Frau Wiesenmüller, wie kam es zu der Idee, gemeinsam mit dem BdP Branchenreporte zu erstellen?
Auf dem Kommunikationskongress 2016 in Berlin hatten Thomas Hoffmann, Leiter der Bundesstelle des BdP, und ich bei einem Kaffee die Gelegenheit, uns über Entwicklungen und Trends der Kommunikationsbranche auszutauschen. Vor allem die kommunikativen Herausforderungen und Chancen von PR-Abteilungen erklärungsbedürftiger Produkte im Zusammenhang mit Social Media haben uns dabei beschäftigt. So entstand die Idee, mit Hilfe von Social Media Monitoring genau diesen Branchen einen Leitfaden für digitale Chancen und Bedürfnisse an die Hand zu geben.
Den Anfang dieser Reihe macht der Report zur Energiebranche, der Ende März in Düsseldorf vorgestellt wird. Welche speziellen Bedürfnisse hat diese Branche an Ihre Analyse?
Die Energiebranche ist stark von äußeren Faktoren betroffen ist. Das führt dazu, dass Energieunternehmen und Energieprodukte immer wieder Teil medialer Berichterstattung sind. User setzen diese Berichterstattung im Social Web fort, indem sie sich gezielt über Produkte, Services und Probleme austauschen. Unser PR-Branchenreport belegt genau das mit Zahlen, aus denen die Verantwortlichen in Kommunikationsabteilungen konkrete Handlungsempfehlungen ableiten können.
Ihr Report zeigt, dass eine gute Präsenz im Web unumgänglich ist. Warum ist es heute so wichtig, online gut aufgestellt zu sein?
Wenn Kunden vor 15 Jahren Fragen zu ihrem Stromanschluss hatten, meldeten sie sich telefonisch oder auf dem Postweg. Heute nutzen Konsumenten hauptsächlich ad-hoc Medien wie Facebook, Twitter und Co., die ihnen erlauben, unmittelbar mit dem Unternehmen in Kontakt zu treten. Auf der anderen Seite gilt es, genau diese Kommunikationswege bereitzustellen und Kunden dort abzuholen, wo sie mit ihren Bedürfnissen stehen.
Und wie lautet Ihr Urteil? Ist die Energiebranche digital gut aufgestellt?
Viele Unternehmen haben verstanden, dass eine eigene Website nicht reicht und sie ihre Beratungsleistungen auch jenseits des eigenen Webspace weiterführen müssen. Neun von zwölf untersuchten Unternehmen führen einen eigenen Facebook-Account, elf von zwölf sogar einen Twitter-Account! Alles in allem lässt sich sagen: Ja, die Energiebranche ist digital gut aufgestellt. Luft nach oben gibt es dennoch.
Welche Herausforderungen gibt es im Social Web speziell für Energieunternehmen?
Getreu dem Motto „Keine Nachrichten sind gute Nachrichten“ schweigen die meisten Kunden, solange sie mit ihrem Produkt vollkommen zufrieden sind. Deshalb umfassen Nachfragen und Beschwerden den Großteil privater Nachrichten an Unternehmen. Darauf müssen sich auch Energieanbieter vorbereiten, wenn sie diesen zusätzlichen Service-Kanal etablieren. Auch die Frage, wo die eigene Zielgruppe im Social Web unterwegs ist, kann mitunter eine Herausforderung darstellen. Hier setzt Monitoring an, indem es analysiert, wo Nutzer vermehrt über relevante Schlagwörter diskutieren. In unserem Report hat sich gezeigt: Twitter ist das Medium, das Verbraucher (und auch Influencer) nutzen, um sich über Energiethemen auszutauschen.
Welchen Zusammenhang konnten Sie zwischen der Präsenz im Social Web und der Resonanz klassischer Medien feststellen?
Zum einen hat sich gezeigt, dass das Gesprächsvolumen im Social Web Tendenzen über den Share of Voice in klassischen Medien zulässt – oder andersherum. Daher lautet die Frage: Beeinflusst das Diskussionsvolumen im Social Web die Menge redaktioneller Berichterstattung oder greifen User Artikel auf, um sie online zu besprechen? Zum anderen bietet das Social Web kleineren Unternehmen aber auch eine einmalige Chance. Dank des Wegfalls der klassischen Gatekeeper-Funktion durch Journalisten haben sie die Möglichkeit, sich ganz aktiv auf die Agenda zu setzen – und zwar durch außergewöhnlichen Content und gutes Community Management.
Welche Rollen spielen CEOs bei der Präsenz im Social Web?
CEOs sind das Gesicht eines Unternehmens – zumindest in klassischen Medien. Hier dienen sie als Repräsentant, antworten auf Fragen oder geben Einschätzungen ab. Im Social Web können sie den Raum, den sie einnehmen, weitestgehend selbst bestimmen – durch die Wahl des Kanals, der Botschaft und der Häufigkeit der Nachrichten. Indem sie das Social Web geschickt nutzen, können sie sich hier ganz aktiv als Thought Leader, also als Experten auf ihrem Gebiet etablieren und so selbst zu Influencern werden.
Deutsche CEOs nutzen Social Media im Vergleich zu internationalen Geschäftsführern sehr verhalten. Woran liegt das?
Der Austausch mit Redakteuren ist bekannt und gelernt. Im Gegensatz dazu ist die mögliche, digitale Konfrontation mit Konsumenten neu und riskant. Das Social Web ist eine zusätzliche Variable im Spiel um die Gunst der Zielgruppe. Wie so oft gilt es, mutiger zu sein und im wahrsten Sinne des Wortes Gesicht zu zeigen. Von den zwölf untersuchten CEOs der Energiebranche ist keiner auf Twitter aktiv. Das bietet Energieunternehmen und deren Geschäftsführern eine Chance, sich selbst und das Unternehmen stärker in der Branche zu positionieren.
Auch in der Energiebranche spielen Influencer eine große Rolle. Wie können Energieunternehmen diese identifizieren? Worauf müssen sie achten?
Viele setzen den Begriff Influencer mit Bloggern gleich – dabei zählen auch Journalisten, Experten und Markenbotschafter dazu. Also alle, die Einfluss auf die Zielgruppe und ihre Leser, beziehungsweise Follower haben. Der einfachste Weg relevante Journalisten zu identifizieren ist, sich vorher klar zu machen, was relevant bedeutet. Wir bei Meltwater definieren Relevanz anhand der Anzahl der Artikel, der Position des gesuchten Schlagwortes in den Artikeln und der Auflagengröße des Mediums. Medienkontaktdatenbanken helfen dabei, diese Suche nach der Nadel im Heuhaufen zu vereinfachen.
Allgemein gilt bei der Influencer-Auswahl: Klasse statt Masse. Wichtig ist, genau die Influencer zu finden, die wirklich zum Produkt und Unternehmen passen. Das können mitunter auch Micro-Influencer sein.
Sie widmen sich im Branchenbericht auch dem Thema Smart Home – wie wird der Trend kommunikativ aufgenommen?
Unsere Untersuchung hat gezeigt, dass User im Social Web überwiegend positiv über Smart Home sprechen. Fast 45 Prozent aller Postings konnten wir durch unseren Sentiment Score als positiv klassifizieren, weniger als sechs Prozent der Stimmen waren negativ. Übrigens unterhalten sich User im Schnitt 140 Mal pro Tag über Smart Home. Das zeigt: Das Bedürfnis, darüber zu reden, ist vorhanden!
Was hat Sie am Report am meisten überrascht?
Tatsächlich fand ich alle Ergebnisse des PR-Branchenreports Energie sehr spannend. Besonders haben hat mich ein Ökostromanbieter – nebenbei bemerkt einer der kleinsten Anbieter unserer Studie – überrascht. Getreu dem Motto „Das Social Web ist, was du draus machst“ zeigt er, dass auch kleine Player das Social Web gewinnbringend nutzen können.
Wie schätzen Sie die kommunikative Entwicklung im Energiebereich ein?
Ich bin davon überzeugt, dass Energieunternehmen sich weiter dem Social Web öffnen sowie die Chancen wahrnehmen und ihren Kundenservice verlagern werden. Auch im Hinblick auf Content werden Unternehmen mutiger und erobern Konsumenten-Kanäle wie YouTube, Blogs und Instagram. Social Media birgt enormes Potenzial für die Energiebranche, das Interesse unter den Usern, sich über innovative Themen – sei es Elektromobilität, alternative Energien oder das Thema Smart Home – auszutauschen, ist groß. Jetzt gilt es, dank spannender und informativer Inhalten in den Dialog mit Usern zu treten und so die eigenen Markenbekanntheit weiter auszubauen, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu sichern.
Der Branchenreport wird spätestens ab dem 24.03.2017 um 15 Uhr auf der Website von Meltwater zu finden sein.