Warum Frauen wochenlang umsonst arbeiten

Am 7. März ist Equal Pay Day und ein BAG-Urteil macht deutlich, worum es dabei geht. Ohne Arbeitskultur kein Employer Branding. Tui setzt auf User Generated Content. Trigema und Vaude lassen sich in die HR-Karten schauen. Und: Weiterbildung finden fast alle Deutschen toll. 
Ob bereinigt oder nicht: der Gender Pay Gap bleibt deutlich bestehen. (© Stocksy)

Kommenden Dienstag ist „Equal Pay Day“ in Deutschland, dann verdienen auch Frauen hierzulande Geld. Bis dahin nämlich haben sie in diesem Jahr rein rechnerisch noch umsonst gearbeitet – verglichen mit Männern. Mehr als zwei Monate! Der aktuelle Gender Pay Gap, also die Lücke zwischen dem durchschnittlichen Verdienst von Frauen und Männern pro Stunde, liegt laut Statistischem Bundesamt aktuell bei 18 Prozent. Das heißt: Frauen verdienen im Schnitt 18 Prozent weniger als Männer. Unbereinigt, also ohne Berücksichtigung von Job, Position und Arbeitszeitmodell. Weil ein Großteil der Lücke schlicht daran liegt, dass Frauen oft generell schlechter bezahlte Jobs und Branchen wählen, etwa in der Pflege, und dass sie überproportional häufig in Teilzeit arbeiten. Während das eine natürlich auch eine Folge der beruflichen Wahlfreiheit in Deutschland ist, hängt das andere vor allem mit der noch immer schlechten Vereinbarkeit von Familie und Beruf zusammen. 

Der Verband Business and Professional Women (BPW) Germany fordert deshalb eine Angleichung der Erwerbsarbeitszeiten von Frauen und Männern. „Eine vollzeitnahe Teilzeit zum Beispiel hätte die größte Auswirkung auf eine Verringerung des Gender Pay Gaps“, sagt BPW-Präsidentin Birte Siemonsen. Das allerdings setze eine gleiche Verteilung von familiärer Fürsorgeverantwortung voraus, die Frauen bisher immer noch häufiger als Männer übernähmen. 

Doch selbst unter den besten Voraussetzungen verdienen Frauen deutlich weniger als Männer. Der bereinigte Gender Pay Gap, also die Gehaltslücke bei gleichem Job in gleicher Branche mit gleichem Arbeitszeitmodell, liegt in Deutschland derzeit bei sieben Prozent. Auch bereinigt arbeiten Frauen also mehrere Wochen im Jahr umsonst. Diese Lücke, so das Statistische Bundesamt in schönstem Amtsdeutsch, sei als „Obergrenze für Verdienstdiskriminierung“ zu verstehen. 

Besonders deutlich wurde das gerade erst wieder nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Dort hatte eine Frau ihren Arbeitgeber verklagt, weil sie für die gleiche Arbeit rund 1000 Euro weniger monatlich verdiente als ein männlicher Kollege. Und warum? Laut der – seien wir ehrlich – ziemlich dümmlichen Begründung des Arbeitgebers habe der Mann eben besser verhandelt. Das BAG gab erfreulicherweise der Klägerin Recht und sprach ihr eine Gehaltsnachzahlung von 14.500 Euro und eine Entschädigung von 2000 Euro zu. Der Equal-Pay-Grundsatz, so die Begründung des BAG, dürfe nicht ausgehebelt werden, bloß weil ein Kollege besser verhandeln könne. 

Was lernen wir daraus? Eine ganze Menge. Beispielsweise auch, dass es in einem wachsenden Arbeitnehmermarkt, in dem Jobsuchende bei Gehaltsverhandlungen zunehmend am längeren Hebel sitzen, für Arbeitnehmer und Arbeitgeber künftig deutlich schwerer werden dürfte, für gleiche Positionen unterschiedliche Gehälter zu vereinbaren. Und das ist eine gute Nachricht.

Arbeitskultur als „letzte Bastion“ im Employer Branding

Doch wenn Gehalt als Lockvogel nicht mehr reicht, was dann? Employer Branding ist das Zauberwort, und immer mehr Unternehmen professionalisieren sich in diesem Bereich gerade deutlich. Der Reiskonzern Tui etwa hat jetzt eine Employer-Branding-Kampagne, die gleich zwei Neuheiten mit sich bringt: Erstmals in der Konzerngeschichte basiert die Kampagne ausschließlich auf User Generated Content. „Unsere Kolleginnen und Kollegen sind die Kampagne“, sagt Lena Weber, Head of Global Talent Acquisition & Employer Branding bei Tui. Sie hat den neuen Auftritt vergangene Woche auf dem Corporate Influencer Day (CID) vorgestellt. Das zweite Novum ist fast noch revolutionärer: Die Tui-Kampagne wurde erstmals von den Bereichen HR und Unternehmenskommunikation gemeinsam erarbeitet. HR-Managerin Weber: „Endlich hat Employer Branding einen Stuhl am richtigen Konzerntisch.“ 

Ganz klar: Erfolgreiches Corporate Influencer Marketing zählt zu den Königsdisziplinen des Employer Branding. Denn dafür braucht es Authentizität und dafür braucht es zufriedene Mitarbeiter mit hoher emotionaler Bindung. Laut Gallup Engagement Index würden 77 Prozent der Mitarbeitenden mit hoher Arbeitgeberbindung ihre Firma als hervorragenden Arbeitsplatz weiterempfehlen. Marco Nink, Director of Research and Analytics EMEA bei Gallup, fasst es so zusammen: „Eine gute Arbeitskultur ist die letzte Bastion, um neues Potential zur Sicherung des eigenen Unternehmenserfolgs zu heben.“ Eine starke emotionale Bindung zum Arbeitgeber sei nicht nur der beste Schutzschild vor Jobwechslern, emotional gebundene Mitarbeiter seien zudem wichtige Botschafter für das Unternehmen.

Trigema vs. Vaude oder: HR ist nicht gleich HR

Als Lektüre ausdrücklich empfohlen sei in diesem Kontext ein Beitrag aus der aktuellen Ausgabe des „Human Ressources Manager“. Darin gewähren zwei bekannte Mittelständler einen tiefen Einblick in ihre HR und Employer Branding Strategien: Trigema und Vaude. Beide sind bereits stark getrieben vom Arbeitnehmermarkt – und könnten gerade deshalb unterschiedlicher kaum sein. Trigema-Chef Wolfgang Grupp sagt: „Ich garantiere jedem, der zu uns kommt, einen Arbeitsplatz. Auch und gerade in der Krise. Ich habe noch nie jemanden wegen Arbeitsmangel entlassen. Alle meine leitenden Mitarbeiter haben als Lehrling bei Trigema angefangen.“  

Vaude-Personalchefin Miriam Schilling hingegen betont: „Wir sind sicher auch Anlaufpunkt für Menschen, für die Sinnfindung in der Arbeit von großer Bedeutung ist. Wir bieten eine Vertrauenskultur, die zur aktiven Mitgestaltung und Selbstwirksamkeit einlädt, und viele flexible Arbeitsmodelle, die Weiterentwicklungsmöglichkeiten und eine Work-Life-Balance umfassen.“

Lebenslanges Lernen: Ja, aber

Apropos Weiterentwicklung. Laut einer aktuellen Studie finden 94 Prozent der Deutschen, dass Weiterbildung eine positive Auswirkung auf die persönliche Entwicklung hat. Allerdings: 48 Prozent möchten sich zwar gerne mehr weiterbilden, haben dazu aber entweder nicht genug Zeit oder genügend Geld. Frauen beklagen vor allem fehlende finanzielle Mittel (47 Prozent), Männer hindert hauptsächlich fehlende Zeit im Job daran, Weiterbildungsangebote zu nutzen (38 Prozent). 

Irgendwie schließt sich hier gerade ein Kreis zum Equal Pay Day, finden Sie nicht? 

Einen erfolgreichen Start in die Woche und bleiben Sie gut drauf! 

ist seit mehr als 20 Jahren Journalistin, spezialisiert auf Marketing, Medien, New Work und Diversity. Sie war stellvertretende Chefredakteurin bei “Horizont”, schreibt seit 2014 als freie Autorin für diverse Wirtschafts- und Fachmedien und liebt es, als Dozentin für Fachjournalismus und Kommunikation junge Menschen für die Branche zu begeistern. Privat muss es bei ihr sportlich zugehen – am besten beim Windsurfen oder Snowboarden.