Wie Glückshormone unsere Kaufentscheidungen beeinflussen

Unser Gastautor Peter Merdian beschreibt die Zusammenhänge zwischen Glückshormonen, menschlichem Verhalten und Einkaufserlebnissen und zeigt auf, wie E-Commerce-Unternehmen die Erkenntnisse des Neuromarketings gewinnbringend nutzen können.
Das Glücksgefühl entsteht schon durch die Erwartung der Belohnung, nicht erst durch die Belohnung selbst. (© Imago)

Im Online-Handel ist die Schaffung positiver Einkaufserlebnisse von entscheidender Bedeutung für den Erfolg. Solche Erlebnisse entstehen, wenn wir uns glücklich fühlen. Im Neuromarketing beschäftigen wir uns intensiv mit dem menschlichen Gehirn und haben herausgefunden, dass Hormone maßgeblich dafür verantwortlich sind, wenn wir positive Emotionen wie Freude oder Glück empfinden. Glückshormone wie Dopamin spielen dabei eine entscheidende Rolle, da sie unser Verhalten und unsere Entscheidungen beeinflussen.

Glückshormone wie Dopamin sind Botenstoffe, die für die Kommunikation zwischen den Gehirnzellen zuständig sind. Sie motivieren uns, bestimmte Handlungen auszuführen oder Produkte zu kaufen. Genauer gesagt beeinflussen sie unser Verhalten, indem sie uns ein angenehmes Gefühl der Freude und Zufriedenheit vermitteln, wenn wir etwas tun, was unser Gehirn als lohnend oder positiv empfindet.

Kaufentscheidungen wirken im Gehirn

Stellen Sie sich vor, Sie entdecken ein attraktives Angebot für eine modische Jacke, die Ihnen sofort ins Auge fällt und perfekt zu Ihrem Stil passt. In diesem Moment beginnt unser Gehirn, eine Belohnung in Form von Glückshormonen zu erwarten, die ausgeschüttet werden, sobald Sie die Jacke tatsächlich kaufen und tragen. Diese Aussicht auf ein angenehmes emotionales Erlebnis motiviert uns, die Kaufentscheidung zu treffen und das Kleidungsstück zu erwerben.

Im Neuromarketing wird dieses Wissen genutzt, um gezielt Kaufanreize zu setzen und das Einkaufserlebnis für den Kunden zu optimieren. Durch ansprechende Produktpräsentationen und verführerische Angebote können Unternehmen die Ausschüttung von Glückshormonen bei potenziellen Kunden stimulieren und so die Kaufbereitschaft erhöhen.

Die Wirkung von Glückshormonen

Untersuchungen an Primaten haben Verhaltensforschern geholfen, ein weit verbreitetes Missverständnis zu korrigieren: Dopamin wird in unserem Gehirn nicht erst ausgeschüttet, wenn wir eine Belohnung erhalten, sondern schon vorher, wenn wir eine Belohnung erwarten. Das ist eine sehr wichtige Erkenntnis, die im Marketing oft übersehen wird.

Das Glücksgefühl entsteht durch die Erwartung und führt dazu, dass wir die Aufgaben, die zur Belohnung führen, mit mehr Engagement angehen. Auf diese Weise setzt unser Gehirn Dopamin ein, um uns zu gewünschtem Verhalten zu animieren. In dem Sprichwort „Vorfreude ist die schönste Freude“ steckt also ein wahrer Kern.

Abbildung: Stereotypischer Verlauf von Dopaminausschüttungen bei Belohnungen (vgl. Berridge, Kringelbach, 2015)

Während eines Online-Einkaufs durchläuft der Kunde verschiedene Phasen: Stimulus, Aktion und Belohnung. Der Stimulus ist der Auslöser, der das Interesse an einem Produkt weckt, beispielsweise ein ansprechendes Foto oder eine interessante Werbeanzeige. Die Aktion bezieht sich auf den Kaufprozess, bei dem der Käufer das Produkt in den Warenkorb legt und die Bestellung abschließt. Schließlich erfolgt die Belohnung, wenn der Kunde das Produkt erhält und nutzen kann.

Die vorherige Abbildung zeigt in stark vereinfachter Form den Zusammenhang zwischen dem Dopaminspiegel und den genannten Stufen. Bemerkenswert ist, dass der Höhepunkt des Dopaminspiegels in der Regel nicht bei der Belohnung liegt. Der Dopaminspiegel steigt bereits an, nachdem der Reiz gesehen wurde. Das bedeutet, dass Freude und Motivation beim Online-Shopping bereits während des Kaufprozesses entstehen und nicht erst bei der Belohnung. Mit anderen Worten: „Der Dopaminschub setzt ein, während wir einkaufen, und nicht erst, wenn wir unsere Belohnung in den Händen halten“.

Nutzung in E-Commerce und Werbung

Doch wie lässt sich dieses Wissen effektiv im E-Commerce einsetzen? Christian Holsing, Geschäftsführer der Digitalberatung Diginea, betont: „Die Ergebnisse des Neuromarketings und der Emotionsforschung können im Online-Marketing und E-Commerce genutzt werden, indem das angestrebte Endergebnis kommuniziert wird.“ Die Motivation steigt, wenn der Idealzustand vor Augen geführt wird und Glückshormone ausgeschüttet werden. Potenzielle Kunden haben eine mehr oder weniger ausgeprägte Wunschvorstellung, die den Wunsch nach Erfüllung auslöst.

Ein Beispiel ist das Reisen: Menschen kaufen Flugtickets nicht, um in einem Flugzeug zu sitzen, sondern um neue Länder zu entdecken oder sich an traumhaften Stränden zu erholen. Statt Bilder von Flughäfen, Rezeptionsschaltern oder Hotelbetten zu zeigen, sollten Reiseveranstalter daher Bilder von idyllischen Stränden oder beeindruckenden Sehenswürdigkeiten zeigen, die den überhöhten Vorstellungen der Kunden entsprechen. Was die Kunden wirklich suchen, sind Momente, die ihren inneren Idealen am nächsten kommen. Menschen schütten Glückshormone aus, wenn sie die perfekte Urlaubsszene vor Augen haben – etwa ein Paar, das Hand in Hand am Strand spazieren geht, oder eine Familie, die gemeinsam unvergessliche Momente erlebt.

Kunden werden Idealbilder vor Augen geführt

Ein weiteres Beispiel aus dem Fitnessbereich ist McFit. Hier wird mit Bildern von durchtrainierten Körpern und dem Slogan „Mission Beachbody“ geworben. Auch wenn die meisten Kunden einen solchen Körper nicht unbedingt in wenigen Monaten erreichen werden, weckt das Bild beim Betrachter einen starken Wunsch. Zumindest vermittelt es die Illusion, selbst über einen solchen Körper verfügen zu können.

Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, den Kunden ihre Idealbilder vor Augen zu führen. Durch die Darstellung des Traumkörpers spricht McFit die Emotionen der Kunden an und motiviert sie, sich im Fitnessstudio anzumelden, um ihrem individuellen „Beachbody“ näher zu kommen. Die Aussicht auf ein solches Ergebnis, auch wenn es nicht realistisch ist, fördert die Ausschüttung von Glückshormonen und beeinflusst die Kaufentscheidung.

Glückshormone gezielt nutzen für mehr Erfolg im E-Commerce

Dieses Konzept ist in nahezu jeder Branche anwendbar, unabhängig davon, ob es sich um B2B, B2C, D2C, physische Produkte oder abstrakte Dienstleistungen handelt.

Selbst Anbieter von eher immateriellen Workshops und Trainings können dieses Prinzip nutzen. Sie sollten konkrete Ergebnisse wie Zertifikate abbilden, um die Motivation ihrer Kunden zu erhöhen. Bei Gitarrenkursen ist es ähnlich: Kunden melden sich an, weil sie davon träumen, auf der Bühne zu stehen und ein Star zu sein. Anbieter sollten daher mitreißende Konzertfotos verwenden, um potenzielle Teilnehmer zu begeistern und ihnen das angestrebte Ziel vor Augen zu führen. Ideale sind die stärksten Quellen der Inspiration und Motivation.

Fazit: Neuromarketing liefert wertvolle Erkenntnisse über die Bedeutung von Glückshormonen, insbesondere Dopamin, bei Kaufentscheidungen. Anbieter im E-Commerce und Online-Marketing können diese Informationen gezielt nutzen, um ihre Kunden anzusprechen und zu motivieren. Indem sie die Idealvorstellungen und Wünsche der Kunden in den Mittelpunkt stellen, schaffen sie Kaufanreize und fördern positive Emotionen.

Zur Person: Peter Merdian ist Neuromarketing-Experte bei der Digitalagentur Diginea. Er hat an der Universität Göttingen im Bereich Neuromarketing promoviert und im Labor zu Emotionen und Experience in E-Commerce geforscht.