Auslaufmodell Strichcode

Ende 2027 soll ein zweidimensionaler Code den allbekannten Strichcode auf Konsumgüter-Verpackungen ersetzen. Was diese Änderung fürs Marketing bedeutet.
Mehr als 6.000.000.000 Artikel werden über den Strichcode jeden Tag von einem Scanner erfasst. (© Unsplash)

Jeder kennt dieses Piepen an der Supermarktkasse, wenn ein Strichcode über den Laserscanner gezogen wird. Der Strichcode repräsentiert eine einfache Zahlenfolge, die das Produkt nach weltweiten Standards identifizierbar macht, so auch für die Supermarktkasse. Mehr als sechs Milliarden Artikel werden jeden Tag von einem Scanner erfasst. Erstmals im Jahr 1974 auf einer Kaugummipackung aufgebracht, sind die schwarzen Streifen heute jedoch nicht mehr zeitgemäß.

Die Anforderungen der Konsumgüterindustrie sind gestiegen. Hersteller, Händler, Logistiker und Endkund*innen benötigen unterschiedliche Informationen zu einem Produkt, die sie digital erfassen möchten – Informationen, die ein Strichcode allein nicht liefern kann. Die Produktverpackungen mit diversen unterschiedlichen Codes zu bedrucken, gilt als schlechte Alternative. Slogans, Markenbotschaften und Produktinformationen könnten im Code-Dschungel leicht untergehen. Und dennoch machen es manche. Die Lösung des Problems soll ein einziger, neuer Code für alles sein. „Wir überführen den eindimensionalen Strichcode sukzessive in einen 2D-Code. Dieser 2D-Code wird ab 2027 an jeder Supermarktkasse ablesbar sein“, kündigt Maximilian Rams, Identification & Data Carrier Expert bei GS1 Deutschland, an.

GS1 ist die globale Standardisierungsorganisation, die sich um die Codierungen auf Produktverpackungen von Konsumgütern kümmert. Das Unternehmen mit Sitz in Köln ist ein klassischer Hidden Champion und in 115 Ländern aktiv. Allein in Deutschland zählt man 90.000 B2B-Kunden, weltweit sind es über zwei Millionen Firmenkunden, die den zurzeit noch aktuellen, von GS1 standardisierten, eindimensionalen Strichcode einsetzen. Vom neuen zweidimensionalen Code verspricht man sich einen Mehrwert und zahlreiche neue Markenerlebnisse.

Ein Code für alles

Hierbei stehen zwei Code-Arten zur Verfügung. Der bereits verbreitete QR-Code, der von allen Smartphones ausgelesen werden kann, sowie die vor allem im Gesundheitswesen eingesetzte DataMatrix. Doch egal, wie sich Industrie und Handel letztlich entscheiden: Jeder 2D-Code kann deutlich mehr Informationen transportieren als ein eindimensionaler Strichcode, zum Beispiel Verfallsdatum, Chargennummer, Seriennummer und mehr.

Hinzu kommt, dass GS1 den 2D-Code mit einem Digital Link kombiniert. Das Besondere: Wird ein klassischer QR-Code mit der Smartphone-Kamera gescannt, zeigt er stets die gleiche verlinkte URL an, auf der Nutzer*innen weitere Informationen finden. Wird der Code mit dem Digital Link von GS1 kombiniert, sind die Möglichkeiten vielfältiger. Je nachdem wer den Code scannt, können unterschiedliche URLs ausgegeben werden, auf denen entsprechend auch unterschiedliche Informationen hinterlegt sein können. Für Lieferkette, Händler, Logistiker und Endkund*innen kann der neue 2D-Code jeweils spezifische Informationen bereitstellen. Scannt eine Kasse den Code, wird die Artikelnummer wie gewohnt an das Kassensystem übertragen, denn im Digital Link kann auch die GTIN (Global Trade Item Number) hinterlegt werden. Scannen Konsument*innen denselben Code, könnten sie hingegen Informationen zur Herkunft des Produktes erhalten oder an einem Gewinnspiel teilnehmen. Ein und derselbe Code kann somit unterschiedliche Informationsbedürfnisse befriedigen.

Informationen in Echtzeit aussteuerbar

„Wollen die Unternehmen auch Endverbraucher über deren Smartphones erreichen und hierfür das Zusatz-Feature Digital Link nutzen, werden sie sich für den QR-Code entscheiden. Hiermit können sie dann sogar die Ziel-URL in Echtzeit umschreiben“, sagt Rams. Selbst wenn das Produkt mit dem aufgedruckten 2D-Code schon im Laden ausliegt oder sogar schon bei den Kund*innen zu Hause ist, kann der Hersteller entscheiden, welche Informationen er den Käufer*innen an die Hand geben möchte, wenn diese zu einem bestimmten Zeitpunkt den Code scannen.

Das eröffnet vor allem dem Marketing bisher ungeahnte Möglichkeiten: So könnte beispielsweise ein Joghurt-Hersteller in einem TV-Werbespot seine Kund*innen dazu aufrufen, ihre Joghurt-Gläser im Kühlschrank zu scannen, um sich einen Rabattgutschein für den nächsten Joghurt-Kauf zu sichern oder um zusätzliche Informationen zum beworbenen Produkt zu erhalten.

Über den 2D-Code gibt der Hersteller den Kund*innen Informationen zum Produkt an die Hand. Er kann aber noch viel mehr. ©GS1 Germany

Die abrufbaren Informationen können zudem zeitlich und örtlich variiert werden. Marken könnten zum Beispiel Konsument*innen beim Scan innerhalb eines Geschäftes einen Rabatt gewähren, während ein Scan außerhalb des Ladens zu einer Seite mit Rezept-Ideen führt oder direkt in einen Chat, in dem die Kund*innen mit der Marke interagieren, Fragen stellen oder Hilfe erhalten können. Auch Umfragen sind über ein und denselben Code möglich.

Da die eingestellte Smartphone-Sprache beim Scannen automatisch erkannt wird, dürfte auch die Konzeption länderübergreifender Marketingaktionen einfacher werden. Scannt der deutsche Mallorca-Urlauber ein spanisches Produkt mit einer Werbeaktion, gelangt er automatisch auf eine deutschsprachige Kampagnen-Website, obwohl er sich in Spanien aufhält. Selbst Wetterdaten lassen sich automatisiert nutzen, um passende Botschaften anzuzeigen.

Resolver-Technologie als Basis

Ermöglicht wird diese Variabilität durch eine sogenannte Resolver-Technologie. Dabei handelt es sich um einen Service, bei dem zu einer Webadresse im GS1-Digital-Link-Format verschiedenste Online-Inhalte in unterschiedlichen Sprachen und Formaten hinterlegt werden können. Abhängig davon, mit welcher Anwendung oder in welchem Kontext die Nutzer*innen einen Digital Link aufrufen, werden jeweils passende Informationen zurückgeliefert.

Die Einstellung der entsprechenden URLs und der zugehörigen Regeln erfolgt durch einen Resolver Service, der entweder vom Unternehmen selbst oder von GS1 betrieben wird. Ein spannendes Detail: Die Informationen werden auf der Plattform durch sogenannte Link Types qualifiziert. Diese sind international standardisiert und können auch von Mobile-Apps geöffnet werden. Das bedeutet: Ein QR-Code mit Digital Link kann auch mit Apps Dritter gescannt werden. Je nachdem welche App ihn scannt, werden andere Infos bereitgestellt. Interessieren sich Konsument*innen zum Beispiel für das Thema Nachhaltigkeit, könnten sie mit ihrer Nachhaltigkeits-App den Verpackungs-Code scannen, um explizit Informationen zum Thema Nachhaltigkeit zu erhalten. Aber in allen Fällen gilt: Der Hersteller muss diese Informationen bereitstellen, damit sie abgerufen werden können.

Software muss angepasst werden

„Wir sind schon heute in der Migrationsphase“, sagt Rams. So hätten einige Kunden bereits auf einen QR-Code mit Digital Link umgestellt und wären damit bereits „2D-ready“. Genutzt wird die Technologie beispielsweise schon, um mit Kund*innen zu interagieren.

Ab Ende 2027 sollen auch die Kassensysteme technisch in der Lage sein, den Code auszulesen. Noch werden dort zum Teil Laserscanner eingesetzt, die lediglich eindimensionale Strichcodes auslesen können. Für den 2D-Code werden hingegen moderne Image-Scanner benötigt. Mit ihnen lassen sich sogar beide Code-Arten auslesen – sowohl Strichcode als auch 2D-Code. Sind jetzt umfangreiche Hardware-Umrüstungen nötig? Rams gibt Entwarnung: „Image-Scanner sind in der Regel schon überall an den Kassen verbaut, sie wurden bisher aber nicht benötigt. Sie müssen nur aktiviert werden.“ Den Flaschenhals dürften hingegen die Softwaresysteme darstellen. „Die Frage ist, wie viel Informationen direkt über den Code ausgelesen werden sollen. Geht es nur um die GTIN, ist die Anpassung gering, soll beispielsweise auch eine Chargennummer verarbeitet werden, wäre die nötige Softwareanpassung größer“, so Rams.

Ein Wermutstropfen wartet im Zuge der Umstellung noch auf die Verpackungsdesigner: Wer in der Übergangsphase bereits den 2D-Code nutzen will, muss bis Ende 2027 zudem noch den Strichcode aufbringen. Nach dieser Übergangszeit kann der Strichcode entfallen und es gibt mehr Platz für Kreativität auf den Produktverpackungen, denn ein 2D-Code benötigt nur ein Viertel des Strichcode-Platzes.

(kaz) ist Fachjournalist für digitales Marketing. Seit Mitte der Nullerjahre begleitet er mit seinen Artikeln die rasanten Entwicklungen der Online-Werbebranche. Der Maschinenraum der Marketing-Technologien fasziniert ihn dabei ebenso wie kreativ umgesetzte Kampagnen. Der freie Autor lebt und arbeitet in Berlin.