Cultural Marketing: Wie gut geht Hip-Hop-Marketing im Basketball? 

Seit fast zwei Jahren hat sich die Basketball-Bundesliga (BBL) dem Hip-Hop verschrieben – eine Verbindung zweier Subkulturen, die ohnehin eng zusammengehören. Wie gut funktioniert die Kombination bislang?
Im April 2021 hat sich die Basketball-Bundesliga ein neues Corporate Design und den Claim "Welcome to Wow" gegeben. (© BBL/Screenshot: aw)

“Die erste deutsche Profiliga, die auf ‘Cultural Marketing’ setzt”, so hieß es über die Basketball-Bundesliga im April 2021. Damals wurde bekannt, dass die Hip-Hop-Agentur The Ambition künftig für das Marketing der Liga verantwortlich ist. 

„Basketball ist Hip-Hop – und umgekehrt. Weltweit ist (wohl) kein Musikgenre derart mit einer Sportart verwoben”, sagt Lukas Robert. Er ist Leiter Verlagswesen und Digitales beim Basketball-Magazin BIG und seit vielen Jahren eine laute (und wo nötig kritische) Stimme im deutschen Basketball. Für die Verbindung der Liga mit dem Hip-Hop hat er wenig kritische Worte übrig. Der mit dem Hip-Hop-Marketing ins Leben gerufene Claim „Welcome to Wow” bündelt die Aktivitäten der Liga zum Thema. „Das ist gut und auch glaubwürdig”, sagt Robert. Doch die Corona-Pandemie habe die Liga ein Stück weit gebremst. 

Mehr Medienpräsenz mit Springer-Streaming-Dienst DYN? 

Spannend wird dahingehend auch sein, wie sich die Bewegtbildpräsenz und -wahrnehmung der Liga entwickelt. Ab der Saison 2023/2024 hält der von Axel Springer mitfinanzierte Streaming-Anbieter DYN die Übertragungsrechte an der Liga. Experte Robert erklärt: „Die Liga (und ihre Klubs) haben sich Sporttainment zum Ziel gesetzt.” Vollumfänglich erfülle man das noch nicht: „Es steht und fällt mit dem (Personal-)Aufwand und der Positionierung der Klubs.” Der ist durchaus unterschiedlich. Positiv sieht er dabei größere Clubs wie Bayern München und die Telekom Baskets Bonn, aber auch eine eher kleinere Mannschaft wie die Hakro Merlins Crailsheim. Diese Clubs seien in „Modernität, Außenwirkung und Marketing sicher äußerst nah an der popkulturellen Entwicklung.” Es muss also gar nicht immer das große Budget sein, um die Strategie erfolgreich umzusetzen. 

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Kern der Maßnahmen der Liga sind ein eigenes Corporate Design inklusive Sounddesign. Außerdem wurden die Awards, unter anderem für den wertvollsten Spieler, im „Welcome to Wow”-Design neu gestaltet. Dazu kommen Twitch-Talk-Formate und eine eigene Hoodie-Kollektion in Zusammenarbeit mit der Marke Soulrange. Die Liga tut also einiges, um die Verbindung aus Basketball und Hip-Hop glaubwürdig darzustellen. „Wichtig zu verstehen ist, dass es am Ende auf die Summe der Teile und vor allem die Ausdauer der Liga ankommt, ob nachhaltige kulturelle Kredibilität entsteht oder nicht”, sagt Phillip Böndel, CEO von der verantwortlichen Agentur The Ambition. Mit den bisherigen Maßnahmen zeigt er sich – wenig überraschend – sehr zufrieden: „Der Zuspruch seitens Spielern und Fans ist immens. Alle spüren, dass sich die Liga zunehmend modernisiert und damit attraktiver für neue Zielgruppen wird.” 

Von Autowäscher zum Bling-Bling-Millionär 

Hip-Hop und Basketball passen wohl auch deshalb gut zusammen, weil sich in beiden Subkulturen die Geschichte vom Autowäscher zum Bling-Bling-Millionär hervorragend erzählen lässt. Gerade in den USA wimmelt es sowohl in der Eliteliga NBA wie auch im Hip-Hop nur so von Stars, die in Trailerparks oder anderen sozialen Brennpunkten groß geworden sind und es heute „geschafft” haben. Die Verbindung beider Welten wird durch die Protagonisten ganz bewusst erzeugt: „Zahlreiche (NBA-)Spieler pflegen einen engen Draht zu den Stars der Musikszene und umgekehrt”, erklärt Lukas Robert und hebt dabei Rapper Drake hervor. Der taucht besonders als Edel-Fan des kanadischen NBA-Teams Toronto Raptors auf und überschreitet mit Sitzen direkt am Spielfeldrand auch mal die Grenze des Fantums – zum Beispiel wenn er den Raptors-Trainer im laufenden Spiel die Schultern massiert oder sich sichtbar über Gegner amüsiert. Auch gab es mit Jay-Z einen prominenten Rapper, der Anteile an einem NBA-Team hielt. Generell profitieren von dieser Aufmerksamkeit beide Seiten. Nicht zuletzt deswegen dürfte es immer wieder der Fall sein, dass Stars der Rapszene direkt am Spielfeld Platz nehmen. „Diese organischen Verbindungen sind die perfekte Basis für den Aufbau kultureller Glaubwürdigkeit”, sagt Phillip Böndel. 

In diesem Ausmaß findet das in Europa nicht statt. Dennoch ist die Musik mit dazugehöriger Kultur auch in den Hallen hierzulande präsent. Und: Wie in den USA gibt es auch in Deutschland Spieler, die selbst musikalisch aktiv werden. Da wäre zum Beispiel der deutsche Ex-Nationalspieler Nino Garris, der schon 2005 einen Song mit Sido aufgenommen hat. Über dessen sexistischen Text lässt sich kaum streiten (enthält er doch Zeilen wie „Ich fick dich nicht, wenn Du ein Kilo zu schwer bist”). Aber die Verbindung zwischen beiden Kulturen zeigt er doch eindrücklich. 

Abhängig von Erfolgen der Nationalmannschaft 

So glaubwürdig die gesamte Verbindung aber ist, umso schwerer hat es der Basketball, sich in Deutschland in der Breite durchzusetzen – obwohl in den vergangenen Jahren so viele Deutsche in der NBA gespielt haben wie nie zuvor.  Aus Sicht von Lukas Robert hängt die Durchdringung vor allem an der Nationalmannschaft: „Der Erfolg des Nationalteams kann in der Breite der Bevölkerung beflügeln und neue Türen öffnen, muss aber natürlich auch befeuert und bespielt werden.” Nach den Erfolgen der Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft 2022 im eigenen Land war so ein kurzzeitiges Aufflammen der Euphorie sichtbar – wohl auch weil die Finalspiele der deutschen Mannschaft im Free-TV liefen. 

Doch darauf habe man in Deutschland nicht gut genug aufgebaut, so Robert: „Die Klubs müssen aber viel aktiver werden. Auf ihren eigenen Plattformen, in allen Medien, in ihrem regionalen Umfeld. Da passiert wenig.” Das liege weniger an den Personen in den Geschäftsstellen, sondern an den Möglichkeiten. Bei den meisten Clubs seien maximal vier Mitarbeitende im Bereich Medien oder Marketing. Robert weiß wovon er redet, hat er doch selbst als Ein-Mann-Presseabteilung bei einem Zweitligaclub angefangen.  

Dass das Potenzial vorhanden ist, dabei sind sich die beiden Basketball-Enthusiasten aber einig. Böndel erklärt: „Basketball ist die vermeintlich coolste Sportart der Welt. Nirgends sonst sind Musik, Fashion und Sport derart eng miteinander verbunden. Diese Verbindungen sichtbar zu machen und dem Sport dadurch die gebührende Bühne zu bauen, ist genau das, was bisher gefehlt hat. Wir freuen uns, dass die Liga uns in diesem Kontext ihr Vertrauen geschenkt hat.”  

(fms, Jahrgang 1993) ist UX-Berater, Medien- und Wirtschaftsjournalist und Medien-Junkie. Er arbeitet als Content-Stratege für den Public Sector bei der Digitalagentur Digitas Pixelpark. Als freier Autor schreibt er über Medien und Marken und sehr unregelmäßig auch in seinem Blog weicher-tobak.de. Er hat Wirtschafts- und Technikjournalismus studiert, seinen dualen Bachelor im Verlag der F.A.Z. absolviert und seit mindestens 2011 keine 20-Uhr-Tagesschau verpasst.