Durchhalten in unsicheren Zeiten

Nachhaltigkeit braucht Innovation, die aber hat es in diesen Tagen nicht leicht. Risikokapital ist knapp geworden, wie das Beispiel eines Münchener Start-ups für Solarautos zeigt. Außerdem: Was Nachhaltigkeit für Bürger*innen bedeutet und welche Anforderungen an kreislauffähige Produkte gestellt werden.
Nachhaltigkeit und Innovation sind so wichtig wie nie, aber auch so schwierig. (© Unsplash)

Das Drama begann kurz vor dem Jahreswechsel. Unter dem Hashtag #savesion initiierte das Münchner Start-up Sono Motors eine verzweifelte Aktion, um sein Zukunftsprojekt zu retten, das Solarauto Sion. Dessen Batterie soll sich durch Sonneneinstrahlung aufladen, mit Hilfe von Siliziumzellen, die in der Karosserie verbaut sind. Solar statt Lack – ein ziemlich genialer USP. Allerdings ist die Serienfertigung sehr kapitalintensiv, weshalb die junge Firma wiederholt Schwierigkeiten bei der Finanzierung hatte, so auch jetzt.  

„Unsere Berater*innen sagen uns, wir sollen das Auto nicht bauen, das Unternehmen umstrukturieren und 70 Prozent unserer Mitarbeitenden entlassen“, schreiben die Gründer. „Aber für uns ist das einfach keine Option.“ Jetzt kommt es auf die Community an: Wenn bis zum 26. Januar mindestens 3500 Sions geordert und angezahlt werden, will Sono Motors weitermachen wie bisher. Klappt es nicht, wird auf B2B-Solarlösungen umgesattelt. Bei Redaktionsschluss waren 1352 Autos bestellt. 

Was aus Start-ups zur Elektromobilität wurde 

Ursprünglich wollte Sono Motors den Sion übrigens schon 2019 auf den Markt bringen, wie in einem Artikel der absatzwirtschaft vom November 2018 nachzulesen ist. Der Blick ins Archiv zeigt auch: Von den vier weiteren damals vorgestellten Elektroauto-Start-ups ging eines pleite, Uniti aus Schweden. Der Schweizer Microlino hingegen wird produziert, und von e.Go Life aus Aachen gibt es bereits ein Nachfolgemodell, den e.wave X. Am weitesten hat es die chinesische Marke Nio gebracht, die im vergangenen Jahr mehr als 122.000 Fahrzeuge auslieferte und an der New Yorker Börse NYSE notiert ist. Insgesamt keine schlechte Bilanz. 

Engagement von VC-Investor*innen nimmt ab 

Doch die Zeiten für Innovator*innen werden härter. Wie die „Venture capital market study 2022“ von PwC darstellt, bremst die Unsicherheit seit dem Ukrainekrieg spürbar das Engagement deutscher Investor*innen: Bei mehr als 40 Prozent der Deals, die vor Februar 2022 vereinbart, aber noch nicht abgeschlossen waren, wurden nachträglich die Bewertungen der Start-ups gesenkt oder die Bedingungen für Investor*innen anderweitig verbessert. Für die Zukunft erwarten 60 Prozent, dass sich weitere Finanzierungsrunden verzögern, und 54 Prozent, dass die Volumina schrumpfen werden. Da ist es nur ein schwacher Lichtblick, dass das Interesse an Investitionen in Climate Tech deutlich gestiegen ist. Kostenlos herunterladen lässt sich die Studie hier.  

Sustainability-Wettbewerb für Start-ups 

Je knapper das Kapital, desto wichtiger sind Wettbewerbe wie die DGNB Sustainability Challenge 2023. Die DGNB, das ist die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen. Es geht also um Ideen und Innovationen mit Bezug zur Bau- und Immobilienwirtschaft, das wird aber recht breit ausgelegt. Zu den Gewinnern im Vorjahr gehörten ein Forschungsteam am KIT, das einen CO2-negativen Holzersatzstoff entwickelt hat, und ein Berliner Start-up mit einem Stromspeicher auf Wasserstoffbasis. Eine Bewerbung ist bis zum 17. März 2023 möglich.  

Almanach von Ipsos zeigt Nachhaltigkeit aus Bürgersicht 

Auch wenn wir lieber nach vorn blicken als zurück – für Kommunikationsstrateg*innen könnte ein Blick in den Online-Almanach von Ipsos nützlich sein. Im Kapitel „Talking Sustainability“ ist nachzulesen, welchen Stellenwert Bürger*innen dem Thema Nachhaltigkeit beimessen, womit sie den Begriff assoziieren und welche Anliegen sie priorisieren: Ganz oben rangiert für die Weltbevölkerung der Zugang zu preiswerter und sauberer Energie, gefolgt von Armutsbekämpfung und Gesundheitsschutz. Der Kampf gegen den Klimawandel kommt auf Platz fünf, die Klimaresilienz von Städten erst auf Platz 13. „Für die Menschen steht im Vordergrund, was ihren Alltag prägt“, folgert Ipsos. Veränderung lasse sich leichter erreichen, wenn abstrakte Anliegen wie Dekarbonisierung mit konkreten Vorteilen wie Jobsicherheit verknüpft würden. Eine Erkenntnis, die sich wohl auch auf andere Change-Prozesse übertragen lässt. 

Normen für die Kreislaufwirtschaft 

Stichwort Veränderung: Nächste Woche veröffentlicht das Deutsche Institut für Normung (DIN) die Ergebnisse der Normungsroadmap Circular Economy, an der 550 Fachleute fast ein Jahr gearbeitet haben. Wer frühzeitig wissen will, welche Anforderungen kreislauffähige Produkte künftig erfüllen müssen, kann online an der Präsentation teilnehmen. Programm und Registrierung hier.  

Eine gute Woche noch, und behalten Sie die Zukunft im Blick! 

(mat) führte ihr erstes Interview für die absatzwirtschaft 2008 in New York. Heute lebt die freie Journalistin in Kaiserslautern. Sie hat die Kölner Journalistenschule besucht und Volkswirtschaft studiert. Mag gute Architektur und guten Wein. Denkt gern an New York zurück.