BMW Motorrad: „Ganz neue Möglichkeiten des Storytelling“

Digitalisierungsschub während der Corona-Pandemie: Wie Sebastian Iffert, Managing Director der Agentur Lobeco, den mutigen Strategieschwenk des Kunden BMW Motorrad erlebt hat.
BMW Motorrad (© BMW Motorrad)

Herr Iffert, Sie betreuen mit der Agentur Lobeco die Social-Media-Aktivitäten von BMW Motorrad. Im vergangenen Jahr wurden alle neuen Modelle Corona-bedingt nicht mehr auf den Leitmessen, sondern in den digitalen Kanälen eingeführt – ganz schön viel Verantwortung für Lobeco, oder?

Sebastian Iffert: Das kann man wohl sagen, immerhin standen 17 neue Bikes auf dem Programm. Corona hat für viel Unsicherheit gesorgt, weil man ja nicht wusste, wie lange sich der Ausnahmezustand hinzieht. Wir haben dann gemeinsam mit BMW Motorrad den Plan erarbeitet, sämtliche Launches digital zu inszenieren. Dass BMW Motorrad den Mut dazu hatte und uns eine Schlüsselrolle anvertraut hat, war schon beachtlich. Aber entsprechend hoch war natürlich auch der Druck.

Was bedeutete das für die Konzeption der Werbemaßnahmen?

Social Media stand plötzlich im Mittelpunkt, und alle Unternehmensbereiche von BMW Motorrad schauten darauf. Alle Maßnahmen wurden von Social Media aus gedacht. Wir standen also nicht mehr vor der Aufgabe, Bestandsmaterial auf die sozialen Kanäle anzupassen. Wir konnten mit der Überlegung starten, wie etwas optimal auf Instagram oder TikTok wirken konnte. Das eröffnete uns ganz neue Möglichkeiten des Storytelling.

Mit der Präsentation eines Modells auf einer Leitmesse hat man einen offiziellen Starttermin mit großem Medieninteresse. Wie schafft man es, in den sozialen Medien für dieselbe Aufmerksamkeit zu sorgen?

Man muss schon in den Wochen davor beginnen, einen Spannungsbogen aufzubauen. Wir haben im Vorfeld unter anderem Details des neuen Modells vorab verraten oder auch Experten interviewt. Und dann ging – wie auf einer klassischen Messe – die große Show los.

Brauchten Sie viel bezahlte Werbung, um die Launch-Termine zu pushen?

Paid gehört dazu, aber für den Großteil des Traffics haben wir organisch gesorgt. Facebook beispielsweise eignet sich sehr gut für die Promotion von Live-Events. Aber vor allem hat uns der Erfolg von TikTok überrascht, wo wir mittlerweile rund 770.000 Follower haben. Wir haben dort Anfang September sogar zum ersten Mal eine Live-Premiere eines neuen Modells durchgeführt.

Worin bestand für Lobeco die größte Herausforderung?

In den Live-Produktionen. Lobeco hatte vorher kein Studio, daher haben wir ein provisorisches in einer Etage unseres Gebäudes eingerichtet. Wir haben eigens Equipment besorgt und eine etwa fünfköpfige Live-Einheit gegründet. Das alles war schon ziemlich anspruchsvoll, zudem mussten wir verschiedene Zeitzonen bedienen. Aber es hat sich auch in anderer Weise für Lobeco gelohnt: Wir haben viele Anfragen von anderen Unternehmen bekommen, die auch Livestreams wollen.

Aber bei aller Euphorie: Die physische Präsenz auf den Messen dürfte auch Vorteile haben.

Natürlich. Die Motorräder anfassen zu können, Probefahrten zu machen – all das geht ja nicht. Zudem fehlt der Community-Aspekt: Ganz anders als Autofahren ist Motorradfahren ein sehr kommunikatives Thema, die Szene tauscht sich gern aus. Fußball im Stadion ist auch besser als im Fernsehen.

Sebastian Iffert von Lobeco: „Der Druck war hoch.“ (Foto: Lobeco)

BMW Motorrad hat entschieden, die Digitalstrategie auch über die Pandemie hinaus zu verfolgen. Wie geht es nun weiter?

Es wird natürlich auch wieder Messen für BMW Motorrad ­geben. Es gilt jetzt, die Erfahrungen des vergangenen Jahres umzusetzen und physische und digitale Welt möglichst gut zu verknüpfen. Hybrid-Formate werden künftig eine große Rolle spielen.

Muss man eigentlich Biker sein, um für BMW Motorrad zu arbeiten?

Nein. Ich fahre selbst kein Motorrad, überlege aber jetzt, den Führerschein zu machen, weil ich mich immer stärker dafür begeistere.

BMW Motorrad wurde beim Marken-Award 2021 in der Kategorie „Beste digitale Markenführung“ ausgezeichnet.

(kj, Jahrgang 1964), ewiger Soul- und Paul-Weller-Fan, hat schon für Tageszeitungen und Stadtmagazine gearbeitet, Bücher über Jugendkultur und das Frankfurter Bahnhofsviertel geschrieben und eine eigene PR-Agentur betrieben. 1999 zog es ihn aus dem Ruhrgebiet nach Frankfurt, wo er seitdem über Marketing-, Medien- und Internetthemen schreibt, zunächst als Ressortleiter bei „Horizont“, seit 2008 als freier Journalist und Autor. In der Woche meist online, am Wochenende im Schrebergarten.