Digitale Skills gesucht 

Fachkräfte sind auch im Marketing Mangelware, das verdeutlicht eine exklusive Stellenmarktanalyse. Und ein Blick in die Praxis zeigt, dass die Ansprüche hoch sind. Zunehmend sind digitale Skills bei Bewerber*innen gefragt, insbesondere bei den Berufseinsteiger*innen.
Die Anforderungen an neue Mitarbeitende schließen zunehmend digitale Fähigkeiten ein. (© Unsplash/Tim Mossholder)

Es ist ein Dilemma. Immer mehr Kampagnen sollen in kürzerer Zeit geplant, gebucht und optimiert werden. Gleichzeitig steigen die Ansprüche der Kunden an Aussagekraft und Datenqualität der Reports und nicht zuletzt sollen die Budgets hocheffizient eingesetzt werden. Zum Glück gibt es Marketing Tech. Doch Technologien benötigen Menschen, die sie beherrschen. Die Alternative ist ein Outsourcing an darauf spezialisierte Dienstleister, doch auch hier ist es wichtig, nicht die Steuerungskompetenz aus den Händen zu geben. Technisches und toolspezifisches Know-how ist immer gefragt – und zwar in den eigenen Reihen. Vermutet werden die gesuchten Talente vor allem bei den Berufseinsteiger*innen. 

So ist die Nachfrage nach „Young Professionals“ in der Berufsgruppe Marketing, PR, Design/Multimedia in den letzten drei Jahren deutlich gestiegen. Dies wird durch eine exklusive Auswertung von Stellenmarkt-Anzeigen deutlich, welche die Employer Branding Beratung index für die absatzwirtschaft erstellt hat.

„Trotz der drohenden Rezession suchen Unternehmen und Agenturen händeringend Nachwuchskräfte in den Bereichen Marketing, PR, Werbung, Design und Multimedia – von Januar bis Oktober dieses Jahres sogar mehr als im selben Zeitraum des Vor-Corona-Jahres 2019“, erläutert Jürgen Grenz, CEO der index Gruppe. Das Beratungsunternehmen hat dazu die Stellenmarktdaten von 190 Printmedien, 226 Onlinebörsen, dem Stellenportal der Bundesagentur für Arbeit sowie 136.000 Firmenwebsites analysiert. Wurden von Januar bis Oktober 2019 noch 5001 Young Professionals in dieser Berufsgruppe gesucht, waren es im gleichen Zeitraum 2022 bereits 16.163. 

Die Suche nach Nachwuchskräften in Marketing, PR, Werbung und Design lassen sich Firmen einiges kosten. Der Analyse zufolge gaben 7130 Firmen von Januar bis Oktober 2022 in diesem Bereich geschätzt rund 11,9 Millionen Euro für Stellenanzeigen aus. Beachtlich ist dieser Wert vor allem vor dem Hintergrund der sich bereits in diesem Zeitraum aufbauenden Inflation und der zunehmenden Angst vor einer drohenden Rezession.  

Vor der Corona-Pandemie waren deutlich weniger Firmen auf der Suche nach Berufseinsteiger*innen im Marketingumfeld. Sie gaben in den ersten drei Quartalen 2019 „nur“ rund 8,2 Millionen Euro für die Nachwuchssuche in Stellenanzeigen aus. Naturgemäß waren insbesondere in den Branchen Information und Kommunikation in diesem Zeitraum die meisten Stellen zu besetzen. 

Metropolen ziehen Nachwuchs an 

Regional weist die Nachfrage erhebliche Unterschiede aus. Während zum Beispiel in den ersten drei Quartalen 2022 in Mecklenburg-Vorpommern 50 Stellen im Marketing ausgeschrieben waren, lag diese Zahl beim Ranking-Anführer Bayern bei 4355 Stellen.  


 

Erwartungsgemäß bieten Bundesländer mit großen Ballungsräumen die meisten freien Marketing-Stellen für Berufseinsteiger*innen. Insbesondere in Bayern, NRW und Berlin werden viele Stellen ausgeschrieben. Schlusslichter sind Sachsen-Anhalt, das Saarland und Mecklenburg-Vorpommern.  

In den Städten führt Berlin das Ranking vor München und Hamburg an. „In den Metropolen bieten neben Medienhäusern vor allem Agenturen und Start-ups spannende berufliche Einstiegsmöglichkeiten“, so Grenz. 

Diese Skills sind heute im Marketing gefragt 

Doch nicht nur der Bedarf an Berufseinsteiger*innen ist groß. Auch insgesamt sind Fachkräfte im Marketing stark gesucht, wobei die Anforderungen an die neuen Mitarbeitenden zunehmend digitale Fähigkeiten einschließen. „In den Datenanalysen für unsere Kunden sehen wir, dass die Unternehmen einen immer größeren Fokus auf digitale und analytische Skills bei den Stellenausschreibungen im Bereich Marketing setzen“, sagt Christian Vetter, CEO und Gründer von HRForecast. Diese Tendenz spiegele sich sowohl in den Jobs, welche die Unternehmen ausschreiben, als auch in einzelnen gesuchten Skills wider.  

Bei den Skills setzen die Unternehmen demnach ihren Fokus auf Kenntnisse im Bereich CRM, SEO, Google Analytics, Marketing Automation, Datenvisualisierung, Targeting, User Experience sowie agile Methoden. „Allerdings sehen wir auch eine erhöhte Nachfrage nach Skills wie Content Marketing, Storytelling und Customer Journey“, so Vetter. Diese „Hard Skills” lassen sich dem Experten zufolge wunderbar mit „Soft Skills” wie analytisches und strategisches Denken, Kreativität, Kommunikationsfähigkeit und Teamarbeit verbinden. 

Die gewünschten Fähigkeiten sind nicht zuletzt den zu besetzenden Jobs geschuldet. Auch hier ist die Digitalisierung prägend. Vetter zufolge ist in den vergangenen zwei Jahren die Nachfrage nach Fachkräften im Bereich Marketing Automation, Big-Data-Analysen und SEO gestiegen. Zunehmend würden auch Jobs und Skills an Bedeutung gewinnen, die den verschiedenen Marketingkanälen unmittelbar zugeordnet werden können: E-Commerce, E-Mail-Marketing, Mobile Marketing, Influencer Marketing, Omnichannel Marketing sowie Growth Hacking. 

Verständnis für die Martech Landschaft nötig

Bei der Personalberatung Five14  beobachtet man ebenfalls eine wachsende Nachfrage nach digitalen Fähigkeiten im Marketing. Der Dienstleister wird im Normalfall mit der Besetzung von Führungspositionen beauftragt, besetzt aber auch Spezialist*innen, insbesondere, wenn Kunden komplette Teams aufbauen. Dann beraten die Personalexpert*innen im Aufbau und der Organisationsstruktur. „Im Bereich des digitalen Marketings sind vor allem Projektmanagementfähigkeiten und ein tiefes Verständnis für die Martech-Landschaft gefordert. Letztere erfordern Kenntnisse und Potenziale für den Bereich Digital Analytics, Growth Hacking, Content Creation und Distribution, SEO und User Experience“, sagt Harald R. Fortmann, Executive Partner bei Five14. Neben und im Zusammenspiel mit diesen und anderen (digitalen) Skills sind dem Experten zufolge vor allem Kollaborationsfähigkeit, Führen durch Coachen – was auch für Projektleiter*innen und nicht nur für Führungskräfte gelte – sowie Neugier als Soft Skills gefragt. 

Bei den Anforderungen gibt es feine Unterschiede zwischen den Agenturen auf der einen und den Unternehmen auf der anderen Seite. Die Fähigkeiten und Potenziale im Bereich Projektmanagement sind naturgemäß bei Agenturen noch stärker im Fokus als bei den Werbetreibenden, die zumeist auch mehr Mitarbeitende auf Projekte einsetzen können. „Während auf Agenturseite vor allem beratende Kompetenzen benötigt werden, um zum Beispiel den Bereich Analytics bei einem Kunden zu installieren und zu implementieren, so sind es auf Werbetreibenden-Seite eher die Umsetzungskompetenzen inklusive Low Code Kenntnissen“, sagt Fortmann. 

Anbieter versperren sich Zugang zu Talenten selbst 

Auch für Marketing-Positionen, die sich an Berufseinsteiger*innen richten, sind solche Skills gefragt. Doch nach wie vor ist es so, dass der Marketing-Nachwuchs an den Hochschulen und Universitäten nur rudimentär auf die digitale Arbeitswelt vorbereitet werden. Je mehr Praxiserfahrung Nachwuchskräfte bereits während des Studiums sammeln, umso begehrter sind sie am Arbeitsmarkt, da sie dann schnell einsetzbar sind. „Hier ist nicht außer Acht zu lassen, dass es für junge Menschen immer schwieriger wird, Praktikums- und Werksstudententätigkeiten zu ergattern und so ihre Kompetenzen aufzubauen. Dass Unternehmen und vor allem Agenturen sich hier den Zugang zu Nachwuchstalenten versperren, haben viele leider nicht auf der Agenda“, sagt Fortmann. Und auch beim Marketing-Nachwuchs sind starke Projektmanagementfähigkeiten gefragt. Erste Erfahrungen mit digitalen Tools oder Marketingmaßnahmen sind vorteilhaft – aber sollten diese fehlen, so lässt sich dies Fortmann zufolge sehr gut mit ausgezeichneten Soft Skills ausgleichen.  

Neben den „klassischen“ Anforderungen sind viele neue Themen entstanden. Vor allem der Bereich Datensouveränität im Zusammenhang mit Analytics und Tracking ist laut Fortmann ein komplexes Feld geworden. Dem Experten zufolge gilt aber auch hier: Je mehr Potentiale ein Mitarbeitender mitbringt, desto mehr ist er oder sie für die stetige Veränderung der Arbeitswelt und vor allem des Marketings gerüstet. Hier sei Adaption und stetiger Lernwille an erster Stelle zu nennen, sagt Fortmann. HR-Experte Vetter sieht es ähnlich: „Digitale, analytische und technische Skills besitzen; den Überblick behalten, Informationen filtern; neue Dinge schnell ausprobieren, aus Fehlern lernen – das sind die Anforderungen, die aus unserer Sicht jeden Job heutzutage prägen. Auch für das Marketing sind sie essenziell.“ 

(kaz) ist Fachjournalist für digitales Marketing. Seit Mitte der Nullerjahre begleitet er mit seinen Artikeln die rasanten Entwicklungen der Online-Werbebranche. Der Maschinenraum der Marketing-Technologien fasziniert ihn dabei ebenso wie kreativ umgesetzte Kampagnen. Der freie Autor lebt und arbeitet in Berlin.