Wettbewerb in der Krise: Audi und Mercedes buhlen digital um Fans

In Zeiten ihrer schwersten Krise versuchen die Autobauer, den Kundenkontakt aufrecht zu erhalten. Eine Idee sind virtuelle Werks- und Museumsführungen. Während Hersteller wie VW oder BMW noch keine besonderen Konzepte vorzuweisen haben, gibt es bei Audi und Mercedes bereits zwei vielversprechende Ansätze.
Ein persönlicher Bummel durchs Mercedes Museum in Stuttgart ist derzeit nicht möglich. Doch es gibt Alternativen. (© Daimler)

In Wolfsburg, Köln und München stehen die Räder still. Nicht nur buchstäblich, sondern auch virtuell. Weder die Autostadt, noch die BMW Welt oder die Toyota Collection haben bisher eine digitale Antwort auf den Lockdown. Bei Volkswagen gibt es ein banales Banner auf der Startseite, das die Schließung der Autostadt verkündet. Eine konstruktive Promotion der bestehenden digitalen Angebote auf Facebook und Instagram wäre weitaus hilfreicher. Wobei: Die täglichen Posts auf Facebook kennen nur zwei Themen: Bilder von leeren Gebäuden und den Hinweis „Wir haben geschlossen“.

Auch bei BMW bekommt die Kundenbindung in Krisenzeiten kaum Aufmerksamkeit, zumindest nicht, wenn es um die BMW Welt geht. Mitten auf der ansonsten unveränderten Seite ist ein kleiner Ticker zu sehen, dessen Text auch noch nach „BMW WELT, THE BMW MUSEUM AND BMW GROUP CLASSIC TEMP …“ abgeschnitten ist.

Bei Toyota Deutschland ist man schon einen halben Schritt weiter. Dort fand am vergangenen Wochenende eine virtuelle Führung statt, die über Facebook gestreamt wurde. Da das Museum geschlossen ist, funktioniert eine solche Führung auch in Zeiten des Kontaktverbots. Technologisch ist der Aufwand überschaubar und die Guides sollten kamerasicher sein.

Der Instagram Tourguide

Nicht nur rhetorisch sicher, sondern vor allem auch souverän und charismatisch ist der Online-Tourguide von Mercedes. Das Stuttgarter Mercedes Museum ist auf Instagram und das schon seit einem halben Jahr. In rund 70 kleinen Episoden führt der Guide durch die unterschiedlichen Museumsbereiche. Es werden Videos eingespielt, dabei nutzt der Autobauer geschickt die in Instagram eingebauten Interaktionselemente, um dem User eine Auswahl zu geben, welches der Themen er sehen möchte. Natürlich kann man die Instastory auch einfach durchlaufen lassen.

Der Ansatz zeigt, wie einfach es geht. Die Kamera bewegt sich mit dem Museumsführer von einem Exponat zum nächsten. In der Regel werden feste Einstellungen gewählt. Das stellt keinen Kameramann vor größere Probleme und das notwendige Funkmikrofon liefert Thomann in zwei Tagen.

Es kommt auf die Persönlichkeit und den Content an, und beides hat Mercedes. Das offene Format auf Instagram ist jedermann zugänglich und steht immer als digitaler Bezugspunkt zur Verfügung, genauso wie die Youtube-Videos im Stile von „Nachts im Museum“.

Die Live-Show in Krisenzeiten 

Wesentlich ambitionierter geht das Audi Forum in Ingolstadt an die Sache ran. Auch Anfang April gibt es weiterhin „Live-Führungen“ durch das Werk. Der User meldet sich zu einem Termin an und wird gemeinsam mit maximal vier anderen von einer Moderatorin im Studio begrüßt.

Diese Moderatorin „geht“ nicht durchs Werk, sondern spielt Videos von einem Rundgang ab. Diese sind aber nicht generisch mit Ton unterlegt, sondern die Moderatorin kommentiert die Bilder live. Das wirkt sehr authentisch und ermöglicht auch direktes Nachfragen. Der Fokus beim virtuellen Audi-Rundgang liegt klar auf Kommunikation.

Die Moderatorin steuert die Videos selbst und kommentiert live aus dem Studio im Audi Forum. Screenshot: Puscher

Der Aufwand, den die Ingolstädter betreiben, ist nicht ganz so hoch, wie man meinen könnte, aber das liegt an einer guten Planung. „Mit unserer Applikation können wir bei minimalem Personalaufwand einen Live-Sendebetrieb gewährleisten. Das Programm wird direkt von den Moderatoren kreiert und entsprechend live zusammengefahren“, sagt Arno-Michael Drotleff, der Pressesprecher des Audi-Forums.

Audi entwickelt schon die nächste virtuelle Führung

Bild- und Tonqualität bei der Übertragung sind sehr gut. AudiStream ist eine Eigenentwicklung. „Auf dem Markt haben wir kein Angebot gefunden, das unseren Anforderungen gerecht geworden wäre. Und uns ist bislang keine andere Applikation bekannt, die Online, live und interaktiv ohne Verzögerung den gewünschten Funktionsumfang aus einer Hand gewährleistet“, sagt Drotleff. Das Angebot kommt an. Derzeit befindet sich eine zweite Führung in Entwicklung. Dabei wird es um das Thema Design gehen.

Natürlich ist eine virtuelle Führung kein Ersatz für eine reale. Aber es ist ein anderes Format mit anderen Qualitäten, zum Beispiel der enormen Reichweite, die ein solches Angebot weltweit haben kann.

Dann wäre da noch die Leadgenerierung: Im Gegensatz zum Angebot von Mercedes ist hier eine Registrierung nötig. Dabei fragt das Audi-Marketing brav die Präferenzen des Nutzers ab. Das ist etwas verwirrend, da man das Gefühl bekommt, es ginge bei der Führung hinterher um die ausgewählten Themen. „Wir sind hier in Ingolstadt, aber der eTron wird in Brüssel gefertigt“, lautete die Antwort der Moderatorin. „Na und“ möchte man zurückgeben. Im Netz sollte ein solcher Location-Wechsel machbar sein.

Einfach machen ist nicht einfach

Es ist spannend zu beobachten, wie unterschiedlich die Automobilunternehmen mit der digitalen Herausforderung in diesem Punkt umgehen. Obwohl es technisch nicht schwierig ist, fällt es den Marketern offensichtlich nicht leicht, einfach mal hemdsärmelig jemanden mit Kamera durchs Museum zu schicken. Dafür sind die CI-Erfordernisse zu hoch und die Prozesse zu komplex. Beim BMW reicht es noch nicht Mal für eine deutliche Veränderung der Website.

Möglicherweise zeigt die Krise und mit ihr der Boom der Online-Versammlungen auch, dass es nicht immer Hochglanz sein muss. Dialogfähigkeit, Interaktion und Authentizität sind mindestens genauso wichtig.