Voll digital, gezielt regional

Unternehmen setzen auf feingesteuerte Kampagnen, mit denen sie lokal Präsenz zeigen und ihr Zielpublikum direkt ansprechen. Drei Beispiele für gelungenes regionales Marketing aus der Banken-, Handels- und Baubranche.
Der Landesverband Bayerischer Bauinnungen (LBB) sucht mit einer Social-Media-Kampagne nach Nachwuchs. (© Schalk&Friends)

Die Bank, die mit ihrer Werbekampagne regionale Akzente setzen will. Die Handelskette, die Kanäle und Zielgruppe divers bespielt. Der Verband, der mit Azubi-Botschaftern auf Instagram für Nachwuchs wirbt. Die Möglichkeiten, regionale Kommunikation zielgenau zu steuern, waren wohl nie so groß. Beispiele aus der Praxis zeigen, wie das funktionieren kann.

Banken werben hyperlokal

Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) startet die bundesweite Kampagne „Morgen kann kommen. Wir machen den Weg frei.“ und will alle rund 800 lokalen Volksbanken und Raiffeisenbanken mit einbinden. Regionale Nähe ist die zentrale Botschaft. „Wir wollen uns als ‘Banken von hier‘ positionieren. Banken, die sowohl räumlich als auch emotional nah bei den Menschen sind“, sagt Marc Weegen, Abteilungsleiter Markenstrategie und Markenkommunikation beim BVR.

Konzipiert und umgesetzt wird die Kampagne von der Mediaagentur Mindshare und von VR-NetWorld, der Digital-Unit der Genossenschaftlichen FinanzGruppe, in Zusammenarbeit mit dem MarTech-Anbieter Adcombi. Für jedes einzelne der rund 800 Institute werden individuelle Werbemittel erstellt. Die Mediaexperten haben dafür ein Konzept zur wirksamen Ansprache der Zielgruppen erstellt. Die dynamischen Werbemittel sollen programmatisch ausgespielt werden.

Mit gängigen Methoden und Tools wäre das ein nicht zu bewältigender manueller Aufwand. Mit Hyperlocal-Technologie, wie sie Adcombi einsetzt, können auf einfache Weise Tausende Kampagnenvariationen mit eigenem Budget erstellt und programmatisch lokal ausgespielt werden. Die Menschen sehen Videos und Ads auf Smartphone und Desktop stets mit dem Logo der örtlichen Bank und Weiterleitungen zur deren lokaler Landingpage.

„Diese Kampagne ist auch für uns ein Meilenstein, weil sie auf hyperlokaler Ebene erstmals einen umfassenden crossmedialen Ansatz umsetzt: Video, Desktop, Mobile und Social Media“, sagt Adcombi-Deutschland-Geschäftsführer Sebastian Kraemer. BVR-Manager Weegen hat die Technologie überzeugt. „So konnten wir in den gewünschten Zielgruppen vor Ort eine maximale Reichweite mit individueller Botschaft aufbauen.“

Bilder in Bewegung

EP ElectronicPartner gehört zu den führenden Elektronik-Fachhändlern im deutschsprachigen Raum und betreibt über 400 Filialen in Österreich und Deutschland. Eine crossmediale Kampagne soll Konsumenten in der Region des jeweiligen Händlers ansprechen. „Gerade in Zeiten der Pandemie haben wir uns für digitale Kanäle immer weiter geöffnet“, so Annette Grimsel, Head of Marketing bei ElectronicPartner Handel.

Die auf digitales Handelsmarketing spezialisierte Offerista Group spielt für EP Story Ads, Newsfeed und Videowerbung über Facebook, Instagram, Pinterest, TikTok, Twitter und YouTube sowie über Connected TV aus. Via A/B-Testing in den einzelnen Kanälen wird zum Beispiel ermittelt, ob Duzen oder Siezen die passende Ansprache für unterschiedliche Zielgruppen ist und welche Erkenntnisse zum Nutzerverhalten sich aus Angaben zu Alter und Geschlecht ergeben.

Die von Ende Mai bis Anfang Juni 2021 auf den Social-Media-Plattformen ausgespielte Kampagne bringt Bestwerte für TikTok bei den 18- bis 24-Jährigen hinsichtlich Reichweite, (vergütete) Clickouts und Engagement. Twitter löst die meisten Clickouts bei den über 50-Jährigen aus. Im Vergleich zu Connected TV erzielt EP auf YouTube eine deutlich höhere Reichweite. Insgesamt führen laut Offerista die Online-Videos im Facebook-Newsfeed zu den meisten Interaktionen.

In Deutschland bringt die Du-Ansprache auf Facebook und Instagram höhere Resonanz, in Österreich gelingt das besser per Sie. Das Ergebnis auf Pinterest: genau umgekehrt. Die Kanäle divers zu bespielen, zahlt sich aus. Denn EP punktet sowohl in der älteren Zielgruppe als auch bei der jungen Generation. „Das ist für uns die wertvollste Erkenntnis“, sagt Marketingchefin Grimsel. „Sehr überrascht“ ist sie zudem, wie gut TikTok­ für EP funktioniert hat.

Azubis für den Bau

Bauberufe haben nicht das beste Image, der Branche fehlt Nachwuchs. Und das bei boomender Konjunktur. Um Vorurteile abzubauen und die attraktiven Seiten des Jobs zu zeigen, startet der Landesverband Bayerischer Bauinnungen (LBB) eine Lehrstellen-Kampagne. Zusammen mit der Digitalagentur Schalk&Friends wird eine Bau-Squad ins Leben gerufen – „Squad“ ist jugendsprachlich und steht für Team, Truppe. „Der Team­gedanke war Leitidee der Kampagne, zudem haben wir bei der Ansprache der jungen Zielgruppe bewusst auf eine Mischung aus Humor und Informationen gesetzt“, sagt Matthias Bierich, Geschäftsführer Schalk&Friends.

Fünf Azubis, die nach einem Casting als Kampagnen-Testimonials ausgewählt werden, berichten auf dem Instagram-Kanal „bausquad_“ über ihren Alltag zwischen Baustelle, Unterricht und Feierabend. Auf den Social-Media-Kanälen sollen sie durch Foto- und Videobeiträge ein Wir-Gefühl schaffen und zum Mitmachen anregen. Auf bausquad.de und bauberufe.bayern gibt es weitere Informationen und eine Azubi-Stellenbörse, über die sie direkt freie Stellen auch in ihrer Nähe finden können.

Umgekehrt haben die Mitgliedsbetriebe der LBB die Möglichkeit, Angebote für Lehrstellen, Praktika, Schnuppertage kostenfrei einzustellen. „Von Beginn der Social-Media-Kampagnen bis heute konnten wir über vier Millionen Impressions verzeichnen“, berichtet Bierich. Und das zu einem überdurchschnittlich guten CPM, also „Cost per Mille“. „Die Zahlen sprechen dafür, dass die Kampagne Früchte getragen hat.“

Dieser Artikel ist auch als Teil eines Schwerpunktes zum regionalen Marketing im Printmagazin der absatzwirtschaft, das Sie hier abonnieren können.

Roland Karle (rk, Jahrgang 1966) schreibt über Marken & Medien, Beruf & Sport. Hat BWL/Marketing an der Uni Mannheim studiert, bei einer Tageszeitung volontiert und arbeitet seit 1995 freiberuflich. Er porträtiert gerne Menschen in Zeilen und Märkte durch Zahlen. Hang zum Naschkater und Volltischler. Im früheren Leben ein fröhlicher Libero.