Aus Liebe zum Geld

Lidl liefert ein Paradestück in Sachen Marketingkommunikation und Lobbyarbeit. Armed Angels kommuniziert Selbstverständlichkeiten. Und wir Konsument*innen müssen jetzt aber echt mal über unser Retourenverhalten nachdenken.
Weg von Greenwashing im Marketing und hin zu grünem Marketing als Druckmittel für die Politik - ist das der nächste Schritt? (© Unsplash / Markus Spiske)

Bastian Schweinsteiger kann sich schon mal warm anziehen: 2022 war Schweini laut Innofact-Umfrage der am stärksten wahrgenommene Werbe-Promi in Deutschland. Diesen Platz dürfte im laufenden Jahr (Stand heute) wohl Günther Jauch einnehmen, denn dessen Reklame-Präsenz für Lidls „Kreislaufflasche“ kann man als medienkonsumierender Mensch derzeit gar nicht entkommen.

Ob TV, Social Media, Radio oder Out-of-Home – allerorten ist die neue Kampagne „Aus Liebe zur Natur“ über die Vorzüge der Flaschen aus recyceltem PET-Kunststoff zu sehen. Und sie wird breit diskutiert von „Stern“ („Das ist Greenwashing und klassische Lobbyarbeit“) bis LinkedIn, wo der Erklärfilm mit Jauch schon mal für den nächsten Werbefilmpreis vorgeschlagen wird. Letztlich, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“, gehe es der Schwarz-Gruppe bei ihrer Lidl-Kampagne nicht um die Liebe zur Natur, sondern um die Liebe zum Geld: Das Bundesumweltministerium hat nämlich eine Mehrwegnovelle angekündigt, die für die Schwarz-Gruppe letztlich nicht nur deren Investment von gut 200 Millionen Euro in ihr Kreislaufsystem zunichtemachen, sondern weitere Millioneninvestitionen erfordern würde.

Sei es drum: An dem beworbenen Öko-Flaschen-System von Lidl gibt es wenig zu kritteln, und wenn hier mit Mitteln der Marketingkommunikation Druck auf die Bundesregierung gemacht werden soll, ist das ja noch lange nicht illegitim. Die Kampagne ist auf jeden Fall ein prima Lehrstück in Sachen Werbewirkung.

Endlich ehrlich!?

Kommen wir vom Recycling zur Retoure: Meine Kollegin Christine Mattauch hat in ihrer Green Wednesday-Kolumne vergangene Woche bereits von Armed Angels berichtet: Das Kölner Mode-Label will künftig offensive „Anti-Greenwashing Kommunikation“ betreiben und „radikal ehrlich“ sein. „Armed Angels verzichtet auf irreführende Behauptungen und ändert die gesamte Kommunikation auf allen Kanälen, um so transparent und präzise wie möglich zu sein“, heißt es in der offiziellen Mitteilung. Das ist schön und wünschenswert – und eigentlich ohnehin der Anspruch, den man als Konsument*in an Marken haben sollte. Anyway. Armed Angels will nun ab Mai seine Retouren kostenpflichtig machen. Damit wolle man einen bewussteren Konsum fördern und sicherstellen, dass nur Artikel zurückgesendet werden, die tatsächlich unerwünscht oder defekt sind.

„50 Prozent sind schon ein Erfolg“

Tatsächlich ist eine Senkung der Retouren im E-Commerce nicht nur aus Nachhaltigkeits-, sondern auch aus Kostengründen dringend geboten: Bei Schuhen und sehr modischer Kleidung können Retourenquoten schon mal bei sagenhaften 70 bis 80 Prozent liegen, „niedrigere Quoten in Höhe von „nur“ 50 Prozent sind im Bereich der Damenmode insofern schon ein Erfolg“, schreibt der Handelsexperte Gerrit Heinemann im bevh-Retourenkompendium.

Das ist schon rein wirtschaftlich betrachtet auch deshalb dramatisch, weil das erste Quartal für den Online-Handel nicht gut gelaufen ist: Laut bevh sind die Umsätze im Warencluster „Bekleidung“ in den ersten drei Monaten um rund 20 Prozent zurückgegangen. Sinkende Kauflust und hohe Retouren sind ein unseliger Mix.

Neue Roadmap für den ökologischen Versand

Weniger Retouren fordert auch das Umweltbundesamt: Das UBA hat im Rahmen des Forschungsprojekts „Ökologisierung des Onlinehandels“ eine Roadmap vorgelegt. Sie enthält Maßnahmen rund um Verpackung und Logistik, mahnt aber auch ein vernünftigeres Kaufverhalten an. Würden alle Optimierungspotenziale bei Versandverpackung, Retouren und Logistik gehoben, könnten pro beispielhaftem Online-Einkauf zwischen 18 und 98 Prozent der Treibhausgas-Emissionen eingespart werden, schreibt das UBA. „Um die Zahl der Retouren zu verringern, sollten Händler mehr und bessere Informationen über die Produkte bereitstellen, aber auch ihre Kund*innen über die negativen Folgen von Retouren aufklären. Auch Rücksendegebühren sind denkbar“, so eine Handlungsempfehlung.

 Sollten mehr Online-Händler ihre Kundschaft künftig unmissverständlich auffordern, Klamotten nicht mehr sinnlos durch die Gegend zu schicken, würde das prima zum Interview „Psychologisches Paradox der Nachhaltigkeit“ von Stephan Grünewald passen. Der Rheingold-Chef sagt: „Die Menschen werden nur daran glauben, den Klimawandel stoppen zu können, wenn sie selber etwas dazu beitragen können …“. Ein vernünftigeres Retourenverhalten wäre da doch schon mal ein Anfang. Und wenn schon nicht aus Liebe zur Natur, dann bei den Armed Angels-Kund*innen ab Mai eben aus Liebe zum Geld.

Eine gute Woche noch, und behalten Sie die Zukunft im Blick!

(vh, Jahrgang 1968) schreibt seit 1995 über Marketing. Was das Wunderbare an ihrem Beruf ist? „Freie Journalistin mit Fokus auf Marketing zu sein bedeutet: Es wird niemals langweilig. Es macht enorm viel Spaß. Und ich lerne zig kluge Menschen kennen.“