VW und Stellantis: Konzentration ein Risiko für Einzelmarken?

Der Konzentrationsprozess in der Automobilindustrie nimmt Fahrt auf. Zwei Paradebeispiele sind der Volkswagen-Konzern und seit jüngstem auch die PSA-FCA-Fusion Stellantis. Droht den einzelnen Marken dahinter nun eine Kannibalisierung?
Stellantis
Konzentration in der Autobranche: Kritisch wird es, wenn Kannibalisierungen der einzelnen Marken innerhalb der Konzerne zu beklagen sind. (© Stellantis)

Der Volkswagen-Konzern hat rund um die Kernmarke VW im Laufe der vergangenen Jahrzehnte mit Audi, Škoda, Seat, Porsche, Lamborghini, Bentley und Bugatti sieben weitere etablierte Pkw-Marken mit langen Historien und mit Ducati sogar eine Motorradmarke übernommen und in den Konzern eingegliedert.

Übertroffen wird diese „Automarkensammlung“ aktuell durch den Zusammenschluss des PSA-Konzerns (Kernmarken: Peugeot, Citroën, Opel und DS) mit Fiat Chrysler. Die durch diese 50:50-Fusion entstehende Stellantis-Gruppe verfügt dann summa summarum über insgesamt stattliche 14 traditionsreiche Automarken.

Konzentration bringt Kostenvorteile

Der mehr oder weniger ungezügelte „Sammeldrang“ häufig in die Jahre gekommener Automarken bringt mit der Umlegung der exorbitant gestiegenen Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen für Plattformen, neue Antriebe, Konnektivität oder autonomes Fahren auf mehrere Marken zunächst handfeste Kostenvorteile. Die durch Plattform- und Gleichteilstrategien realisierbaren Synergien sind die eindeutig positive Seite der „Fusions-Medaille“.

Kritisch wird es, wenn Kannibalisierungen der einzelnen Marken innerhalb der Konzerne zu beklagen sind. Die beispielsweise immer wieder unterstellte Kannibalisierung zwischen Škoda und VW war für „Puls“ Anlass, den Wettbewerb zwischen den volumenstärksten Volkswagen-Konzernmarken VW, Audi, Seat und Škoda repräsentativ zu untersuchen. Als weiteres Beispiel der konzerninterne Wettbewerb zwischen den Stellantis-Marken Peugeot, Citroën, Opel und Fiat beleuchtet.

Grundlage dafür ist eine Sonderauswertung unseres „Autokäufer Monitors“, bei dem jeden Monat 1000 Personen in Deutschland befragt werden, die eine Autoanschaffung planen beziehungsweise vor kurzem getätigt haben. Die Sonderauswertung beruht auf einer Aggregation der sechs Erhebungswellen des ersten Halbjahrs 2020 und somit auf einer markenübergreifenden repräsentativen Stichprobe von 6000 Autokäufern in Deutschland.

Hohe Kundenloyalität bei VW und Audi

Bei der „Gain & Loss“-Analyse im Volkswagen-Konzern zeigt sich zunächst eine hohe Kundenloyalität von Neuwagenkäufern zu VW und Audi. So geben 55 Prozent der VW- und 49 Prozent der Audi-Käufer an, auch vorher schon einen VW beziehungsweise Audi gefahren zu haben.

Zur Kannibalisierung von VW durch Škoda zeigen sich allerdings kritische Ergebnisse:

  • Während VW lediglich überschaubare vier Prozent seiner Neuwagenkäufer von Škoda gewinnt, „holt sich“ Škoda seine Neuwagenkäufer zu 23 Prozent von VW. Daraus resultiert ein negativer Saldo von -19 Prozent zu Lasten von VW bzw. zu Gunsten von Škoda.
  • Kannibalisierung kann aber auch auf etwas niedrigerem Niveau zwischen Seat und VW festgestellt werden. So liegt der „Gain & Loss“-Saldo zwischen VW und Seat bei ebenfalls stattlichen -15 Prozent zu Lasten von VW. Zwischen VW und Audi ist dagegen ein für VW positiver „Gain & Loss“-Saldo von +1 Prozent zu beobachten.
Quelle: Puls Marktforschung

In der Stellantis-Gruppe zeigen sich ebenfalls Kannibalisierungen:

  • Opel verfügt mit 41 Prozent zwar über eine deutlich höhere Kundenloyalität als die anderen Marken des Konzerns, verliert aber deutlich mehr Kunden an Citroën und Fiat als die Rüsselsheimer von dort erobern. So gewinnt Opel kaum Kunden von Fiat während 14 Prozent der aktuellen Fiat-Neuwagenkäufer von Opel kommen.
  • Ähnlich negativ sind die Kundenverluste von Opel an Citroën: Während Opel zwei Prozent seiner Neuwagenkäufer von Citroën gewinnt, kommen die Citroën-Neuwagenkäufer zu 16 Prozent von Opel. Fazit: Durch den geplanten Zusammenschluss von PSA und Fiat Chrysler droht Opel wohl am stärksten unter Druck zu geraten.
Quelle: Puls Marktforschung

Preis reicht für Differenzierung nicht mehr

Abhilfe können hier nur trennscharfe Positionierungen zwischen den einzelnen Marken schaffen. Die früher gültigen einfachen Unterscheidungen nach „preisgünstig vs. hochpreisig“ oder „Volumen vs. Premium“ werden der notwendigen Differenzierung der Marken nicht mehr gerecht. So präsentiert sich Škoda mit schickem Design und moderner Konnektivität als „simply clever“. Ein Label „simply cheaper“ würde weder der Marke Škoda noch der Differenzierung gegenüber VW oder Seat gerecht.

Marken brauchen Trennschärfe

Da mittlerweile fast alle Automarken Vollgas in Richtung Elektromobilität geben, verliert auch die Art des Antriebs als Positionierungskriterium an Trennschärfe.

Statt mühsam nach eindimensionalen Differenzierungsmöglichkeiten zu suchen, wäre es vielmehr empfehlenswert, die Charakteristika der Fans der einzelnen Marken hinsichtlich bestimmter Kriterien entlang des Sales Funnels aufzudecken. Auf dieser Grundlage könnten die Marken dann von der Kundenansprache bis zum After Sales möglichst überschneidungsfrei geschärft werden.

Unter anderem die folgenden Kriterien sind besonders trennscharf:

  • Jahreskilometerleistung
  • Fahrprofil
  • Einstellung zum Auto und zu „grüner Mobilität“
  • Nutzung weiterer Verkehrsmittel neben dem Auto sind besonders trennscharf.

Zusätzlich könnte das Lebensphasenkonzept herangezogen werden, um Schwerpunkte für einzelne Marken festzulegen. So präsentiert sich beispielsweise Seat als coole Eroberungsmarke für junge Auto-Einsteger, die keine andere Marke des Volkswagen-Konzerns kaufen würden.

Fazit

Wenn die oben angeführten Hausaufgaben gemacht sind, muss auf eine klare Separierung der einzelnen Automarken am POS mit jeweils eigenen Verkaufsteams im Automobilhandel geachtet werden. Eine gute Balance zwischen trennscharfer Positionierung und einem gesunden Wettbewerb zwischen den einzelnen Marken eines Konzerns ist der Schlüssel zum Erfolg.