Teilen und absahnen? Wie die Kehrseite der Sharing Economy aussieht

Die Welt der Sharing Economy präsentiert sich in der Öffentlichkeit als Vorreiter der Ökonomie des Teilens. Dabei sind Airbnb und Uber nur noch Dienstleistungsgesellschaften mit Gewinnabsichten. Es braucht also eine genaue Trennung, eine neue Definition.

Ein riesiges Banner hängt vom Balkon in der Altstadt, darauf die Worte „Barcelona no està en venta“ – „Barcelona ist nicht zu verkaufen“. Dieses Banner hat weder mit Gentrifizierung noch mit Wohnungsbau zu tun, es geht um Airbnb. Denn Barcelonas Altstadt gehört den Touristen – und zwar nicht denjenigen, die in Hotels residieren, sondern denen, die über die Plattform Airbnb Wohnungen anmieten. Resultat: Der Wohnraum für die Bevölkerung wird knapper, weil mit der kurzfristigen Vermietung an Touristen mehr Geld zu machen ist als mit regulären Mietern. Barcelonas Bürgermeisterin Ada Colau hat Airbnb deshalb ins Visier genommen. Rund 5000 Vermieter sind bereits zu Strafen verdonnert worden, weil sie ohne Lizenz vermieten.

Auch in Paris, Amsterdam und Madrid ist der stark wachsende Ferienwohnungsmarkt ein Riesenproblem. Amsterdam schränkt die Touristenschwemme ein: Bürger dürfen ihre Wohnung ab 2019 nur noch höchstens für 30 Tage im Jahr an Touristen vermieten. Auch Salzburg will Vermietungsregeln für Anbieter wie Airbnb einführen. Es ist immer wieder die gleiche Geschichte, ob Cornwall oder Berlin, Venedig oder Lissabon. Ist die Sharing-Kultur angesichts solcher Auswüchse vielleicht schon wieder an ihrem Ende angelangt?

Teilen ist keine neue Idee

Ob Wohngemeinschaften, Büchereien, Waschsalons oder Mehrwegflaschen – Beispiele für gemeinschaftliche Nutzungsformen gibt es seit Jahrzehnten. Angetrieben von der Digitalisierung haben sich in den vergangenen Jahren unter dem Schlagwort Sharing Economy neue Modelle etabliert. Die Sharing Economy ist eine Wirtschaft des Teilens. Es geht nicht mehr darum, etwas zu besitzen, sondern um den Zugang zu Gütern und Dienstleistungen. Man teilt oder mietet, statt zu kaufen.

„Durch die kollaborative Nutzung vorhandener Ressourcen steigt deren Nutzungsintensität, woraus sich theoretische Ressourceneinsparungs- und Umweltentlastungspotenziale ergeben. Ob die sozialen und ökologischen Potenziale aber tatsächlich erschlossen werden, hängt von der konkreten Gestaltung und auch Regulierung der einzelnen Sektoren der Sharing Economy ab“, definiert Reinhard Loske. Der Professor für Politik, Nachhaltigkeit und Transformationsdynamik an der Universität Witten/Herdecke hat sich in den vergangenen Jahren ausgiebig mit dem Thema beschäftigt. Ihm zufolge erlebt die Sharing Economy derzeit einen weltweiten Boom, der auch Arbeitsverhältnisse berührt.

Die gewaltigen Wachstumsraten in Bereichen wie Ride-sharing, Carsharing, Apartmentsharing, Officesharing, Foodsharing oder Crowdfunding geben ihm recht. Allerdings ist von der Ursprungsidee des Teilens mitunter nicht viel übrig: „Zu beobachten ist derzeit, dass sich große Teile der ehedem sozial-ökologisch inspirierten Sharing Economy in Richtung Totalkommerzialisierung bewegen, wofür etwa Unternehmen wie Airbnb oder Uber stehen. Wo es Profiteure gibt, werden jedoch auch Verlierer produziert, die unter erheblichen Veränderungsdruck geraten“, so Loske.

Airbnb – Tekkie-Hipstermodell für individuelle Reiseerlebnisse

Die Sharing Economy steckt nicht mehr in den Kinderschuhen, mehrere Global Player haben neue Märkte besetzt, fahren hohe Gewinne ein: 2017 hat Airbnb
vor Abzug von Steuern, Zinsen und Abschreibungen rund 100 Millionen Dollar verdient, berichtet die „Financial Times“ unter Berufung auf einen Insider. Die Zahl der Buchungen stieg um 150 Prozent, der Umsatz erreichte 2017 über 3,5 Milliarden Dollar. Airbnb ist in über 191 Ländern und rund 81.000 Städten vertreten. Nach eigenen Angaben hat das Unternehmen rund 400 Millionen Gästen Übernachtungen vermittelt. Der Name ist schon lange nicht mehr Programm: Airbnb steht für „Airbed and Breakfast“, also „Luftmatratze und Frühstück“.

Auf der Plattform lassen sich Villen auf Mallorca oder in Sri Lanka buchen, luxuriöse Zimmer in Moskau finden oder auch Kochkurse auf Bali belegen. Bei jeder vermittelten Übernachtung erhält das Unternehmen eine Provision: Drei Prozent vom Vermieter und bis zu zwölf Prozent vom Reisenden. Das ursprüngliche Modell, bei dem es darum ging, eine globale Gemeinschaft zu kreieren, in der sich abenteuerlustige Fremde finden und authentische Reisen erleben, gibt es nicht mehr. Heute bietet Airbnb eher eine unpersönliche Erfahrung, bei der man den Villenschlüssel aus einer Schlüsselbox holt. Um so etwas eben nicht zu erleben, wenden sich Individualisten mittlerweile dem Couchsurfing zu: Unter diesem Label bieten weltweit rund 14 Millionen Menschen in mehr als 200 000 Städten Fremden ein Sofa oder ein Zimmer an. Hier geht es um Gastfreundschaft, gemeinsames Essen, darum, Menschen und Kulturen kennenzulernen.