Nutzen statt besitzen: So geht Nachhaltigkeit bei Hilti

Die Hilti Group hat die Ziele ihres Nachhaltigkeitsprogramms verschärft und eine Reihe globaler und lokaler Initiativen ins Leben gerufen. CEO Christoph Loos verrät im Interview, warum dabei nicht nur die Umwelt, sondern auch die Gesundheit der Mitarbeiter im Fokus steht – und warum Freiflüge durch gesammelte Meilen für ihn nicht mehr in Frage kommen.
Hilti-CEO Christoph Loos: "Die Firma existiert nicht nur, um die Shareholder-Interessen zu erfüllen." (© Studio Fasching)

2020 hat die Hilti Gruppe den ersten Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht. Warum hat sich das Unternehmen dem Thema nicht schon früher gewidmet?

CHRISTOPH LOOS: Tatsächlich widmen wir uns dem Thema schon viel länger: Seit 20 Jahren ist Nachhaltigkeit in unserem Leitbild verankert. Darin bringen wir zum Ausdruck, dass wir eine bessere Zukunft bauen wollen. Und damit haben wir immer gemeint, dass die Firma nicht nur existiert, um die Shareholder-Interessen zu erfüllen, sondern verantwortungsvoll mit allen Stakeholdern umgeht. Das gilt vor allem auch für die Umwelt und die Gesellschaft insgesamt, aber auch für unsere Mitarbeitenden und unsere Lieferanten. Gleichwohl haben wir entschieden, dass wir angesichts der Probleme weltweit unsere Anstrengungen verstärken und die Latte bei Nachhaltigkeit höher legen müssen. Wir wollen über unseren Fortschritt nun auch regelmäßig kommunizieren – deswegen der Nachhaltigkeitsbericht.

Angesichts der steigenden Herausforderungen durch den Klimawandel und zur besseren Wahrnehmung ihrer gesellschaftlichen Verantwortung hat die Hilti Gruppe in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie ihre bisherigen Ziele verschärft und eine Reihe globaler und lokaler Initiativen ins Leben gerufen. Welche davon sind für Sie besonders relevant?

Global haben wir uns im Umweltbereich entschieden, uns zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien für unseren Strombedarf umzustellen. Damit konnten wir unseren CO2-Ausstoß um bisher etwa 25 Prozent reduzieren. Zudem sind wir dabei, unsere globale Fahrzeugflotte von Verbrennern auf elektrisch/Hybrid umzustellen. Wir haben immerhin 14.000 Autos, und diese Flotte ist der größte CO2-Faktor in unserem Geschäft: Sie macht etwa 70 Prozent unserer Emissionen aus. Weiterhin haben wir das Freiwilligenprogramm ‘Engaged Beyond Business‘ geschaffen, das Hilti-Mitarbeitende in die Lage versetzt, Arbeitszeit und Geld in lokale soziale Projekte zu investieren. In den USA gibt es beispielsweise ein Projekt, bei dem unsere Mitarbeiter sich, ausgestattet mit unseren Geräten, bei Aufräumarbeiten nach Hurricanes engagieren.

Und in Deutschland?

In Deutschland haben wir beispielsweise in München Ludwigsvorstadt eine Partnerschaft mit der ‘SchlaU-Schule‘, die junge Geflüchtete fördert. Neben finanzieller Unterstützung für den Umbau der Schulräumlichkeiten organisieren unsere Mitarbeitenden einen Berufsparcours und Bewerber-Trainings für die Geflüchteten für einen guten Start ins Berufsleben. Ein weiteres Beispiel aus Deutschland ist die Initiative „16h für eine bessere Zukunft“, wo alle Mitarbeitenden die Möglichkeit haben, in einem selbst gewählten, gemeinnützigen Projekt mitzuarbeiten, u. a. für Kindergärten oder Schulen, bei denen sie beispielsweise Spielplätze erneuern.

Einen Beitrag für die Umwelt will Hilti auch mit der Weiterentwicklung des Flottenmanagements für Elektrogeräte leisten, das nach dem ‘Nutzen statt Besitzen‘-Prinzip funktioniert. Wie genau gehen Sie dabei vor?

Beim Flottenmanagement kaufen Kunden nicht mehr wie früher die benötigten Elektro-Geräte. Stattdessen machen sie einen Vertrag mit uns, nach welchem wir ihnen gegen eine monatliche Gebühr alle Geräte zur Verfügung stellen, die sie brauchen. Wir verwalten also einen Geräte-Park, aus dem sich Kunden bedienen können, wenn sie etwas benötigen. Wenn mal ein Gerät kaputt sein sollte, tauschen wir es flexibel noch am gleichen Tag gegen ein intaktes ein – dadurch entfallen Reparatur- und Verwaltungskosten für den Kunden. Und am Ende der Lebensdauer nehmen wir die Geräte ganz zurück und überprüfen, ob sie noch nutzbar für unseren Leih-Geräte-Park oder auch als Spenden sind. Falls nicht, lassen wir sie professionell recyceln.


Vita: Christoph Loos, Jahrgang 1968, ist seit 2007 Mitglied der Konzernleitung. In den ersten vier Jahren seiner Amtszeit verantwortete er die Bereiche Finanzen, Personal, IT und Konzernentwicklung. 2011 übernahm er den Bereich Emerging Markets sowie das globale Energie- und Industriegeschäft. Seit 2014 ist er der Vorsitzende des Gremiums. Loos ist bereits seit 2001 im Hilti-Konzern, leitete zunächst den Bereich Konzernentwicklung und baute danach das strategische Marketing auf. Ende 2003 wechselte er als Leiter einer Vertriebsregion nach Deutschland, ab 2005 übernahm er dort die Geschäftsführung.


Nachhaltigkeit beinhaltet auch, die Gesundheit der Anwender zu fördern. Wir sieht das bei Hilti praktisch aus?

2020 haben wir dazu zwei Lösungen lanciert: zum einen den ersten BIM-fähigen Baustellenroboter „Jaibot“ (Building Information Modeling, kurz: BIM, ist die Software-Grundlage für die digitale Transformation in der Architektur, im Ingenieur- und im Bauwesen, Anm. d. Red.) und zum anderen das erste Exoskelett „EXO-O1“ als innovatives „Human Augmentation System“ (Human Augmentation meint jede Art der Produkt- oder Techniknutzung, die die menschlichen Fähigkeiten erweitern soll, Anm. d. Red.).Beide Lösungen übernehmen vor allem die sehr anstrengenden Über-Kopf-Arbeiten auf einer Baustelle oder gefährliche Arbeiten in großer Höhe, die ein Unfallrisiko haben. Wenn wir den Roboter nicht einsetzen können, entlastet das Exoskelett die menschlichen Muskeln und reduziert körperliche Langzeitschäden. Mit Technologien wie diesen wollen wir unseren Beitrag zu einer nachhaltigeren Bauwirtschaft leisten, die so nicht zuletzt für junge Nachwuchskräfte attraktiver werden soll.

„Eine gewisse Paranoia ist gut fürs Geschäft“, haben Sie mal in einem Interview gesagt. Ist diese Paranoia auch gut, wenn es um das Thema Nachhaltigkeit geht?

Aber ja! Wenn man erfolgreich sein will, darf man sich nie sicher fühlen – gerade in Sachen Nachhaltigkeit nicht. Denn einerseits werden die Bedürfnisse von Umwelt und Gesellschaft immer wichtiger. Wir bekommen andererseits zwar gutes Feedback von unseren Kunden, aber uns erreichen auch kritische Töne. Und die müssen wir hören und ernstnehmen – sonst können wir uns nicht immer weiter verbessern und bleiben nicht zukunftsfähig.

Inwieweit setzen Sie Nachhaltigkeit auch in Ihrer Freizeit um?

Ich habe beispielsweise meine Reise-Gewohnheiten verändert. Ich sammele relativ viele Meilen bei all meinen Flügen und bei den Airlines gibt es ja die Möglichkeit, die Meilen dann für Freiflüge einzusetzen. Man kann diese Meilen aber auch für Projekte zur CO2-Kompensation spenden – das habe ich vergangenes Jahr zum ersten Mal gemacht, für all meine Flüge. Und das werde ich dieses Jahr und in den nächsten Jahren fortsetzen.

Almut Steinecke (ASt, Jahrgang 1972) war von 2021 bis 2022 Autorin bei der absatzwirtschaft. In ihrer Freizeit engagierte sie sich ehrenamtlich in einem Tierheim, in der evangelisch-lutherischen Kirche im Rheinland sowie im sozialen Dienst eines Pflegeheim der Arbeiterwohlfahrt für Menschen mit Demenz.