Phillip Böndel über Ausbildung, Talent und Karriere in Agenturen

Phillip Böndel, Geschäftsführer Beratung Digital der Düsseldorfer Kreativagentur Butter und Vorstand im GWA, spricht über die Bedeutung der Ausbildung für die Agenturbranche und nennt sich selbst das "beste Beispiel" für eine erfolgreiche Karriere ohne Hochschulabschluss.
"Die Agentur-Branche ist in ihrer Talentauswahl nicht mehr so festgefahren wie noch vor einigen Jahren", sagt Phillip Böndel. (© GWA)

Herr Böndel, wieso entscheiden sich die jungen Leute für eine Ausbildung bei Butter?

PHILLIP BÖNDEL: Weil wir viel Zeit in ihre Ausbildung investieren, schnell Verantwortung übergeben und langfristig eine Perspektive bieten. Wir haben uns immer als Ausbildungsagentur angesehen, die in junge Köpfe investiert und ihnen eine Karriere ermöglicht. Ein gutes Beispiel ist meine Kollegin Alice Gevelhoff: Unsere heutige Etatdirektorin ist im Herbst 2015 als Trainee bei Butter gestartet. Wir glauben an die agenturinterne Ausbildung und daran, dass man sich seine Leute heranziehen sollte und sich nicht darauf verlassen darf, dass die Talente fertig ausgebildet von den Hochschulen kommen. Wir haben es selbst in der Hand dafür Sorge zu tragen, dass top ausgebildete Menschen in unserer Branche arbeiten und diese auf Jahre hinaus prägen.

Es muss also nicht das Studium als Karriere-Booster sein?

Dafür bin ich das beste Beispiel: Ich habe meine Karriere mit einer Ausbildung zum Mediengestalter gestartet und später mein Hochschulstudium zugunsten meiner Selbstständigkeit in der Musikbranche abgebrochen. Trotzdem bin ich Geschäftsführer von Butter geworden und inzwischen Gründer eines Beratungsunternehmens sowie Vorstand des GWA. Wer mit offenen Augen und Ohren durch die Welt geht, muss nicht in die Uni um zu lernen.

Der Erfolg von jungen Unternehmen, zum Beispiel aus der Digitalwirtschaft, zieht immer stärker den Nachwuchs an und zeigt alternative und scheinbar schnellere Karrierewege auf. Wie kann sich die klassische Berufsausbildung dagegen behaupten?

Wir müssen als Werbebranche darauf reagieren und den jungen Leuten das Angebot machen, sich innerhalb unserer Branche und im Rahmen einer Ausbildung zu Fachkräften, Führungskräften und Unternehmerinnen und Unternehmern zu entwickeln. Wer einen Gründerwunsch in sich trägt, für den ist der Gang durch die Agenturwelt ein sehr guter Weg, um sich entsprechend vielseitig ausbilden zu lassen.


Phillip Böndel ist neben seiner Rolle als Geschäftsführer Beratung Digital der Düsseldorfer Kreativagentur Butter im Vorstand des Gesamtverband Kommunikationsagenturen GWA für Nachwuchsarbeit zuständig. Gewissermaßen als drittes „Standbein“ hat er Anfang dieses Jahres die Beratungsagentur The Ambition gegründet und berät Marken dabei, das Potenzial der Hip-Hop-Kultur zu nutzen. Der 35-Jährige hat schon als PR- und Social-Media-Berater für deutsche Hip-Hop-Größen wie Kool Savas, Azad und Eko Fresh gearbeitet.


Wie hat sich Corona auf die Ausbildungssituation in der Branche ausgewirkt?

Bei den GWA-Agenturen sehen wir aktuell nicht die Tendenz von weiter sinkenden Ausbildungszahlen. Bei Butter erhalten wir auf einen ausgeschriebenen Ausbildungsplatz rund 50 Bewerbungen. Die Zahlen sind konstant, das gilt auch für andere große Agenturen wie Jung von Matt oder Achtung. Die Wertschätzung der Berufsausbildung gegenüber ist extrem hoch und wird noch weiter ausgebaut werden. Wir müssen gemeinsam einen Beitrag leisten und dürfen uns nicht durch kurzfristige wirtschaftliche Einschränkungen von diesem Weg abbringen lassen.

Die Berufsorientierung sehen Sie allerdings negativ durch die Pandemie beeinflusst.

Viele junge Menschen, die sich am Ende ihrer Schulzeit zum Beispiel im Rahmen eines Praktikums orientieren wollten, standen vor verschlossenen und leerstehenden Agenturen, weil die Belegschaften zu großen Teilen ins Homeoffice gegangen waren. Darauf haben wir als Branchenverband mit einem digitalen „Tag der offenen Tür“ reagiert und viel Zuspruch erhalten.

Gerät der Ausbildungsmarkt ins Stocken, verschärft dies langfristig auch den Fachkräftemangel, den sie schon heute als eines der beiden größten Wachstumshemmnisse in der Agenturbranche ausgemacht haben. Wie reagieren Sie darauf?

Wir müssen uns natürlich mit der Frage beschäftigen, wie wir diesen Mangel beheben. Es gibt seitens des GWA vielfältige Initiativen für die Berufsausbildung. Die Branche ist in ihrer Talentauswahl aber auch nicht mehr so festgefahren wie noch vor einigen Jahren: Bei der Auswahl wird inzwischen weniger auf Schulzeugnisse und vermehrt auf individuelle Lebensläufe und persönliche Talente geschaut. Für die neue Generation Agenturentscheider und Gründer ist Lebenserfahrung mindestens genauso wichtig wie die formale Qualifikation.

Eine ausführliche Betrachtung des Ausbildungsmarktes in der Werbewirtschaft finden Sie im aktuellen Printmagazin der absatzwirtschaft, das Sie hier abonnieren können.

(tht, Jahrgang 1980) ist seit 2019 Redakteur bei der absatzwirtschaft. Davor war er zehn Jahre lang Politik- bzw. Wirtschaftsredakteur bei der Stuttgarter Zeitung. Er hat eine Leidenschaft für Krimis aller Art, vom Tatort über den True-Crime-Podcast bis zum Pokalfinale.