen Beitrag bezahlt, werden noch stärker kommen. In den USA ist das Birchbox. Einen Klon davon gibt es bereits in Deutschland und heißt Douglas Box.
Das Gespräch führte Bernhard Steimel.
Fortsetzung folgt.
Paul Marsden ist von Hause aus Psychologe und Marktforscher. Seine Themen sind digitales Marketing, Social Media und Reputation Management. Er entwickelt für seine Kunden digitale Marketingmaßnahmen und PR-Strategien. Marsden leitete die London School of Economics, die den Zusammenhang zwischen Word of Mouth Reputation und Wachstum validiert hat. Er war zudem Mitgründer von zwei erfolgreichen Online-Marketing-Agenturen.