Online-Verkauf mit Community-Effekt

Wirtschaftskrise hin oder her: E-Commerce wächst! Hohe Zuwachsraten melden vor allem Shopping-Clubs und Live-Shopping-Anbieter. Die einen setzen auf exklusive Markenprodukte, die anderen auf Massenware. Was sie eint? Der Überraschungseffekt, der Unterhaltungswert und der Community-Gedanke.

von Vera Hermes

Wer zu spät kommt, den bestraft der Shopping Club: Um sieben Uhr morgens hatte der Verkauf der gemeinhin sündhaft teuren, aber doch so begehrlichen Bally-Schuhe bei venteprivee. com begonnen – um kurz nach acht waren alle Modelle der Größe 37 restlos ausverkauft.
Das schmerzt, kostete das edle Schuhwerk im Interneteinkaufsclub doch nur einen Bruch teil dessen, was in den Bally Stores auf dem Kurfürstendamm, in der Maximilianstraße oder auf der Königsallee verlangt wird.

Exklusive Shopping-Clubs verkaufen im Internet hochklassige Markenware: immer zeitlich auf meist zwei bis drei Tage begrenzt, stets mengenmäßig limitiert und bis zu 70 Prozent günstiger als der Originalpreis. Um den Plattformen Exklusivität zu verleihen, sind sie registrierten Mitgliedern vorbehalten. Mitglied wird der markenbewusste Schnäppchenliebhaber durch die Einladung eines Freundes.
Die Mitgliedschaft ist kostenlos.

Virtuelle Clubs als Vertriebsalternative
Wenn es darum geht, Restbestände und Überproduktionen aus der vorangegangenen Kollektion zu verkaufen, sind die virtuellen Clubs für Markenanbieter prima Vertriebsalternativen zu den ganz realen Outlet-Stores: „Wir suchen nach hochwertigen Wegen, um unsere Lagerbestände sinnvoll zu verkaufen und sie nicht zu verramschen“, sagt Kati Eismann-Erler, Marketingmanagerin von Eastpak, einer Marke von VF Germany in Köln.

Eastpak verkauft seine Restbestände aus der Vorsaison in Deutschland über die drei größten Shopping-Clubs brands4-friends.de, venteprivee.com und buyvip. „Die Clubs bieten uns einen sehr exklusiven Rahmen, wir erreichen dort ein markenbewusstes Publikum“, sagt Kati Eismann-Erler. Über die geschlossenen Communitys erschließe sich Eastpak neue Zielgruppen, „weil wir uns dort mit unserer begehrlichen Marke neben anderen begehrlichen Marken bewegen“.

Laut brands4friends. de sind mittlerweile sechs Prozent der deutschen Internetnutzer Mitglied in einem Online-Shopping-Club. Morten Naumann, Inhaber des Berliner Modelabels Hüftgold (das unter anderem Gürtel bietet), antwortet auf die Frage, ob er angesichts des stark rabattierten Verkaufs keine Angst um das Markenimage habe: „Natürlich hatten wir zunächst diese Bedenken. Im Vorfeld haben wir viel darüber diskutiert, da es auch andere Möglichkeiten im Umgang mit Restware gibt. Wir haben uns für brands4friends entschieden, weil wir im Gegensatz zu regulären Outletstores hier direkt innerhalb unserer Zielgruppe agieren können. Die hohe Nachfrage nach Hüftgold-Produkten über brands4-friends bestätigt, dass wir damit absolut richtig liegen.“

Bis zu 75 Prozent der im Club angebotenen Hüftgold-Produkte werden verkauft. Um die Marken vor dem Ramsch-Image zu bewahren, legen die Anbieter größten Wert auf eine hochwertige Darstellung ihrer Produkte. Die Produkt-Shootings übernehmen die Club-Betreiber.
Bei venteprivee.com werden bis zu 6 000 Produktfotos täglich gemacht. Für die Shop-Betreiber ist essenziell, dass die Marken, die sie feilbieten, über eine hohe Bekanntheit verfügen, ausreichend große Lagerbestände haben und niedrige Preise bieten.

Vente-privee.com ist Pionier und Marktführer der europäischen Online-Shopping-Clubs. 2001 in Paris mit fünf Mitarbeitern gegründet, zählt der Club heute europaweit über 7,5 Millionen Mitglieder. Jeden Tag kommen rund 9 000 neue hinzu. Für seine deutschen Mitglieder will venteprivee.com in diesem Jahr 330 Verkäufe mit 140 Marken organisieren; das Unternehmen hat im Mai ein Logistikzentrum in Deutschland eröffnet, im Herbst soll eine Niederlassung in Düsseldorf die Arbeit aufnehmen. Venteprivee.com verbuchte 2008 in Deutschland einen Umsatz von 21 Millionen Euro.

Deutscher Marktführer mit über zwei Millionen Mitgliedern und einem Umsatz von 25 Millionen Euro im Jahr 2008 ist der Berliner Club brands4friends.de. 2009 will das Unternehmen 85 Millionen Umsatz erwirtschaften und den Break-Even erreichen. Christian Heitmeyer, Gründer und Geschäftsführer von brands4friends.de, formuliert die Schlüsselfaktoren des Erfolgs: „Man muss mit den Marken klarkommen.
Man muss schnell eine Community entwickeln.

Der permanente Kampf mit der IT
Man muss das Wachstum managen können und zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Mitarbeiter gewinnen – und man muss immer auf die Qualität des Webshops achten: Die Präsentation darf nicht nach Vorsaisonware aussehen.“ brands4friends.de habe noch einige Baustellen, an denen das Unternehmen arbeiten müsse, da sei zum Beispiel der permanente Kampf mit der IT: Shopping-Clubs verzeichnen extreme Stoßzeiten, zeitweise besuchen 60 000 bis 70 000 User gleichzeitig die Website.

Da stößt die Technik zuweilen an ihre Grenzen. Der Club will zudem neue Segmente erschließen, zum Beispiel Home & Living, Kosmetik und Lifestyle, wozu auch Wein und Champagner gehören könnten. Was übrigens alle Club-Betreiber freut: Sie verzeichnen nicht nur ein rasantes Umsatzwachstum, sondern im Vergleich zum klassischen Versandhandel auch traumhaft niedrige Retourenquoten: Die liegen bei „normalen“ Versendern zwischen 35 und 50 Prozent, bei den Clubs hingegen bei nur zwölf bis 20 Prozent.

Christian Heitmeyer führt das auf die Kombination aus hochklassiger Markenware und Einsparpotenzial zurück: Bevor die Kunden eine günstig erworbene Markenware zurückschicken, geben sie sie im Familien- oder Freundeskreis weiter. Die Vorteile der Shopping-Clubs bleiben nicht unbemerkt: Ebay ist auf den Zug aufgesprungen und etablierte Mitte Mai erstmals eigenständige Markenshops auf seiner Plattform.

Ein gutes Dutzend Marken, darunter Triumph, Kunert oder Blaupunkt, verkaufen derzeit über einen eigenen „Ebay Outlet“, viele weitere sollen in Kürze folgen. Damit bediene Ebay den starken Trend zum Outlet-Shopping, kommentiert Unternehmenssprecherin Maike Fuest.
Gummibadeenten und Wasserkaraffen! Das sind neben den üblichen Elektronikartikeln die Renner beim Live-Shopping-AnbieterPreisbock.Live-Shopping lebt ebenfalls von Verknappung und Überraschung: Pro Tag wird bei den einschlägigen Anbietern wie Preisbock oder guut.de nur ein Produkt zum günstigen Preis – bis zu 50 Prozent unter dem Ladenpreis – angeboten.

Jeder Käufer kann nur eine geringe Stückzahl des jeweiligen Produkts erwerben. Das kann die Pulsuhr mit optischem Fingersensor, ein iPod von Apple, ein fernbedienbarer Hubschrauber oder ein Remington Rotationsrasierer (36,95 statt 119,99 Euro) sein. Bei dem Marktführer Preisbock gilt das Angebot 24 Stunden lang und solange der Vorrat reicht. Die User erfahren nicht, wie viele Produkte noch vorrätig sind, was den Reiz des Impulskaufs zusätzlich erhöht. Lockere Texte und Mitmachmöglichkeiten wie Kommentarfunktionen, Blogs und Foren erhöhen den Einkaufsspaß.

Während der erste deutsche Live-Shopping-Anbieter Schutzgeld.de im November das Handtuch warf, geht es dem im Jenaer Intershop-Tower beheimateten Unternehmen Preisbock nach eigenem Bekunden gut: „Wir sind zufrieden! Unser Geschäftsmodell ist dazu da, Overstocks innerhalb eines Tages abzusetzen. Auch bei uns kommt es mal vor, dass nur fünf Produkte am Tag verkauft werden, denn wir treffen mit nur einem Angebot auch immer nur eine kleine Zielgruppe pro Tag.

Deshalb müssen wir jeden Tag neu überraschen“, sagt Gründer Christian Grötsch. Seit November arbeitet Preisbock profitabel und erzielt pro Monat einen sechsstelligen Umsatz. Neben den reinen Live-Shopping-AnbieternhabenauchandereMarktteilnehmer die Vorzüge des schnellen Abverkaufs per Tagesangebot für sich entdeckt: Quelle beispielsweise bietet mit dem „Q des Tages“ vom Sommerkleid bis zum Kondenstrockner (299,99 statt 449,99 Euro) Schnäppchen aus seinem Sortiment. Seit Ende Februar sind bei Ebay in der Rubrik „Wow des Tages“ täglich neue Produkte zu Kampfpreisen zu finden.

Social Commerce bietet einen sozialen Mehrwert
Das Schlagwort lautet Social Commerce, unter das sowohl Shopping-Clubs als auch Live-Shopping fallen: Social Commerce bezieht die Kunden stark in den Kaufprozess ein, bietet ihnen zusätzlich zum Produkt einen sozialen Mehrwert und macht zumeist schlicht Spaß.
Diese Ziele verfolgt auch die neue Web-Plattform apnoti.de. Apnoti steht für automatic price notification. Das Unternehmen bietet Preisvergleiche in Echtzeit. Registrierte User können Amazon-Produkte auswählen und deren Preisentwicklung von apnoti.com beobachten lassen. Sobald sich der Preis des Wunschprodukts bewegt, erhält der User automatisch eine Benachrichtigung.

„Der klassische Preisvergleich war gestern, heute zählt Shopping in Echtzeit!“, ist Marketing-Mann Wolfram Gast überzeugt. „Shopping-Clubs wählen Produkte aus und bieten sie ihren Mitgliedern an. Bei uns ist das andersherum: Unsere Nutzer entscheiden, welche Lieblingsprodukte sie nachverfolgen und zum Tiefstpreis in Echtzeit kaufen wollen.“

Obwohl apnoti.com kaum Marketing betreibt, haben sich seit Jahresbeginn über 8 000 Mitglieder registriert, die insgesamt knapp 44 000 Produkte beobachten. Noch ist die Preisbeobachtung auf Amazon beschränkt, in Kürze sollen aber weitere große Shoppingportale hinzukommen. Auch an den Funktionen zum Austausch der Mitglieder untereinander wird derzeit mit Hochdruck gearbeitet, schließlich positioniert sich apnoti.com als „Community für smart shopper“.

Das ist ein erfolgversprechender Ansatz, dem letztlich auch die Clubs und Live-Shopping-Anbieter folgen. Denn: Wer als E-Commerce-Anbieter seinen Usern Exklusivität, Austausch und Unterhaltung bietet und mit Qualitätsprodukten überzeugt, der hat eine treue Community – und muss sich selbst in wirtschaftlich schwierigen Zeiten offenbar keine Sorgen ums Geschäft machen.