Unzufrieden!…Und dann?

Die Onlinebranche sollte die wenigen Kunden, die das Internet für Transaktionen nutzen, an sich binden. Dies gilt insbesondere in der derzeitigen maroden Wirtschaftslage, die die Onlinebranche wesentlich stärker trifft. Denn die Gewinnung neuer Kunden ist mit zu hohen Kosten verbunden und zu hohe Investitionen kann sich die Onlinebranche jetzt sicherlich nicht leisten. Was bleibt, ist also die Kundenbindung.

Hinweise, wie die Kundenbindung gestärkt werden kann, liefert die aktuelle Untersuchung von Emind@emnid im Auftrag der absatzwirtschaft. Erstes Ergebnis: Obwohl das Internet das Dialogmedium schlecht hin ist, vermögen es die Onlineshop-Betreiber nicht, die Stimmen ihrer Kunden zu Tage zu fördern.
Denn gerade einmal 29 Prozent der Internetnutzer, die schon einmal online eingekauft haben, haben sich auch bei dem Onlineanbieter in den vergangenen 36 Monaten beschwert. Im Vergleich: Bei offline getätigten Einkäufen oder genutzten Dienstleistungen waren es im selben Zeitraum 47 Prozent der Internetnutzer.

Beschwerden als Chance
Nun könnte man zu dem voreiligen Schluss kommen, dass die Onlinebranche damit hervorragend dasteht. Mitnichten: Ziel eines Unternehmens sollte es doch sein, Beschwerden als Chance zur Kundenbindung zu begreifen. Ein Kunde, der sich beschwert, bietet für das Unternehmen das Potenzial, mit ihm in einen Dialog zu treten und ihn zufrieden zu stellen; möglicherweise ist er nach der Beschwerdebearbeitung zufriedener – und damit gebundener als je zuvor.
So paradox es klingen mag: Unternehmen müssen die Beschwerderate erhöhen. Denn sicherlich gibt es wesentlich mehr Onlineshopper, die mit der erbrachten Leistung unzufrieden sind, als die, die sich dann tatsächlich beim Anbieter melden. Das Aufdecken dieser Dunkelziffer und die systematische Bearbeitung des Beschwerdeobjekts mit dem Kunden erhöht die Bindung. Beschwerden sind also eine Chance.

Natürlich ist die systematische Bearbeitung eines forcierten, erhöhten Beschwerdeaufkommens mit mehr Kosten verbunden. Allerdings muss sich die Onlinebranche bei der Beschwerdebearbeitung nicht verbergen: 36 Prozent der Onlineshopper, die sich über online eingekaufte Waren oder online genutzte Dienstleistungen beschwerten, sind mit der Beschwerdebearbeitung vollkommen zufrieden oder sehr zufrieden.
Ähnlich sieht es bei den auch noch stattfindenden Offline-Einkäufen der Online-Shopper aus: 34 Prozent der befragten Internetnutzer, die sich bei offline gekauften Produkten oder genutzten Dienstleistungen beschwerten, sind mit der Beschwerdebearbeitung vollkommen zufrieden oder sehr zufrieden.
Hier liegen eindeutig Potenziale für die Onlinebranche: Denn es geht nicht nur um die Bindung an ein Unternehmen, sondern auch an das Medium Internet als Einkaufsplattform.

Vergleicht man diese beiden Gruppen – bei online genutzten Produkten versus bei offline genutzten Produkten beschwert – etwas detaillierter, dann zeigt sich folgendes Bild:

Abbildung: Absicht der Beschwerdeführer, das beschwerte Unternehmen erneut in Anspruch
zu nehmen.

Jeweils mehr als die Hälfte der Beschwerdeführer beider Gruppen würde das beschwerte Online- bzw. Offlineunternehmen erneut in Anspruch nehmen. Knapp ein Fünftel beider Gruppen sind sich dagegen sicher, das Online- bzw. Offlineunternehmen nicht mehr zu besuchen; das ist ein großer Kundenverlust. Jeweils knapp oder rund ein Viertel der Beschwerdeführer ist sich noch nicht sicher, ob sie das beschwerte Online- bzw. Offlineunternehmen erneut in Anspruch nehmen soll.

Fazit
Resümierend bedeutet dies für die Onlinebranche: Das Beschwerdeaufkommen ist mit 29 Prozent vergleichsweise gering. Es ist aber davon auszugehen, dass der Anteil unzufriedener Kunden höher ist als 29 Prozent. Es gibt also eine Dunkelziffer von potenziellen Beschwerdeführern.
Die Abbildung weist darauf hin, dass knapp 50 Prozent (einschließlich der unsicheren Kunden) der Kunden, die sich über eine online bestellte Dienstleistung oder Ware beschwerten, durchaus als verlorene Kunden zu betrachten sind.

Zwei Aufgaben warten somit auf die Onlinehandels- bzw. -dienstleistungsbranche:
1. Erhöhung des Beschwerdeaufkommens durch die Wahrnehmung eingehender Kundenmitteilungen als Beschwerde einerseits und andererseits durch die „Aufmunterung“ von Kunden, ihre Meinung über das gelieferte Produkt mitzuteilen.
2. Systematische Sammlung dieser eingehenden Kundenmeinungen einschließlich der statistischen Veredelung dieser Daten, um Schwächen im Unternehmen – sei es in der Kundenorientierung der Mitarbeiter oder im Organisationsprozess – aufzudecken.

Emind@emnid befragte zwischen dem 13. September und dem 27. September 2002 insgesamt 803 Internetnutzer. Die Untersuchung wurde im TNS EMNID-Onlinepanel durchgeführt. Sowohl beim Panelaufbau als auch bei der Auswahl der Teilnehmer an dieser Befragung wurde dafür Sorge getragen, dass die Struktur der Befragten der aller deutschen Onliner entspricht. Die Ergebnisse sind somit repräsentativ für alle Internetnutzer in Deutschland.

>Zur Emnid-Exklusiv-Umfrage Januar 2002

>Zur Emnid-Exklusiv-Umfrage Februar 2002

>Zur Emnid-Exklusiv-Umfrage März 2002

>Zur Emnid-Exklusiv-Umfrage April 2002

>Zur Emnid-Exklusiv-Umfrage Mai 2002

>Zur Emnid-Exklusiv-Umfrage Juni 2002

>Zur Emnid-Exklusiv-Umfrage Juli 2002

>Zur Emnid-Exklusiv-Umfrage August 2002

>Zur Emnid-Exklusiv-Umfrage September 2002

http://www.emind.emnid.de


Autor: Tristan Helmreich
E-Mail: tristan.helmreich@emnid.tnsofres.com

Emind@emnid ist die Internetforschung von TNS EMNID, einem der führenden Markt-, Media- und Meinungsforschungsunternehmen Deutschlands. Neben der Durchführung von Onlinebefragungen hat sich eMind@emnid auf Forschung rund um das Netz, die Motive für dessen Nutzung und Nichtnutzung sowie Nutzer-und Nichtnutzerstrukturen spezialisiert.