Wenn Leroy Sané vegan isst  

Sportmarketing verändert sich, Persönlichkeiten werden immer wichtiger. Das ist eine Chance für ganz neue Themen.
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Stefanie Kuhnhen ist Chief Strategic Officer und Partnerin bei Serviceplan. (© privat, Montage: Olaf Heß)

Vor ein paar Wochen habe ich fasziniert und auch ein wenig verwundert die Kommentarspalten auf Social Media und die Sportberichterstattung verfolgt. Verwundert über die starken Gefühle, die die Farben Pink und Lila auslösen können. Aber gleichzeitig fasziniert, welche Emotionen der Fußball und speziell das neue Auswärtstrikot der deutschen Herrennationalmannschaft für die Europameisterschaft wecken.  

Ich persönlich finde das Trikot und die begleitende Kampagne großartig – modern, mutig, und sympathisch. Und ich fragte mich: Wenn in einem Thema so große Emotionen liegen, sollten wir den Sport oder genauer den Fußball dann nicht noch viel mehr als Träger positiver Narrative für Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft nutzen?  

Dabei spielt uns eine Entwicklung in die Karten: Bis vor einigen Jahren ging es im Fußball hauptsächlich um Vereine, über die Spieler wusste man wenig. Marken bewarben ausschließlich Produkte, die eine offensichtliche Verbindung zum Fußball und zum „typischen“ Fußballfan hatten. Doch es ist ein Wandel im Gange: Spieler und Trainer zeigen immer mehr Profil, werden zu Persönlichkeitsmarken. Gerade jüngere Zielgruppen sind eher Fans von ihnen als von Vereinen: Mein achtjähriger Sohn Laurenz weiß alles über Kane, Musiala und Co., trägt täglich ihre Trikots, obwohl wir als Familie mit Fußball nie etwas am Hut hatten. 

So geht Sportmarketing der Zukunft

Diese Persönlichkeitsmarken gezielt für neue Narrative zu nutzen, sie bewusst für den nötigen Kulturwandel einzusetzen, statt alte Klischees unter den Jüngsten zu manifestieren – das ist Sportmarketing der Zukunft. Denn wie wäre es, wenn Leroy Sané vegan essen würde? Emre Can für politische Bildung wirbt? Toni Kroos für genderinklusive, nachhaltige Kosmetik?  

Dabei ist eine Sache sehr wichtig. Mein Kollege Niko Backspin von Serviceplan Culture sagte zuletzt so schön: „Fußballfans sind die größte Subkultur der Welt.“ Sprich, sie sind viele und in vielem heterogen. Aber sie verlangen, wie alle Sub-Cultures, eine glaubwürdige, auf sie abgestimmte Ansprache. Was es dafür braucht, ist Authentizität und auch die Bereitschaft mal auszuhalten, dass nicht immer alle alles gut finden können, wenn die Botschaft wichtig ist.  

Persönlichkeitsmarken können Menschen bewegen

Beim neuen Auswärtstrikot waren sich die Beteiligten dessen absolut bewusst. Sie haben negative Reaktionen einkalkuliert, reagierten mit einem Augenzwinkern und Selbstironie. Die Botschaft von Vielfalt und Offenheit war wichtiger. Und die wurde authentisch und stark aufgeladen: Aktuelle Nationalspieler*innen und Fußballlegenden wie Rudi Völler als Kampagnengesichter emotionalisierten und gaben ihr Zustimmung. 

Sport und seine Persönlichkeitsmarken können so viele Menschen bewegen und einschließen: Sie sind die Held*innen unserer Kleinsten. Und die coolere Version von uns Großen. Das sollten wir nutzen. Denn würde Leroy vegan essen, würde mein Sohn garantiert das Gleiche ausprobieren wollen.

Stefanie Kuhnhen ist Chief Strategic Officer und Partnerin bei Serviceplan. Die Kolumnistin ist Markenstrategin mit Leidenschaft für die Zukunft und nachhaltige Unternehmensführung.